Ortsneckname






An den aus dem Kriegsjahr 1917 stammenden Necknamen Moosrebber der Oberfeller erinnert ein Denkmal in dem Moselort


Ein Ortsneckname (auch Ortsneckerei, Uzname oder niederdeutsch Terneidsname) ist die scherzhafte Bezeichnung der Ortseinwohner durch die Bevölkerung benachbarter Orte. In der Regel erzählt man sich eine schwankhafte Geschichte (nicht selten aber auch mehrere, voneinander abweichende), die den Ortsnecknamen erklärt (vergleichbar einer ätiologischen Erzählung). Häufig ist der Ursprung des Necknamens aber nicht mehr bekannt.


In der Ethnologie werden solche (oft gegenseitigen) spöttischen Beziehungen von Volksgruppen joking relationships genannt.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Beispiele


  • 2 Umwertung


  • 3 Forschungsgeschichte


  • 4 Siehe auch


  • 5 Literatur


  • 6 Weblinks


  • 7 Einzelnachweise





Beispiele |




  • Bremen: Die Bewohner Buntentors werden Geelbeen (niederdeutsch für Gelbbein) genannt, da in der schweren Versorgungslage nach dem Zweiten Weltkrieg ein lebhafter Schmuggel aus dem Bremer Hafen- und Freihafen-Bereich entstand, unter anderem auch von Tabak, der unter der Kleidung versteckt war und die Haut gelb färbte.


  • Darmstadt: Heiner; daher auch die Bezeichnung Heinerfest für das Darmstädter Stadtfest. Bewohner von Darmstadt-Bessungen dagegen heißen Lappinge.


  • Eschwege: Die Einwohner der Stadt werden Dietemänner genannt.


  • Koblenz: Schängel – In französischer Besatzungszeit (1794–1814) entstandener Begriff vom französischen Namen Jean (in Koblenzer Mundart damals Schang ausgesprochen) abgeleitet. Gemeint waren damit ursprünglich die von den Franzosen abstammenden Kinder deutscher Mütter. Über die Zeit entwickelte sich hieraus schließlich Schängel.


  • Hannover: Die Bewohner Lindens werden auch Butjer (von Niederdeutsch buten „draußen“) genannt, weil Linden bis zur Eingemeindung nach Hannover „draußen vor der Stadt“ lag.[1]


  • Niederroßla: Die Einwohner Niederroßlas im Weimarer Land, Thüringen, werden von den Bewohnern der umliegenden Gemeinden „Elefantenkitzler“ genannt. Diese Bezeichnung geht zurück auf ein kurioses und aufsehenerregendes Ereignis im Jahr 1857 mit einem Elefanten namens Miss Baba. Die Attraktion eines im Ort übernachtenden Schaustellers hatte sich an Kohl überfressen und drohte zu verenden. Da die Gemeinde zur damaligen Zeit für die „Entsorgung“ des Kadavers hätte aufkommen müssen, hat man das verendende Tier mit Stöcken vor die Gemeindegrenzen getrieben, wo es verstarb. An dieser Stelle steht heute ein Gedenkstein. Miss Baba ist im Ortswappen erhalten geblieben, und alle 25 Jahre wird seitdem im Ort das Elefantenfest gefeiert.


  • Nürtingen: Die Einwohner Nürtingens wurden scherzhaft „Heckschnärren“ (bezieht sich auf den „Wachtelkönig“) und – ab der Zeit der Textilindustrialisierung – „Stricknadeln“ genannt. Die Nürtinger SPD verleiht daher jedes Jahr am Aschermittwoch das „Ei der Heckschnärre“.



Umwertung |




Denkmal für die Thürer Somporsch


Ursprünglich meist höchst abfällig gemeint, wurden die Ortsnecknamen im 20. Jahrhundert häufig von den so Verspotteten selbst aufgegriffen und mit Stolz als Teil ihrer Identität betrachtet.


Als Beispiel für das Wechselspiel von positivem Selbstbild und Negativ-Stereotyp nennen sich die „eingefleischten“ Fellbacher stolz Moiekäfer (Maikäfer), während sie Neubürger abfällig als Engerlinge bezeichnen.


Gelegentlich sind den Ortsnecknamen moderne Denkmal-Skulpturen gewidmet.



Forschungsgeschichte |


Die maßgebliche volkskundliche Monographie hat Hugo Moser vorgelegt. In den letzten Jahren erscheinen vor allem in Süddeutschland populär ausgerichtete Bücher mit Necknamen-Sammlungen (z. B. David Depenau 2001–2004).



Siehe auch |



  • Liste der Ortsnecknamen in Stadt- und Landkreis Aschaffenburg

  • Liste der Ortsnecknamen im Landkreis Miltenberg

  • Übernamen der Engadiner Dörfer



Literatur |



  • Hugo Moser: Schwäbischer Volkshumor. Die Necknamen der Städte und Dörfer in Württemberg und Hohenzollern, im bayrischen Schwaben und in Teilen Badens sowie bei Schwaben in der Fremde mit einer Auswahl von Ortsneckreimen. Auf Grund der Sammlung von Michael Greiner u. a. Kohlhammer, Stuttgart 1950.


  • Ortsneckerei. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 10, Berlin 2002, ISBN 3-11-016841-3, S. 376–382.


  • Von Dohlenatze und Schwarzbückel. Verlag David Depenau, 2001, ISBN 3-8311-0721-1.


  • Von Dohlenaze, Holzlumpe und Milchsäule. Die Ortsnecknamen in Stadt- und Landkreis Karlsruhe. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2001, ISBN 3-89735-176-5.


  • Von Bloomäuler, Lellebollem und Neckarschleimer. Die Ortsnecknamen in Heidelberg, Mannheim und dem Rhein-Neckarkreis. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2002, ISBN 3-89735-205-2.


  • Die Ortsnecknamen im Landkreis Calw. In: Jahrbuch des Landkreis Calw. 2003, ISBN 3-937267-01-8.


  • Die Ortsnecknamen in Stadt und Landkreis Rastatt und dem Stadtkreis Baden-Baden. Von Gälfießler, Käschdeigel un Schdaffelschnatzer. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2003, ISBN 3-89735-247-8.



Weblinks |



  • Ortsnecknamenverzeichnis


  • Ortsnecknamen (Memento vom 7. Januar 2017 im Internet Archive) im Rems-Murr-Kreis mit Erklärungen


  • Ortsnecknamen im Landkreis Nordhausen

  • Verzeichnis hessischer Ortsnecknamen (Orts-Uznamen) mit Erklärungen

  • Gedichte zu Nicknamen in Württemberg

  • Schwäbische Ortsnecknamen

  • Lateinische Sprachrelikte im bayerischen Dialekt/Spottnamen


  • Ortsspottnamen in Österreich im RegiowikiAT



Einzelnachweise |




  1. Hans-Jörg Hennecke: Lindener Butjer. In: linden-entdecken.de. Lebendiges Linden e. V., abgerufen am 27. Januar 2016. 




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