Hausierer








Als Hausierer werden von Haus zu Haus gehende Händler bezeichnet. Sie bieten im Gegensatz zum Handelsvertreter oder Handelsreisenden, die im Auftrag eines Unternehmens unterwegs sind, ein eigenes Warensortiment auf eigene Rechnung an. In der heutigen Zeit gelten für Hausierer in Deutschland die Bestimmungen für ein Haustürgeschäft und sie benötigen eine Reisegewerbekarte.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Geschichte


  • 2 Ähnliche Gewerbe


  • 3 Siehe auch


  • 4 Literatur


  • 5 Weblinks


  • 6 Einzelnachweise





Geschichte |




Verbotsschild in Wien


Früher galt die Bezeichnung Hausierer auch für Anbieter von Dienstleistungen, z. B. Kesselflicker und Scherenschleifer. Für spezialisierte Hausierer existierten eigene Bezeichnungen und einzelne Volksgruppen spezialisierten sich auf bestimmte Warensortimente:



  • Bot ein Hausierer Schriften unterhaltsamen oder sensationellen Inhalts an, war er ein Kolporteur.


  • Kurzwaren waren die bevorzugt angebotenen Artikel insbesondere jüdischer Hausierer. In Österreich wurden die Kurzwarenhändler Bandlkramer genannt.

  • Insbesondere in Nordwestdeutschland waren die sogenannten Kiepenkerle bekannt.


Während der Ausübung seiner Tätigkeit transportierte der Hausierer oder der Kolporteur seine Ware aus eigener Kraft mit dem Schubkarren oder Handwagen, in einem Rückentragekorb oder einem übergeworfenen Quersack oder er bot sie in einem Bauchladen an. Als sozialer Aufstieg galt ein Hundegespann, Fahrrad, Pferdefuhrwerk und in der Zeit zunehmender Technisierung ein Automobil.[1][2]


Hausierer gehörten oft ethnischen Minderheiten an und waren Zigeuner, Juden oder Jenische. Sie waren fester Bestandteil insbesondere der ländlichen Sozialstruktur, man richtete sich auf ihr durchaus erwünschtes, oft herbeigesehntes Kommen ein. Ihr Warenangebot umfasste nämlich meist Artikel, die in ländlichen Gegenden nicht erhältlich waren und auch nicht selbst hergestellt werden konnten. Eine ihrer wichtigsten Nebenfunktionen war, dass sie Nachrichten und Informationen aus dem weiteren Umfeld überbrachten. Der Hausierer ist deshalb eine wichtige Figur in der Dramaturgie z. B. Jacquier (Michel Simon) in Es geschah am hellichten Tag oder Jéricho (Pierre Renoir) in Die Kinder des Olymp.


Andererseits wurden insbesondere zu Minderheiten gehörige Hausierer auch mit Misstrauen betrachtet, man unterstellte ihnen Diebstähle oder ein Auskundschaften für Diebe, auch Betrügereien mit minderwertiger oder überteuerter Ware wurden immer wieder kolportiert. Im 20. Jahrhundert wurden verschiedene Vorschriften erlassen, die den Hausierhandel reglementierten. Neben der Pflicht zum Mitführen einer Reisegewerbekarte ist etwa auch der Hausierhandel mit Schmuckwaren nur bis zu einem Verkaufspreis von 40 Euro gestattet.[3]


Die unterschiedlichen Gewerbe der fliegenden Händler wurden im 18. und 19. Jahrhundert in druckgraphischen Folgen unter dem Begriff „Kaufrufe“ dargestellt.[4]


In der Gegenwart ist die Bedeutung des klassischen Hausierhandels in Deutschland nur noch gering, da mittlerweile eine breite Versorgung durch den Einzelhandel gewährleistet ist und zudem der Versandhandel alle möglichen Waren auch in abgelegene Gebiete liefert. Auch die veränderte Lebenssituation, bei der in vielen Haushalten alle Bewohner tagsüber abwesend sind (während früher die klassische Hausfrau stets anzutreffen war und daher als Kundin in Frage kam) dürfte hier eine Rolle spielen.



Ähnliche Gewerbe |


Die heute auftretende und meist eher aufdringliche Form des Hausierens wird in Deutschland Drücker genannt. Hierbei werden von reisenden Kolonnen oft Zeitschriftenabonnements, Mitgliedschaften in einem Verein oder angeblich von Behinderten hergestellte Waren im Auftrag eines Unternehmens verkauft. Eine weit verbreitete Methode ist auch das Vortäuschen ehemaliger Inhaftierung seitens des Drückers, die zu erschwerter Suche nach geregelter Arbeit führe. Trägt diese Täuschung maßgeblich zum Vertragsabschluss bei, handelt es sich um ein Betrugsdelikt.


Es gibt allerdings auch seriöse Firmen, die noch heute ihre Produkte durch Vertreter (meist Berater genannt) ausschließlich (oder zumindest überwiegend) direkt an den Kunden verkaufen und nicht im Einzelhandel vertreten sind, beispielsweise Vorwerk (Staubsauger) oder AMC (Kochtöpfe). Mittlerweile verkauft und berät Vorwerk auch in eigenen Ladengeschäften. Als Vorteil für den Kunden werden dabei die Umgehung des Einzelhandels (Einsparung der Gewinnspanne) sowie die Vorführung neuer Produkte in der eigenen Wohnung mit Möglichkeit zum Testen angeführt; als Nachteil empfinden Kunden die Tatsache, dass sie den Vertreter in ihre Wohnung lassen müssen (und sich durch seine Gegenwart unter Druck gesetzt fühlen) oder bei Problemen mit der gekauften Ware nicht ohne weiteres Kontakt zu einem Ansprechpartner aufnehmen können.


Ebenfalls in den Bereich verwandter Gewerbe gehört die Präsentation von Waren im Rahmen einer Party, zu der ein Gastgeber (der dafür meist ein Produkt der betreffenden Firma als Dank erhält) interessierte Freunde und Bekannte einlädt, denen dann vom Berater die entsprechenden Produkte vorgestellt werden. Dies ist zum Beispiel bei Geschirr (z. B. Tupperware) oder Kosmetik (z. B. Avon) verbreitet.


Eine Bezeichnung für ambulante Kleinhändler mit Marktständen ist Fliegender Händler. Diesen wiederum ähnlich sind die Fahrer von Verkaufsfahrzeugen die in ländlichen Gebieten von Ort zu Ort fahren und dort zu feststehenden Zeiten ihre Ware anbieten, z. B. Eier, Fleisch, Backwaren aber auch sonstige Lebensmittel. Beiden ist gemeinsam, dass sie anders als Hausierer meist nicht gezielt die einzelnen Häuser ansteuern, sondern z. B. in der Ortsmitte ihren Stand aufbauen bzw. ihr Fahrzeug abstellen und dort von den Kunden aufgesucht werden.



Siehe auch |



  • Buckelkrämer

  • Buckelapotheker

  • Bettler

  • Obdachloser

  • Fahrendes Volk

  • Zigeuner

  • Aussätzige

  • Asoziale

  • Betrüger



Literatur |




  • Franz Jung: Hausierer. Gesellschaftskritischer Roman, Einband und Typographie von Jan Tschichold, Der Bücherkreis, Berlin 1931

  • Kurt Kuntze: Der Hausierhandel der Satzunger (Sächsisches Erzgebirge) – eine volkswirtschaftlich-statistische Studie. Duncker & Humblot, Leipzig 1898 (Digitalisat)

  • Albert Vogt (Hg.): Unstet. Lebenslauf des Ärbeeribuebs, Chirsi- und Geschirrhausierers Peter Binz, von ihm selbst erzählt, Chronos Verlag, Zürich 1995, ISBN 978-3-905311-76-1



Weblinks |



 Commons: Hausierer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


 Wiktionary: Hausierer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


Einzelnachweise |




  1. Staatsarchiv Marburg, Aktenzeichen 180 HEF 1365 und 1369.


  2. B. Miehe, Gershausen, Heimatkalender des Kreises Hersfeld-Rotenburg (1986, S. 69)


  3. Merkblatt Reisegewerbekarte der IHK Berlin, S. 21. Online: https://www.ihk-berlin.de/blob/bihk24/Service-und-Beratung/recht_und_steuern/downloads/2253240/c5a6928da97a6075335bb907fe0d97e9/Merkblatt-Reisegewerbekarte-data.pdf


  4. Karen F. Beall: Kaufrufe und Straßenhändler. Eine Bibliographie. Hamburg 1975








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