Wirtschaftssanktion
Wirtschaftssanktionen sind alle Versuche der Einflussnahme auf das Verhalten anderer Staaten mittels wirtschaftlicher Instrumente. Diese versuchte Einflussnahme erfolgt über eine – wirkliche oder perzipierte – Veränderung der Kosten/Nutzen-Relationen alternativer Verhaltensweisen.[1]
Inhaltsverzeichnis
1 Sanktionsarten
2 Geschichte
2.1 Antike und Mittelalter
2.2 Neuzeit
2.2.1 Völkerbund
2.2.2 Vereinte Nationen
3 Kritikpunkte
4 Siehe auch
5 Einzelnachweise
Sanktionsarten |
Sanktionen können verschiedene Bereiche betreffen:[2]
- Sanktionen im Bereich Sport und Kultur führen zum Verbot der Teilnahme an internationalen Veranstaltungen.
- Verkehrssanktionen führen zum Verbot des Schiff- und Flugverkehrs mit anderen Ländern.
- Handelssanktionen führen zum Verbot vom Importen und Exporten.
- Finanzsanktionen führen zum Einfrieren von Auslandskonten und der Verbot von Finanztransfers.
- Sanktionen können auch das Aussetzen von Entwicklungshilfe zum Ziel haben.
- Kommunikationssanktionen führen zur Unterbrechung von Fernmeldeverbindungen.
- Diplomatische Sanktionen umfassen den Ausschluss von internationalen Organisationen, die Schließung diplomatischer Vertretungen und ein Reiseverbot für Politiker und Militärs.
- Sanktionen welche die militärische Schlagkraft verringern sollen führen zu einem Waffenembargo.
Sanktionen können umfassend oder partiell sein:
- Umfassende Wirtschaftssanktionen: Unter umfassenden Wirtschaftssanktionen versteht man die vollständige Unterbrechung der Handelsbeziehungen mit dem durch Sanktionen belasteten Staat. Auch Ein- und Ausfuhrverbote sowie Kapitaltransferverbote zählen zu den „Druckmitteln“ umfassender Wirtschaftssanktionen.
- Partielle Wirtschaftssanktionen: Dies sind einseitige Sanktionen, die Beschränkungen innerhalb eines Bereiches oder Wirtschaftssektors vorsehen. Dazu gehören auch Ein- und Ausfuhrverbote bestimmter Güter.
- Gezielte Wirtschaftssanktionen (smart sanctions bzw. targeted sanctions): Dies sind gezielte Beschränkungen gegen verantwortliche Führungseliten von Staaten oder Rebellenorganisationen. Darunter versteht man unter anderem das Einfrieren von Staats- oder Privatkonten, Ein- und Ausreiseverbote, Importverbote für bestimmte Waren (z. B. Blutdiamanten, Erdölembargo). Die Bevölkerung soll dabei möglichst geschont werden.[3]
Weitere Sanktionsformen:
- Positive Sanktionen: Das Inaussichtstellen von möglichen Zuwendungen als Anreiz bezeichnet man als positive Sanktionen.
- Kollektive Wirtschaftssanktionen: UN-Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat zum Beispiel wegen Verletzung der Menschenrechte verhängt. Gemäß Art. 25 der UN-Charta sind diese für alle Mitgliedsstaaten verbindlicher Art.
Geschichte |
Antike und Mittelalter |
Auch in der Antike wurden Wirtschaftssanktionen gelegentlich auch außerhalb von Belagerungen durchgeführt. Beispielsweise verhängte Athen gegen Megara eine Handelssperre als Strafe für deren Unterstützung der Spartaner. Im Mittelalter nutzte vor allem die Hanse den Abbruch aller Wirtschaftsbeziehungen als Druckmittel.[4]
Neuzeit |
In der Neuzeit war die Kombination von militärischem und wirtschaftlichem Druck ein übliches Mittel um politische Ziele zu verfolgen. So sperrte beispielsweise die niederländische Flotte 1584 im Rahmen des achtzigjährigen Krieges die unter spanischer Herrschaft stehenden flandrischen Häfen vom Seehandel ab. Damit wurde erstmals eine Wirtschaftsblockade gegen eine ganze Region verhängt.[5]
Mit der Kontinentalsperre versuchte das napoleonische Frankreich von 1806 bis 1813 England vom Handel mit dem europäischen Festland abzuschneiden. Die Maßnahme wurde für Frankreich zum Fehlschlag, da der wirtschaftliche Schaden groß war, während England die Handelsbeziehungen in den Rest der Welt intensivieren konnte. 1832 blockierten England und Frankreich die niederländischen Häfen, um die Niederlande zur Anerkennung der Unabhängigkeit Belgiens zu zwingen.[6]
Im 19. Jahrhundert wuchsen die gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten, dadurch wuchs auch die Bedeutung von Wirtschaftssanktionen. So war im Ersten Weltkrieg die weiträumige Wirtschaftsblockade der Alliierten gegen die Mittelmächte ein Faktor von kriegsentscheidender Bedeutung. Nicht nur für die Waffenproduktion benötigte Rohstoffe, sondern auch Lebensmittel mussten rationiert werden.[7] Die katastrophale Ernährungssituation verursachte alleine im Deutschen Reich 424.000 Hungertote und begünstigte die Pandemie der spanischen Grippe von 1918.[8]
Völkerbund |
Zwischen 1920 und 1945 wurden internationale Wirtschaftssanktionen im Völkerbund beschlossen. Im Völkerbund mussten Maßnahmen einstimmig beschlossen werden, deshalb kam es bei den meisten Konflikten nicht zu einem Beschluss des Völkerbundes.
Wegen des Chacokriegs verhängte der Völkerbund im Mai 1934 ein allgemeines Waffenembargo gegen Bolivien und Paraguay. Dieses wurde bis August 1934 von fast allen Mitgliedstaaten umgesetzt. Im November 1934 wurde ein Bericht des Rates zur friedlichen Beendigung des Konflikts verabschiedet, den aber nur Bolivien akzeptierte. Daraufhin wurden die Sanktionen einseitig gegen Paraguay aufrecht erhalten. Im Juli 1935 kam es zu einem Friedensvertrag. Es wird angenommen, dass neben der beidseitigen Kriegserschöpfung auch die Sanktionen die Friedensbereitschaft förderten.[9]
Anlässlich des Abessinienkrieges wurden Wirtschaftssanktionen gegen Italien beschlossen, die im November 1935 in Kraft treten sollten. Zu den Maßnahmen zählte ein Waffenembargo, ein Kapitalembargo, ein Importembargo für italienische Waren und ein partielles Exportembargo nach Italien. An dem Embargo beteiligten sich die meisten Völkerbundstaaten mit Ausnahme der USA, der Sowjetunion und des Deutschen Reiches. Das Embargo bewirkte zwar eine Reduzierung des italienischen Außenhandels um 36 % (von November 1934 bis Juni 1935) und einen Rückgang des Importvolumens um 30 %. Bis zum Mai 1936 gelang es Italien jedoch Abessinien komplett zu erobern. Zwei Monate später wurden die Wirtschaftssanktionen wieder aufgehoben. In der Folgezeit war der Völkerbund aufgrund internationaler Spannungen nicht mehr handlungsfähig. Weder im spanischen Bürgerkrieg, noch im japanisch-chinesischen Krieg kam es zu nennenswerten Maßnahmen.[10]
Vereinte Nationen |
1946 wurde der Völkerbund durch die Vereinte Nationen ersetzt.
1949 wurde ein Waffenembargo gegen Albanien und Bulgarien wegen Unterstützung von Aufständen in Griechenland beschlossen. Wegen des Koreakriegs wurde ein Embargo für strategische und militärische Güter gegen China und Nordkorea empfohlen. Wegen der Apartheidspolitik und der Namibiafrage wurden umfangreiche Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika empfohlen. Ebenso gegen Portugal wegen dessen Kolonialpolitik. Soweit es sich nur um unverbindliche Empfehlungen handelte, wurden diese nur unvollständig einzelstaatlich umgesetzt.[11] Durch den Kalten Krieg waren die Vereinten Nationen weitgehend paralysiert. Verbindliche Wirtschaftssanktionen wurden zwischen 1946 und 1990 nur zwei mal erlassen. 1966 umfassende Wirtschaftssanktionen gegen Rhodesien und 1979 ein Waffenembargo gegen Südafrika. Als der Kalte Krieg 1990 endete, wurden zahlreiche Sanktionen beschlossen.[12]
Umfassende Wirtschaftssanktionen einschließlich eines Waffenembargos wurden verhängt gegen den Irak (1990–2003, seit 2003 nur noch Waffenembargo und Finanzssanktionen), die Bundesrepublik Jugoslawien (1992–1996 und 1998–2001). Ein Waffenembargo wurde verhängt gegen Somalia (seit 1992), Libyen (1992–2003), Liberia (seit 1992), Haiti (1993–1994), Angola (1993–2002), Ruanda (1994–1995), Sudan (seit 2004), Sierra Leone (1997–1998, 2000–2003), Afghanistan (seit 1999), Äthiopien und Eritrea (2000–2001), Demokratische Republik Kongo (seit 2003), Elfenbeinküste (seit 2004). Hinzu kommen oft auch Reisebeschränkungen und Finanzsanktionen gegen Regierungsmitglieder. Seit 1992 werden zunehmende gezielte Wirtschaftssanktionen verhängt. Beispielsweise wurde es Verboten Ersatzteile für Erdölraffinerien nach Libyen zu liefern. Gegen Liberia wurde eine internationales Importverbot für Blutdiamanten verhängt. Gegen Haiti ein Ölembargo. Gegen Angola und Sierra Leone ein Ölembargo und das Verbot der Ausfuhr nicht zertifizierter Diamanten.[13]
Kritikpunkte |
Kritikpunkte an dem Verhängen dieser Sanktionen finden sich vor allem in Bezug auf die humanitäre Situation der Bevölkerung. Am häufigsten werden Sanktionen noch immer gegen Länder aus der Dritten Welt verhängt, in denen ohnehin enorme Defizite in der Versorgung der Bevölkerung sowie wirtschaftlichen Entwicklung bestehen. Diese führen durch Beschränkungen und zusätzliche Hürden, gerade bei export- und importabhängigen Ländern, häufig zu negativen Auswirkungen im Hinblick auf Leben und Gesundheit der Bevölkerung (beispielsweise Burundi). Daher besteht die Gefahr, dass verhängte Sanktionen eher kontraproduktiv wirken können.
Siehe auch |
- Embargo
- Sanktionsliste
Einzelnachweise |
↑ Henning C. Schneider: Wirtschaftssanktionen, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-09291-0, S. 34.
↑ Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen, BWV Verlag 2010, ISBN 9783830524090, S. 86
↑ Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen, BWV Verlag 2010, ISBN 9783830524090, S. 90
↑ Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen, BWV Verlag 2010, ISBN 9783830524090, S. 82
↑ Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen, BWV Verlag 2010, ISBN 9783830524090, S. 81, 82
↑ Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen, BWV Verlag 2010, ISBN 9783830524090, S. 81, 82
↑ Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen, BWV Verlag 2010, ISBN 9783830524090, S. 82
↑ Deutsches Ärzteblatt, 2015; 112(6): A 230–2, Prof. Dr. med. Wolfgang U. Eckart, Erster Weltkrieg 1914–1918: Hunger und Mangel in der Heimat
↑ Henning C. Schneider, Wirtschaftssanktionen, Duncker & Humblot, 1997, ISBN 9783428492916, S. 53
↑ Henning C. Schneider, Wirtschaftssanktionen, Duncker & Humblot, 1997, ISBN 9783428492916, S. 54
↑ Henning C. Schneider, Wirtschaftssanktionen, Duncker & Humblot, 1997, ISBN 9783428492916, S. 57–58
↑ Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen, BWV Verlag 2010, ISBN 9783830524090, S. 85, 86
↑ Gregor Schotten, Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen, BWV Verlag 2010, ISBN 9783830524090, S. 87–89