Petrochemie






Schema einer Kraftstoffraffinerie


Unter Petrochemie (auch Petrolchemie; nach altgriechisch petros ‚Fels‘ und lateinisch oleum ‚Öl‘) versteht man die Herstellung von chemischen Produkten aus Erdgas und geeigneten Fraktionen des Erdöls.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Geschichte


  • 2 Wirtschaftliche Bedeutung


  • 3 Grundprodukte und Verfahren


  • 4 Folgeprodukte


  • 5 Siehe auch


  • 6 Weblinks


  • 7 Einzelnachweise





Geschichte |


Die wirtschaftliche Entwicklung während des Zweiten Weltkriegs verursachte plötzlich einen Mangel an Naturprodukten (z. B. Kautschuk), die durch künstliche Ersatzstoffe substituiert werden mussten. Der Wechsel von der Kohle- zur Petrochemie fand zuerst in den USA statt und verlief meist stürmisch.






























































Anteil der Petrochemie an der Gesamterzeugung organischer Chemikalien (in %)[1]

USA
Japan
Westeuropa
BRD
1921
0,01
0
0
0
1930
6
0
0
0
1941
21
0
0
0
1950
50
0
4
2
1960
88
4
58
50
1965
94
74
68
61
1971
96
93
91
91


Wirtschaftliche Bedeutung |


Petrochemische Betriebe sind wegen der Abhängigkeit von Naphtha oft in der Nähe von Raffinerien errichtet worden. Die Crackerkapazität in Deutschland beträgt ca. 5,8 Millionen Tonnen, die europäische Crackerkapazität beträgt ca. 26,3 Millionen Tonnen. Die Ethylen-Produzenten und Konsumenten sind oft über Ethylen-Pipelines miteinander verbunden, um Produktionsschwankungen auszugleichen. Die Produktion von petrochemischen Produkten in Westeuropa, Asien und Nord- und Südamerika betrugen 2006 55,3 Mio. Tonnen für Ethylen, 35,6 Mio. Tonnen für Propylen und 27,8 Mio. Tonnen für Benzol.[2] Der Umsatz der Petrochemie betrug in Deutschland im Jahr 2007 ca. 66 Mrd. Euro.




Petrochemische Anlage in Grangemouth, Schottland



Grundprodukte und Verfahren |


Das wichtigste Verfahren der Petrochemie ist das Steamcracken, bei dem Ethan, LPG, Naphtha, Hydrowax, Gasöl oder andere geeignete Kohlenwasserstoffe bei Verweilzeiten im Millisekundenbereich, üblicherweise 200 bis 500 ms, und Temperaturen zwischen 800 und 850 °C in Gegenwart von Wasserdampf gecrackt werden.[3] Die Gasphase der Steamcrackerprodukte enthält die Grundchemikalien Ethylen, Propylen, den C4-Schnitt (hauptsächlich Buten, Iso-Buten und 1,3-Butadien) sowie Isopren. Die Flüssigphase enthält hauptsächlich Aromaten (Benzol, Toluol und Xylole) und findet auch als Pyrolysebenzin Anwendung.


Das Steamreforming von Raffineriegasen oder auch leichtem Naphtha liefert hauptsächlich Kohlenmonoxid und Wasserstoff für die Herstellung von Methanol, Ammoniak, Essigsäure und Hydrierprozesse.























































































































Übersicht über die wichtigsten Prozesse zur Umwandlung von Kohlenwasserstoffen[4]
Verfahren
Ziel des Prozesses
Prozessbedingungen
Sonstige Charakteristika


Druck (bar)
Temperatur (*C)
Katalysator
Reaktionskomponente
Thermisches Visbreaking
Verfahren Erniedrigung der Viskosität von Vakuumrückstanden, leichte Konversion
5–18
450–480
/
/
einfaches Konversionsverfahren; geringer Investitionsaufwand

Delayed Coking
Erzeugung von Benzin und Mitteldestillaten
5
480
/
/
zwangsläufiger Anfall von Petrolkoks

Thermisches Cracken
Erzeugung von Benzin und Mittel- destillaten aus schwerem Gasol
50
500
/
/
wird heute noch vereinzelt angewandt
Thermisches Reformieren
Erhöhung der Oktanzahl von Benzin
40
520
/
/
heute veraltet; abgelost durch katalytisches Reformieren

Steamcracken
Erzeugung von Olefinen
atmosph.
850–900

H2O
Kuppelproduktion von aromatenreichem Pyrolysebenzin und Pyrolyseol
Hochtemperaturverkokung
Herstellung von Hüttenkoks
atmosph.
1200
/
/
Kuppelproduktion der Aromatenrohstoffe Teer und Rohbenzol
Bitumenoxidation
Erhöhung der Plastizitat von Bitumen
atmosph.
280–300
/
O2
kontinuierliches Verfahren; wird auch zur Pechverblasung angewandt

Kohlevergasung
Erzeugung von Synthesegas
20–30
max. 1000
/
O2, H2O
Aromatenanfall im Schwelbereich nur bei Gegenstromführung der Reaktanden Kohle und Luft/Dampf

Hydrocracken
Umwandlung von Schweröldestillaten in Benzin und Mitteldestillat
70–150
350–450
Mo, W
H2
sehr flexibles Konversionsverfahren; hoher Investitionsaufwand, wurde ursprünglich für die Kohlehydrierung entwickelt

Katalytisches Reformieren
Erhöhung der Oktanzahl von straight-run-Benzin
20
500
Pt, Ir, Re

wichtigste Aromatenquelle in den USA; Wasserstoffquelle

Katalytisches Cracken (FCC)
Umwandlung von Schweröldestillaten in Benzin und Mitteldestillate
0,5–1
500
Zeolith

große Bedeutung für die Benzinproduktion, insbesondere in den USA


Folgeprodukte |


Aus den Grundchemikalien werden durch verschiedene Prozesse eine Vielzahl von Zwischen- und Endprodukten hergestellt.


Die bedeutendsten Folgeprodukte sind:




  • Ethylen:


    • Polyethylen – z. B. über Ziegler-Natta-Verfahren

      • ca. 21 % der Gesamtethylenproduktion in LDPE

      • ca. 13 % als LLDPE

      • ca. 23 % als HDPE




    • Ethanol – durch Anlagerung von Wasser


    • Ethylenoxid (EO) – durch katalytische Oxidation (ca. 11 % der Ethylenproduktion)


      • Ethylenglycol – durch Reaktion von EO mit Wasser


        • Gefrierschutzmittel – enthalten Ethylenglycol


        • Polyester – durch Veresterung von Ethylenglycol mit bifunktionalen Säuren




      • Polyethylenglycole – durch Reaktion von EO mit Glycolen


      • Ethoxylate – durch Reaktion von EO mit Alkoholen


      • Monoethanolamin, Diethanolamin, Triethanolamin durch Reaktion mit Ammoniak




    • Vinylacetat – Monomer (ca. 2 % der Ethylenproduktion)


    • 1,2-Dichlorethan – durch Chlorierung (ca. 14 % der Ethylenproduktion)


      • Trichlorethylen – durch Chlorierung


      • Tetrachlorethylen – auch Perchloroethylen genannt; als Reiniger in der “chemischen Reinigung” sowie als Entfettungsmittel genutzt


      • Vinylchlorid – Monomer für Polyvinylchlorid

        • Polyvinylchlorid (PVC) – weitverbreiteter Kunststoff





    • α-Olefine

      • Poly-α-Olefine als Schmiermittel

      • Co-Monomere für Polyethylen


      • Fettalkohole für Wasch- und Reinigungsmittel






  • Propylen:


    • Acrylsäure
      • Acrylpolymere



    • Allylchlorid

      • Epichlorhydrin – für Epoxid-Harze

        • Epoxide – aus Bisphenol A, Epichlorohydrin, und Aminen




    • Isopropylalkohol – 2-Propanol; Lösungsmittel


    • Acrylnitril – Monomer für Acrylonitril-Butadiene-Styrol (ABS)-Polymer (ca. 6 % der Gesamtpropylenproduktion)


    • Polypropylen – z. B. durch Ziegler-Natta-Verfahren (ca. 57 % der Gesamtpropylenproduktion)


    • Propylenoxid (PO) – durch Oxidation (ca. 12 % der Gesamtpropylenproduktion)


      • Propylenglycol – Reaktion von PO und Wasser


      • Glycolether – durch Reaktion von PO mit Propylenglycol






  • Buten – Monomere und Co-Monomere


    • Isobuten – durch Reaktion mit Methanol zu MTBE und als Monomer für die Copolymerisation mit Isopren


    • 1,3-Butadien – Monomer oder Co-Monomer für die Polymerisation zu Elastomeren

      • Kautschuk – aus verschiedenen Dienen oder chlorierten Dienen





  • Benzol:


    • Ethylbenzol – aus Benzol und Ethylen (ca. 7 % der Ethylenproduktion)

      • Styrol – aus Dehydrierung von Ethylbenzol; Monomer

        • Polystyrol – Polymers aus Styrol




    • Cumol – Isopropylbenzol aus Benzol und Propylen; Rohstoff für den Cumol-Prozess (ca. 7 % der Gesamtpropylenproduktion)


      • Phenol – durch Oxidation von Cumol


      • Aceton – durch Oxidation von Cumol


      • Bisphenol A – zur Herstellung von Epoxidharzen

        • Epoxidharze


        • Polycarbonate – aus Bisphenol A und Phosgen



      • Lösungsmittel




    • Cyclohexan – durch Hydrierung


      • Adipinsäure – Copolymer für Nylon.
        • Nylon – Polyamid aus Adipinsäure und Diaminen



      • Caprolactam – ein Amid zur Herstellung von Nylon

        • Nylon – durch Polymerisation von Caprolactam





    • Nitrobenzol – durch Nitrierung von Benzol

      • Anilin – durch Hydrierung von Nitrobenzol

        • Methylendiphenyldiisocyanat (MDI) – Co-Monomer für die Herstellung von Polyurethanen
          • Polyurethan





    • Dodecylbenzol – ein Rohstoff für die Herstellung von Wasch- und Reinigungsmitteln

      • Detergentien – enthalten oft Salze der Dodecylbenzolsulfonsäure


    • Chlorbenzol




  • Toluol:

    • Benzol


    • Toluoldiisocyanat (TDI) – Co-Monomers für die Herstellung von Polyurethanen
      • Polyurethan



    • Benzoesäure – durch Oxidation von Toluol

      • Caprolactam
        • Nylon






  • Xylol

    • Phthalsäureanhydrid


    • Dimethylterephthalat

      • Polyester


      • Polyethylenterephthalat
        • Polyester








Siehe auch |


  • Journal of Natural Gas Chemistry


Weblinks |



 Commons: Petrochemistry – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


  • Homepage der Association of Petrochemical Producers in Europe (APPE)

  • Homepage des Verbandes der Chemischen Industrie


  • Broschüre Aromaten verbessern Ihre Lebensqualität (PDF-Datei; 1,25 MB)

  • Benjamin Steininger: Ein Füllhorn des 20. Jahrhunderts In: „Projekt 100 Jahre Gegenwart“ (Herausgeber: Haus der Kulturen der Welt), 29. November 2017: „Der Kultur- und Medientheoretiker Benjamin Steininger von der Gruppe Beauty of Oil erläutert die Verschmelzung der Kohle- mit der Petrochemie seit den 1920er Jahren und skizziert ihre weitreichenden Folgen vom Zweiten Weltkrieg bis heute.“



 Wiktionary: Petrochemie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


Einzelnachweise |




  1. Das Buch vom Erdöl, 1978.


  2. Statistik der APPE.


  3. ChemgaPedia Steamcracken.


  4. Heinz-Gerhard Franck, Jürgen Walter Stadelhofer: Industrielle Aromatenchemie: Rohstoffe · Verfahren · Produkte. Springer, 1987, ISBN 978-3-662-07876-1, S. 100–101. 





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