Paul Blobel






Paul Blobel (1948)


Paul Blobel (* 13. August 1894 in Potsdam; † 7. Juni 1951 in Landsberg am Lech) war ein deutscher SS-Offizier, der als Sonderkommando-Führer der Einsatzgruppen eine führende Rolle beim Mord an den sowjetischen Juden einnahm. Blobel leitete u. a. das Massaker in der Schlucht von Babyn Jar, bei dem seine Truppe binnen zwei Tagen 33.000 Juden ermordete. Als Führer des Sonderkommandos 1005 war er zentral am Versuch der Vertuschung des Verbrechens beteiligt. Nach dem Krieg wurde er 1948 im Einsatzgruppen-Prozess zum Tod durch den Strang verurteilt und 1951 hingerichtet.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Leben


    • 1.1 Herkunft und Ausbildung


    • 1.2 Karriere im Nationalsozialismus


    • 1.3 Prozess und Nachwirkung




  • 2 Literatur


  • 3 Weblinks


  • 4 Einzelnachweise





Leben |



Herkunft und Ausbildung |


Paul Blobel wuchs in Remscheid auf, wo er die Schule besuchte, und bis 1912 eine Lehre als Maurer und Zimmermann machte. Von 1912 bis 1913 studierte er Architektur an der Kgl. Preußischen Baugewerkschule zu Barmen/Elberfeld und arbeitete bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 als Zimmermann. Im Ersten Weltkrieg war er Frontsoldat bei einer Pioniereinheit. Bei Kriegsende wurde Blobel mit dem Dienstgrad Vizefeldwebel entlassen. Bis 1919 war Blobel arbeitslos und lebte wieder in Remscheid. Er setzte sein Architekturstudium an der nunmehr Staatlichen Baugewerkschule fort und beendete es im August 1920 mit einem „guten“ Zeugnis. Ab 1921 war Blobel bei verschiedenen Unternehmen angestellt; 1924 machte er sich dann als Architekt in Solingen selbstständig. Als Folge der Weltwirtschaftskrise 1929 hatte er keine Aufträge mehr und war von 1930 bis 1933 in Solingen arbeitslos gemeldet. Am 1. Dezember 1931 trat Blobel in die NSDAP (Mitgliedsnummer 844.662) ein, im Januar 1932 auch in die SS (SS-Nr. 29.100).[1]



Karriere im Nationalsozialismus |


Von 1933 bis zum Frühjahr 1935 war Blobel als Büroangestellter für die Stadtverwaltung von Solingen tätig. Blobel trat im Juni 1935 in den SS-Sicherheitsdienst ein und machte schnell Karriere bis zum SD-Abschnittsführer von Düsseldorf.[1] 1938 war er als Koordinator zur Sicherstellung der Materialien aus zerstörten Synagogen in Solingen, Wuppertal und Remscheid tätig.


Mit Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion wurde Blobel als SS-Standartenführer im Juni 1941 zum Führer des Sonderkommandos 4a (SK 4a) der Einsatzgruppe C ernannt, die im Operationsgebiet der Heeresgruppe Süd hinter der Front eingesetzt war. Bis Januar 1942 ermordete das SK 4a entsprechend dem Auftrag an die Einsatzgruppen ca. 60.000 Menschen, darunter allein ca. 30.000 Juden am 29. und 30. September 1941 in der Schlucht von Babi Jar bei Kiew. Blobel führte das Sk 4a bis Januar 1942. In den entsprechenden „Ereignismeldungen UdSSR“ aus diesem Zeitraum meldete die Einsatzgruppe C für das Sonderkommando 4a bzw. dessen Teilkommandos folgende Erschießungen:[2]



  • vom 22. Juni bis 29. Juli 1941 bei Schitomir: „2.531 Personen“,[3]

  • vom 27. Juni bis 29. Juni 1941 bei Sokal und Lutsk: „300 Juden und 317 Kommunisten“,[4]

  • im Juli oder August 1941 in Fastow: „alle Juden im Alter zwischen 12 und 60 Jahren“,[5]

  • im September oder Oktober 1941 auf dem Marschweg zwischen Vyrna und Dederov: „32 Zigeuner“,[6]

  • am 29. und 30. September 1941 in Kiew zusammen mit dem Stab der Einsatzgruppe C und Polizeieinheiten: „33.771 Juden“,[7]

  • am 8. Oktober 1941 in Jagotin: „125 Juden“,[8]

  • vom 22. Juni bis 12. Oktober 1941 im Einsatzgebiet des Sonderkommandos: „mehr als 51.000 Personen“, (Summarische Meldung, die die vorher gemeldeten Opferzahlen kumuliert enthält)[9]

  • und am 23. November 1941 in Poltawa: „1.538 Juden“.[10]




Paul Blobel bei der Verkündung seines Urteils, während des Einsatzgruppen-Prozesses, 1948


Nach Ablösung als Führer des SK 4a wurde Blobel vom Chef der Gestapo, Gruppenführer Heinrich Müller, mit der Aufgabe betraut, die Spuren der Verbrechen der Einsatzgruppen, d. h. die Massengräber, zu beseitigen. Die entsprechende Anordnung wurde nur mündlich gegeben. Jeglicher Schriftverkehr über diesen Auftrag wurde untersagt. Es handelte sich hierbei um die sogenannte „Enterdungsaktion“ oder „Aktion“ bzw. „Sonderkommando 1005“. Jüdische Arbeitseinheiten mussten die Massengräber öffnen und die Leichen in Gruben und auf Scheiterhaufen verbrennen. Dies gelang aufgrund des schnellen Vorrückens der Roten Armee nur teilweise.



Prozess und Nachwirkung |


Im Einsatzgruppen-Prozess gegen Otto Ohlendorf et al. (Fall 9 der Nürnberger Nachfolgeprozesse) wurde Blobel wegen (1) Verbrechen gegen die Menschlichkeit, (2) Kriegsverbrechen und (3) Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation angeklagt. Konkret wurde ihm die Ermordung von 60.000 Menschen unter seiner Verantwortung zwischen Juni 1941 und Januar 1942 vorgeworfen. Zu seiner Verteidigung brachte Blobel vor, dass das Sonderkommando 4a unter seiner Führung nicht 60.000, sondern maximal 10.000 bis 15.000 Menschen erschossen habe. Zudem sei die „Hinrichtung von Agenten, Partisanen, Saboteuren, von der Spionage und Sabotage verdächtigen Elementen und solcher Personen, die das Deutsche Heer schädigten“, von der Haager Konvention gedeckt. Das Gericht folgte seinen Ausführungen nicht, sondern sprach ihn in allen drei Anklagepunkten schuldig. Das Strafmaß wurde am 10. April 1948 auf Tod durch den Strang festgesetzt.[11] Neben Blobel wurden in dem Prozess noch 13 andere hochrangige Einsatzgruppen-Führer zum Tode verurteilt.


Am 7. Juni 1951 wurde Blobel in der Strafanstalt Landsberg am Lech hingerichtet. Der Beisetzungsort von Blobels Leichnam ist strittig.[12] Am selben Tag wurden in Landsberg auch drei andere Verurteilte aus dem Einsatzgruppen-Prozess (Otto Ohlendorf, Erich Naumann und Werner Braune), der im Pohl-Prozess verurteilte Oswald Pohl sowie zwei Verurteilte aus den Dachauer Prozessen (Georg Schallermair und Hans-Theodor Schmidt) hingerichtet. Diese sieben Hinrichtungen waren die letzten Anwendungen der Todesstrafe auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Weitere Mittäter wurden 1968 im Callsen-Prozess zu hohen Haftstrafen verurteilt.


Der Tatsachenroman „Die Wohlgesinnten“ des Schriftstellers Jonathan Littell aus dem Jahr 2006 verbindet eine fiktive Biographie mit verschiedenen realen Ereignissen und Personen des Holocausts – unter anderem auch die Ereignisse in Babi Jar – mit der Person Paul Blobel. Im mehrteiligen Film „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“ aus dem Jahr 1978 wird Blobel von dem irischen Schauspieler Thomas Patrick McKenna gespielt.



Literatur |



  • Yitzhak Arad (Hrsg.): The Einsatzgruppen reports : Selections from the dispatches of the Nazi Death Squads' campaign against the Jews, July 1941 – January 1943. Holocaust Library, New York 1989, ISBN 0-89604-057-7.

  • Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial, 1945–1958: Atrocity, Law, and History. Cambridge University Press, Cambridge 2009, ISBN 978-0-521-45608-1.


  • Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10. (PDF; 56,9 MB), Vol. IV: United States of America vs. Otto Ohlendorf, et al. (Case 9: „Einsatzgruppen Case“). United States Government Printing Office, District of Columbia 1950. (Band 4 der 15-bändigen „Green Series“ über die Nürnberger Nachfolgeprozesse).

  • Jens Hoffmann: „Das kann man nicht erzählen“. „Aktion 1005“ – Wie die Nazis die Spuren ihrer Massenmorde in Osteuropa beseitigten. KVV Konkret, Hamburg 2008, ISBN 978-3-930786-53-4.


  • Michael Okroy: Paul Blobel, Architekt aus Solingen, und seine „Sonderaufgaben im Osten“. In: Romerike Berge. Jg. 46, Nr. 3 (1996), ISSN 0485-4306, S. 20–27.

  • Michael Okroy: Vor 50 Jahren in Nürnberg. Der Einsatzgruppenprozess und Paul Blobel. In: Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums. Jg. 36, Nr. 142 (2. Quartal 1997), S. 21–32, ISSN 0041-2716



Weblinks |



 Commons: Paul Blobel – Sammlung von Bildern


  • Eidesstattliche Erklärung bei den Nürnberger Prozessen


  • Biographie von Paul Blobel (Memento vom 23. Juli 2010 im Internet Archive)

  • Kriegsverbrechergefängnis Nr. 1 in Landsberg: Die letzten sieben Hingerichteten im War Criminal Prison



Einzelnachweise |




  1. ab Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10., Vol. IV: United States of America vs. Otto Ohlendorf, et al. (Case 9: „Einsatzgruppen Case“). District of Columbia 1950, S. 211–213.


  2. Einsatzgruppen-Meldungen, Einsatzgruppe C, Beweisstücke (C) bis (J). In: Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10., Vol. IV. District of Columbia 1950, S. 18–19. Die entsprechenden Beweisstücke der Anklage – insgesamt 253 "Exhibits" – waren die „Ereignismeldungen UdSSR“ und die „Tätigkeits- und Lageberichte“ von Juni 1941 bis April 1942, der „Jäger-Bericht“ vom 1. Dezember 1941, der erste und zweite „Stahlecker-Bericht“ (Dezember 1941 bzw. Januar 1942) und die Aussagen der Angeklagten. In: Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial. Cambridge 2009, S. S. 179–180.


  3. Anklage gegen Einsatzgruppe C, Anklagepunkt (C). In: Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10., Vol. IV. District of Columbia 1950, S. 18.


  4. Anklage gegen Einsatzgruppe C, Anklagepunkt (E). In: Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10., Vol. IV. District of Columbia 1950, S. 18–19.


  5. Anklage gegen Einsatzgruppe C, Anklagepunkt (F). In: Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10., Vol. IV. District of Columbia 1950, S. 19. Dieser Anklagepunkt stützt sich als Beweisstück auf den Tätigkeits- und Lagebericht der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR Nr. 80 vom 11. September 1941. In: Yitzhak Arad (Hrsg.): The Einsatzgruppen Reports. New York 1989, S. 129.


  6. Anklage gegen Einsatzgruppe C, Anklagepunkt (G). In: Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10., Vol. IV. District of Columbia 1950, S. 19. Dieser Anklagepunkt stützt sich als Beweisstück auf den Tätigkeits- und Lagebericht der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR Nr. 119 vom 20. Oktober 1941. In: Yitzhak Arad (Hrsg.): The Einsatzgruppen Reports. New York 1989, S. 198.


  7. Anklage gegen Einsatzgruppe C, Anklagepunkt (H). In: Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10., Vol. IV. District of Columbia 1950, S. 19. Dieser Anklagepunkt stützt sich als Beweisstück u. a. auf den Tätigkeits- und Lagebericht der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR Nr. 101 vom 2. Oktober 1941. In: Yitzhak Arad (Hrsg.): The Einsatzgruppen Reports. New York 1989, S. 168.


  8. Anklage gegen Einsatzgruppe C, Anklagepunkt (I). In: Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10., Vol. IV. District of Columbia 1950, S. 19. Dieser Anklagepunkt stützt sich als Beweisstück auf den Tätigkeits- und Lagebericht der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR Nr. 119 vom 20. Oktober 1941. In: Yitzhak Arad (Hrsg.): The Einsatzgruppen Reports. New York 1989, S. 198.


  9. Anklage gegen Einsatzgruppe C, Anklagepunkt (D). In: Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10., Vol. IV. District of Columbia 1950, S. 18.


  10. Anklage gegen Einsatzgruppe C, Anklagepunkt (J). In: Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10., Vol. IV. District of Columbia 1950, S. 19. Dieser Anklagepunkt stützt sich als Beweisstück auf den Tätigkeits- und Lagebericht der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR Nr. 156 vom 16. Januar 1942. In: Yitzhak Arad (Hrsg.): The Einsatzgruppen Reports. New York 1989, S. 281.


  11. Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10., Vol. IV: United States of America vs. Otto Ohlendorf, et al. (Case 9: „Einsatzgruppen Case“). District of Columbia 1950, S. 526–529.


  12. Laut einer Materialsammlung (PDF; 8,2 MB) einer Landsberger Bürgerinitiative wurde Blobel auf dem zum Gefängnis Landsberg gehörenden Spöttinger Friedhof beigesetzt.
    Laut einem zeitgenössischen Bericht im Spiegel wurde Blobels Leichnam von seiner Witwe zu deren Wohnort überführt und dort beigesetzt. Von den sieben Hingerichteten vom 7. Juni 1951 seien nur Pohl und Naumann auf dem Spöttinger Friedhof bestattet. (Mr. Brit ist eingetroffen. In: Der Spiegel. Nr. 24, 1951, S. 12 (online – 13. Juni 1951). )

































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