Gips
















































































































Gips

Gips 01.jpg

Gipskristallstufe aus Friedrichroda, Thüringen
Allgemeines und Klassifikation
Andere Namen


  • Gipsspat

  • Calciumsulfat



Chemische Formel
Ca[SO4]·2H2O[1]

Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfate

System-Nr. nach Strunz
und nach Dana
7.CD.40 (8. Auflage: VI/C.22)
29.06.03.01

Kristallographische Daten

Kristallsystem
monoklin

Kristallklasse; Symbol
monoklin-prismatisch; 2/m[2]

Raumgruppe

A2/a (Nr. 15, Stellung 4)Vorlage:Raumgruppe/15.4[1]

Gitterparameter

a = 6,52 Å; b = 15,18 Å; c = 6,29 Å
β = 127,4°[1]

Formeleinheiten

Z = 4[1]
Häufige Kristallflächen
{010}

Zwillingsbildung
sehr häufig Kontaktzwillinge nach {100} Schwalbenschwanz, Montmartre, Durchdringung
Physikalische Eigenschaften

Mohshärte
2

Dichte (g/cm3)
gemessen: 2,317; berechnet: 2,31[3]

Spaltbarkeit
sehr vollkommen nach {010}, deutlich mit Faserbildung nach {111}

Bruch; Tenazität
muschelig

Farbe
farblos, weiß, gelblich, rötlich, grau, braun

Strichfarbe
weiß

Transparenz
durchsichtig bis undurchsichtig

Glanz
Glasglanz, Perlmutterglanz, Seidenglanz

Kristalloptik

Brechungsindizes

nα = 1,519 bis 1,521[4]
nβ = 1,522 bis 1,523[4]
nγ = 1,529 bis 1,530[4]

Doppelbrechung
δ = 0,010[4]

Optischer Charakter
zweiachsig positiv

Achsenwinkel
2V = gemessen: 58°, berechnet: 58° bis 68°[4]
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten
in Wasser schwer löslich

Gips, geologisch auch als Gipsspat und chemisch als Calciumsulfat-Dihydrat bekannt, ist ein sehr häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfate (und Verwandte)“. Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung Ca[SO4]·2H2O[1] und entwickelt meist tafelige oder prismatische bis nadelige Kristalle, aber auch körnige bis massige Aggregate.


Im Allgemeinen ist Gips farblos oder weiß. Er kann aber durch Aufnahme von Fremdionen oder Beimengungen unterschiedlicher Art (Sand, Bitumen) eine gelbliche, rötliche, graue oder braune Farbe annehmen. Seine Strichfarbe ist jedoch weiß.


Ganz überwiegend aus dem Mineral Gips bestehende, also monomineralische Gesteine mit nur geringen Beimengungen anderer Minerale wie Anhydrit, Quarz oder Tonmineralen werden ebenfalls als Gips oder auch als Gipsstein bezeichnet.[5]




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Etymologie und Geschichte


  • 2 Klassifikation


  • 3 Kristallstruktur


  • 4 Eigenschaften


    • 4.1 Physikalische Eigenschaften


    • 4.2 Chemische Eigenschaften


    • 4.3 Gesteinsbildner




  • 5 Varietäten und Modifikationen


  • 6 Bildung und Fundorte


  • 7 Zusammensetzung verschiedener Baustoffe, welche als Gipse gehandelt werden


  • 8 Chemische Herstellung von Gips


    • 8.1 Historisch


    • 8.2 Industriell


    • 8.3 Gipsähnliche Calciumsulfat-Modifikationen




  • 9 Verwendung


    • 9.1 Als Rohstoff


    • 9.2 Als Baustoff


    • 9.3 Als Modell- und Formengips


    • 9.4 Weitere Anwendungsgebiete




  • 10 Übertragene Bedeutung


  • 11 Siehe auch


  • 12 Literatur


  • 13 Weblinks


  • 14 Einzelnachweise




Etymologie und Geschichte




Irisierende, durchsichtige Gipskristallstufe (Selenit) aus Lubin, Polen


Der Name Gips ist aus dem griechischen Wort γύψος gypsos (gebrannter Gips, Kreide) abgeleitet, das seinerseits aus dem semitischen Sprachbereich übernommen wurde. Das lateinische Wort lautet gypsum. Weitere antike, jedoch nicht in jedem Fall synonym gebrauchte Bezeichnungen für Gips sind selenites (Mondstein), alabastron und lapis specularis (Spiegelstein).


Schon in der Jungsteinzeit wurde Gips als Baumaterial verwendet. Bereits 7000 v. Chr. wurde in der kleinasiatischen Stadt Çatalhöyük Gips zur Verzierung der Innenräume verwendet. In den Keilschriften der Sumerer und Babylonier finden sich Hinweise für die Verwendung von Gips, ebenso in Jericho (6000 v. Chr.). Ab 3000 v. Chr. wurde in Uruk und später in Ägypten Gips auch als Mörtel verwendet, dem Kalk oder Steine als Verunreinigung oder zur Streckung beigemengt waren. Beispielsweise wurde bei der Sphinx (2700–2600 v. Chr.) für bestimmte Arbeiten ein kalkhaltiger Gipsmörtel verwendet. Auch lichtdurchlässige Scheiben aus Alabaster waren bei den Ägyptern bekannt. Die minoische Kultur verwendete Gipsmörtel und Alabaster anstatt von Marmor als Fußboden oder Wandbelag und als Baustein (Palast von Knossos, 2100–1800 v. Chr., und Palast von Phaistos), und der griechische Naturforscher Theophrastos von Eresos beschrieb in einer Abhandlung die Herstellung von Gips. In Griechenland wurde Gips wegen seiner leichten Bearbeitbarkeit auch für Bauornamente an den Häusern genutzt.


Die Römer verwendeten Gips nur für Ornamentik im Innenbereich, da sie für den Außenbereich mit dem wesentlich dauerhafteren Kalk vertraut waren.


In Europa nahm die Verwendung von Gips ab dem 11. Jahrhundert wieder zu, Gips wurde zum Verfugen von Mauerwerk und zum Ausfachen von Innenwänden und ab dem 17. Jahrhundert für Stuckarbeiten verwendet. Gips wird in Gipswerken gewonnen und gebrannt.


Klassifikation


In der veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Gips zur Mineralklasse der „Sulfate, Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate“ und dort zur Abteilung „Wasserhaltige Sulfate ohne fremde Anionen“, wo er als Namensgeber die „Gips-Gruppe“ mit der System-Nr. VI/C.22 und den weiteren Mitgliedern Ardealit, Bassanit und Rapidcreekit bildete.


Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunzschen Mineralsystematik ordnet den Gips ebenfalls in die Klasse der „Sulfate (Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)“ und dort in die Abteilung der „Sulfate (Selenate, etc.) ohne weitere Anionen, mit H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit ausschließlich großen Kationen“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 7.CD.40 bildet.


Auch die Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Gips in die Klasse der „Sulfate, Chromate und Molybdate“ und dort in die Abteilung der „Wasserhaltigen Säuren und Sulfate“. Hier ist er einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 29.6.3 innerhalb der Unterabteilung der „Wasserhaltigen Säuren und Sulfate mit der allgemeinen Formel AXO4 • x(H2O)“.


Kristallstruktur




Perfekter, durchsichtiger Gipskristall, Blickrichtung auf die b-Achse


Gips kristallisiert monoklin in der Raumgruppe A2/a (Raumgruppen-Nr. 15, Stellung 4)Vorlage:Raumgruppe/15.4 mit den Gitterparametern a = 6,52 Å; b = 15,18 Å; c = 6,29 Å und β = 127,4° sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]


Eigenschaften




Abspaltung von Kristallwasser bei CaSO4 in der DTA


Physikalische Eigenschaften


Gips hat die sehr geringe Mohshärte von 2 und ist neben Halit ein Standardmineral auf der Härteskala nach Friedrich Mohs. Seine Dichte beträgt zwischen 2,2 und 2,4 g/cm³, und er ist im Gegensatz zum häufig vergesellschafteten Mineral Halit nur schwer in Wasser löslich. Die Löslichkeit in Wasser beträgt unter Normalbedingungen 2,1 g/l,[6] die von Halit dagegen 358 g/l[7]. Aus reiner wässriger Lösung kristallisiert Calciumsulfat unterhalb von 66 °C stets als Gips, oberhalb von 66 °C als Anhydrit. Bei Gegenwart anderer Ionen, zum Beispiel Natrium, verschieben sich die Löslichkeitsgleichgewichte.


Chemische Eigenschaften


Beim Erhitzen geht das Kristallwasser verloren (TG-Kurve = Masseverlust, onset = Beginn der Wasserabspaltung, Peaks = Maxima der Reaktion), und es entsteht zuerst ein Hemihydrat (auch Halbhydrat, gebrannter Gips bzw. Bassanit genannt) mit der chemischen Formel CaSO4 • ½ H2O, bei weiterem Wasserverlust entsteht schließlich über den löslichen Anhydrit III der unlösliche Anhydrit II (CaSO4), letztere beide werden mineralogisch schlicht Anhydrit genannt.


Gesteinsbildner


Gips kann unter besonderen natürlichen Umständen einem gesteinsbildenden Prozess unterliegen. Durch Verdunstung von calciumsulfathaltigem Meerwasser fallen Gips und Anhydrit in früher Phase der Carbonatabscheidung aus. Primär sedimentiert dabei Gips. Das in größeren Schichten beziehungsweise Aggregaten entstehende Gestein wird in der Petrographie zur Gruppe der Evaporite gezählt und ist auch unter dem Kulturbegriff Alabaster bekannt. Die Genese führt dabei zu kryptokristallinen oder kristallinen Ausbildungen mit einer Korngröße bis in den Zentimeterbereich.


Im Nahbereich von solchen Lagerstätten können kristalline Neubildungen des Minerals Gips entstehen, Marienglas genannt.



Varietäten und Modifikationen




Schwalbenschwanz-Zwilling aus Nordhausen im Harz; ausgestellt im Mineralogischen Museum der Universität Bonn




Vogelskulptur aus Alabaster-Seidenspat




Sandrose


Gips kommt sowohl massiv, in feinkörniger Form als farbloser, weißer, gelber, roter oder grauer Alabaster vor als auch feinfaserig als Fasergips. Für letzteren ist auch die Bezeichnung Seidenspat bzw., genauer, Alabaster-Seidenspat und gelegentlich die Bezeichnung Atlasspat im Gebrauch. Die Bezeichnung Atlasspat ist allerdings uneinheitlich und wird auch für feinfaserigen Calcit mit Seidenglanz verwendet.[8]


Alabasteraugen entstehen aus Calciumsulfat, das sich an einzelnen Stellen innerhalb eines Muttergesteins sammelte, bevor sich dieses gefestigt hatte, und dann später zu Alabasterkugeln verhärtete. Daneben finden sich manchmal durchsichtige Kristalltafeln, die als Marienglas oder Fraueneis (Selenit) bekannt sind.


Das Mineral wird in verschiedenen Kristallformen gefunden: So sind die Kristalle oft sehr groß, plastisch biegsam, vollkommen spaltbar, dicktafelig, oft krummflächig, manchmal auch verzwillingt; andererseits kommt Gips auch rosettenartig verwachsen als sogenannte Sandrose, Gipsrose oder Wüstenrose vor.


Irreführend als Polyhalit wird eine Gips-Varietät bezeichnet, welche mit Kaliumsulfat und Magnesiumsulfat verbunden ist. Sie kommt in den Steinsalzlagern von Staßfurt, Berchtesgaden und Bad Ischl vor.



Bildung und Fundorte


Gips kann geologisch durch Auskristallisieren aus Calciumsulfat-übersättigtem Meerwasser entstehen, und zwar wegen seiner geringen Wasserlöslichkeit als erstes Mineral noch vor dem Anhydrit, oder aber durch Hydratation von Anhydrit. Man findet ihn aber auch als Verwitterungsprodukt sulfidischer Erze und in vulkanischen Schloten (sogenannte White Smoker), wo er durch Reaktion von austretender Schwefelsäure mit Kalkstein entstehen kann. Die natürlichen Lagerstätten sind meist mit Beimengungen versehen, die eine Parallelentwicklung bzw. aufeinanderfolgende Bildung verschiedener Minerale (Paragenese) begünstigen. So tritt Gips in Paragenese unter anderem mit Anhydrit, Aragonit, Calcit, Coelestin, Dolomit, Halit und Schwefel auf.


Gips ist weit verbreitet und bisher (Stand: 2015) sind über 6600 Fundorte bekannt.[9] Besonders häufig trat er unter anderem in Algerien, Argentinien, Armenien, Australien, Belgien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Indonesien, Iran, Irland, Italien, Japan, Kanada, Kasachstan, Madagaskar, Marokko, Mexiko, Namibia, Norwegen, Österreich, Peru, auf den Philippinen, in Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, der Schweiz, der Slowakei, Spanien, Südafrika, Tschechien, der Türkei, Ungarn, im Vereinigten Königreich (Großbritannien) und den Vereinigten Staaten (USA) auf.[10]


In Deutschland ist das Mineral unter anderem im Neckar-Odenwald-Kreis (Umgebung von Mosbach), bei Osterode am Harz, Eisleben in Sachsen-Anhalt, Borken bei Kassel und im Segeberger Kalkberg zu finden, als Bestandteil der Grabfeld-Formation (Gipskeuper) auch im Steigerwald, der Frankenhöhe und nördlich der Schwäbischen Alb. Hier entstand es meist durch Hydratisierung von bereits vorhandenem Anhydrit während der pleistozänen Kaltzeiten und liegt auch deshalb, bevorzugt an exponierten Westseiten.[11]


In Österreich gibt es Lagerstätten in Preinsfeld bei Heiligenkreuz, Puchberg am Schneeberg, Wienern am Grundlsee, Spital am Pyhrn, Moosegg bei Golling, Abtenau und Weißenbach am Lech.


In der Mine von Naica, Chihuahua (Mexiko) wurden Gips-Riesenkristalle von bis zu 15 Meter Länge entdeckt.


Des Weiteren konnte Gips auch in Mineralproben vom Meeresboden der Barentssee (Arktischer Ozean), des Mittelatlantischen Rückens, des Zentralindischen Rückens sowie in der Bismarcksee (Pazifischer Ozean) und am Ostpazifischen Rücken nachgewiesen werden.[10]


Außerhalb der Erde gelang der Nachweis für Gips durch Sonden auf dem Mars, genauer bei Juventae Chasma im Valles Marineris, in der Terra Margaritifer und der Yellowknife Bay im Aeolis quadrangle[10] sowie im Krater Endeavour in der Meridiani-Ebene[12].




Zusammensetzung verschiedener Baustoffe, welche als Gipse gehandelt werden


Quelle:[13]



































































Stoff
Naturgips (Trias, Keuper)
Naturanhydrit (Trias, Keuper)

Rauchgasgips (REA-Gips)

Phosphogips

Fluoroanhydrit (neutralisiert)
Calciumsulfat-Dihydrat
95
0,5
98
96
0
Calciumsulfat (Anhydrit)
1
96
0
0
96

Calciumcarbonat
1,5
1,5
1
0
0

Magnesiumcarbonat
1
1
0
0
0
Sand und Ton
1,5
1
1
2
1
sonst. Begleitstoffe
keine
keine

Calciumsulfit
1 % Phosphate, 0,5 % Fluoride, 0,5 % Strontiumsulfat, Schwermetalle
1,5 % Fluoride, 1,5 % Kalium- und Zinksulfat, Spuren von Calciumhydroxid
pH-Wert
6,7
7
6,7
2,9
12

Chemische Herstellung von Gips


Historisch





Gipsbrennerei, Théodore Géricault, 1822–1823


Im Mittelalter wurde gipshaltiges Gestein in Steinbrüchen oder bergmännisch abgebaut, sortiert und in Brechmühlen weiter zerkleinert, so dass es dem Brenn- oder Kochprozess zugeführt werden konnte. Die Gipsbrennereien betrieben Meiler- oder Grubenöfen, die mit Holz oder Torf befeuert wurden. Anschließend wurde der Gips in einer Gipsmühle fein gemahlen. Ein anderes Verfahren bestand darin, im Stollen ein Feuer anzufachen und anschließend den gebrannten Gips herauszuschlagen. → Gipsmuseum Schleitheim


Diese Tätigkeiten wurden zumeist von Bauern oder Müllern in der Zeit der Unterbeschäftigung erledigt. Je nach Reinheit und Feinheit unterschied man Baugips, Estrichgips und Stuckgips.


Industriell


Weil Calciumsulfat bei vielen chemischen Prozessen (in der Regel in Form von Gips) als Sekundärprodukt entsteht, beispielsweise bei der Citronensäure-, Weinsäure- und Oxalsäureherstellung, erübrigt sich eine gezielte industrielle Herstellung im größeren Stil. Der bei der Herstellung von Phosphorsäure entstehende sogenannte Phosphorgips ist u. a. mit Uran verunreinigt und ein Problemabfall. Der klassische Prozess ist die Fällung aus schwefelsaurem Wasser mit Kalkmilch oder Kalkstein:


H2SO4+CaCO3⟶CaSO4+H2O+CO2{displaystyle mathrm {H_{2}SO_{4}+CaCO_{3}longrightarrow CaSO_{4}+H_{2}O+CO_{2}} }


Schon Goethe, ein passionierter Naturwissenschaftler und Chemiker, beschrieb diesen Prozess in seinem Roman Die Wahlverwandtschaften:



„Was wir Kalkstein nennen, ist eine mehr oder weniger reine Kalkerde, innig mit einer zarten Säure verbunden, die uns in Luftform bekannt geworden ist. Bringt man ein Stück solchen Steines in verdünnte Schwefelsäure, so ergreift diese den Kalk und erscheint mit ihm als Gips; jene zarte, luftige Säure hingegen entflieht“ – wobei der dichtende Chemiker Kohlendioxid meinte.

Gips entsteht auch bei allen Abwasserreinigungsverfahren, wenn es um die Neutralisation von sulfathaltigen Prozessabwässern oder schwefelsauren Beizen geht.


Bei der Herstellung von Fluorwasserstoffsäure aus Fluorit (Flussspat, Calciumfluorid) und konzentrierter Schwefelsäure fällt ebenfalls Gips (sogenanntes „Fluoroanhydrit“) an, der in der Zementindustrie und Bauindustrie als Anhydrit-Estrich Verwendung findet.




REA-Gips im Kraftwerk Schwarze Pumpe


Ebenso entsteht Gips als Endprodukt der Rauchgasentschwefelung („REA-Gips“) von Kohlekraftwerksabgasen. In der Regel – je nach Verunreinigungen – können solche Gipse (entwässerter Filterkuchen) in der Baustoffindustrie oder zur Weiterverarbeitung zu Calciumsulfat-Modifikationen (Hydraten) verwendet werden. Dieser Syntheseweg machte den Abbau von Naturgipslagerstätten in Europa Ende der Achtziger Jahre teilweise überflüssig, heute sind die Produktionszahlen durch dieses Verfahren rückläufig, da häufig schwefelarme australische Steinkohle verwendet wird. Im Jahr 2014 wurden in Deutschland von 11 Mio. Tonnen Gips 7 Mio. Tonnen durch die REA gewonnen, während 4 Mio. Tonnen aus Naturgips gewonnen wurde.[14]



Gipsähnliche Calciumsulfat-Modifikationen


  • α-Halbhydrat (CaSO4·½ H2O) entsteht in einem geschlossenen Gefäß (Autoklav) unter Nassdampfatmosphäre beziehungsweise drucklos in Säuren und wässrigen Salzlösungen. Er ist Ausgangsstoff für härtere Gipse (Typ III, IV und V) und benötigt weniger Wasser, aber mehr Zeit zum Abbinden.

  • β-Halbhydrat (CaSO4·½ H2O) entsteht beim Brennen in einem offenen Gefäß unter normaler Atmosphäre. Beim Vermischen mit Wasser erfolgt innerhalb von Minuten eine Hydratation zum Dihydrat. Er ist Ausgangsstoff für die weicheren Gipse.

Im Fall von α- und β-Halbhydrat handelt es sich um unterschiedliche kristalline Formen des Halbhydrats.


  • Anhydrit III (CaSO4) entsteht bei Temperaturen bis 300 °C aus dem Halbhydrat. Bei Vorhandensein von Wasser, auch Luftfeuchtigkeit, bildet sich sehr schnell Halbhydrat.

  • Anhydrit IIs (CaSO4) entsteht bei Temperaturen zwischen etwa 300 bis 500 °C, das s steht für „schwerlöslich“. Beim Vermischen mit Wasser erfolgt die Hydratation innerhalb von Stunden und Tagen.

  • Anhydrit IIu (CaSO4) bildet sich bei Temperaturen von 500 bis 700 °C aus dem Anhydrit IIs, das u steht dabei für „unlöslich“.

  • Anhydrit I (CaSO4) ist die Hochtemperaturmodifikation des Gipses, sie bildet sich bei 1180 °C.

Verwendung


Als Rohstoff


Gips als Rohstoff wird vorwiegend bergmännisch als Gipsgestein gewonnen, fällt aber heute auch häufig als Nebenprodukt verschiedener chemischer großtechnischer Verfahren an.


Technisch nutzt man das Vermögen des Gipses, das durch Erhitzen (Brennen) teilweise oder ganz verlorene Kristallwasser beim Anrühren mit Wasser wieder aufzunehmen und dabei abzubinden. Bei Erhitzen auf etwa 110 °C entsteht so genannter gebrannter Gips (das oben erwähnte Hemihydrat), bei 130 bis 160 °C Stuckgips, ein Gemisch aus viel Hemihydrat und wenig Anhydrit. Bei 290 bis 900 °C entsteht Anhydrit, wobei das Kristallwasser ganz ausgebrannt ist. Sehr hoch erhitzter Gips wird auch „totgebrannter Gips“ (Analin) genannt, weil er mit Wasser nicht mehr abbindet.


In der heutigen Bautechnik wird Gips (als Hemihydrat oder Mehrphasengips) meist in Form von REA-Gips für Gipswandbauplatten für Zwischenwände als auch für Gipskartonplatten für den Trockenbau, als Grundstoff für verschiedene Putze und Trockenestriche verwendet, daneben auch als Grundierung und Füllmittel. Durch Vermengen mit Kalk erzeugt man für Stuckarbeiten Gipskalk, der formbar wie Plastilin wird, bevor er aushärtet.


In der Medizin wird Gips für den Gipsverband verwendet: Dabei werden die betroffenen Gliedmaßen oder Gelenke zur Ruhigstellung und Stabilisierung mit feuchten Gipsbinden umwickelt, die dann innerhalb von Minuten aushärten und nach ungefähr zwölf Stunden voll belastbar sind.


In der Zahntechnik ist Gips der wichtigste Rohstoff für Dentalgipse zur Herstellung von Modellen, die aus Abformungen der Mund- und Zahnsituation erstellt werden. Nach der Norm für Dentalgipse EN ISO 6873 werden fünf Typen unterschieden:[15]



  • Typ I: Abform- und Abdruckgips, β-Halbhydrat, 0,15 % Abbindeexpansion und 4 N/mm² Druckfestigkeit

  • Typ II: Alabastergips, β-Halbhydrat, 0,3 % Abbindeexpansion und 9 N/mm² Druckfestigkeit

  • Typ III: Hartgips, α-Halbhydrat, 0,2 % Abbindeexpansion und 20 N/mm² Druckfestigkeit

  • Typ IV: Superhartgips, α-Halbhydrat, 0,15 % Abbindeexpansion, 35 N/mm² Druckfestigkeit

  • Typ V: Superhartgips, α-Halbhydrat, 0,3 % Abbindeexpansion, 35 N/mm² Druckfestigkeit


International werden eher die genauen Spezifikationen angegeben, insbesondere das Mischungsverhältnis (ml Wasser je 100 g Gips) und die Druckfestigkeit (in MPa bzw. N/mm² nach bestimmter Zeit und im trockenen Zustand). Je nach Verwendungszweck wichtig ist auch die prozentuale Abbindeexpansion und die Dauer der Verarbeitungs- sowie Abbindezeiten.


In der bildenden Kunst wird Gips häufig bei der Erstellung von Skulpturen genutzt sowie in der Technik für die Erstellung von Formen und Modellen verwendet. Marienglas spielt auch heute noch bei Kirchen- und Alabaster-Restaurierungen eine wichtige Rolle, während der totgebrannte Gips auch gerne als Zusatzstoff (Streckmittel) für Malerfarben verwendet wird, da er zu billigeren Produkten führt, ohne die Farbqualität stark zu beeinträchtigen. Auch wird es für Grundierungen in der Tafelmalerei oder auch als Goldgrund (Assis) verwendet. Auch Tafelkreide und Malkreide besteht in Deutschland aus Gips.


Gips kommt auch unter Namen wie Alabasterweiß, Analin, Anhydrit, Bologneser Kreide, Elektrikergips, Federspat, Leichtspat oder Marienglas, Plaster of Paris in den Handel.


Als Baustoff




Ein aus Hochbrandgips gegossener Mauerstein, hergestellt um 1870


Da der abgebundene Gips eine gewisse Wasserlöslichkeit besitzt, werden Gipsbaustoffe überwiegend nur für den Innenausbau verwendet. Im geschützten Außenbereich müssen Gipsbaustoffe imprägniert werden. Früher wurde Gips auch für Stuckarbeiten an Fassaden eingesetzt und mit Leinöl imprägniert. Weil Gips hygroskopisch (wasseranziehend) ist und daher bei schlechtem Einbau, schlechter Pflege oder Lüftung zu Verfärbungen und Verpilzungen neigt, ist er im Nasszellen- und im Kellerbereich nur eingeschränkt zu verwenden. Bei Renovierungsarbeiten wird Stuckgips verwendet, um kleine Risse und Löcher in den Wänden zu schließen. Im Neubau werden Gipsputze oder auch Gipskartonplatten verwendet, um auf rauem und unebenem Mauerwerk eine streich- und tapezierfertige Oberfläche herzustellen. Daneben beruhen auch manche Estriche auf einer Basis aus Gips. Statisch nicht belastete Trennwände werden heute oft aus Gipskartonplatten mit Metallunterkonstruktion oder aus Gipswandbauplatten hergestellt. Daneben wird Gips zum Befestigen von Unterputzelementen für Elektroinstallationen in Rohbauwänden verwendet. Die Geschwindigkeit des Abbindens wird bei alkalischen Formulierungen – zum Beispiel Gipsputz – durch Zugabe von Wein- oder Zitronensäure reguliert. Neutrale Formulierungen können mit Eiweißverbindungen verzögert werden. Die Beschleunigung des Abbindevorgangs wird durch Zugabe von Kaliumsulfat oder fein aufgemahlenem Gips erreicht.


Im baulichen Brandschutz verwendet man bevorzugt Gips, da er bei relativ geringem Gewicht einen großen Feuerwiderstand bietet; den Schutz bewirkt das Kristallwasser des Dihydrats, das im Brandfall verdampft und auf der dem Brand zugewandten Seite einen schützenden Dampfschleier bildet.


Der Baustoff wurde auch namensgebend für den Beruf des Gipsers (heute Stuckateur).


Als Modell- und Formengips


Bei der Anwendung als Modell- oder Formengips, etwa bei Bozzetti, werden erhöhte Anforderungen an die Reinheit der Gipsrohstoffe und an die Aufbereitung gestellt. Durch eine feinere Aufmahlung und geringere Anteile an Fremdmineralien wird eine gleichmäßigere Oberflächenstruktur erzielt. Durch die Verwendung von α-Halbhydrat (entsteht unter Wasserdampfdruck und hat eine höhere Dichte) können höhere Festigkeiten der Formteile erreicht werden. In diesem Zusammenhang wird auch von Hartgips gesprochen.


Weitere Anwendungsgebiete


Zur Herstellung von Tofu wird das Protein aus gemahlenen Sojabohnen mit Calciumsulfat zur Gerinnung gebracht. Des Weiteren wird Calciumsulfat auch als Lebensmittelzusatzstoff (E 516) eingesetzt. Es gehörte zum ursprünglichen Kanon der in der Alternativmedizin verwendeten zwölf Schüßler-Salze.


In einigen Gegenden Deutschlands wie unter anderem im Südharz entsteht ein Gips-Verwitterungsprodukt, welches aufgrund seiner Ähnlichkeit zum Speisemehl im Volksmund auch als „Himmelsmehl“ oder „Gipsasche“ bezeichnet wird. In Zeiten von Hungersnöten wurde dieses Gipsmehl entweder als Mehlersatz oder zum Strecken von echtem Mehl zur Zubereitung von Speisen verwendet. Durch die Hitze beispielsweise beim Backen entsteht jedoch gebrannter Gips, der im Magen-Darm-System abbinden und zu tödlichen Darmverschlüssen führen kann.[16]



Übertragene Bedeutung


Da Gips weltweit reichhaltig vorkommt, hat es in der Geschichte der Menschheit noch nie eine kriegerische Auseinandersetzung um diesen Rohstoff gegeben. Auf der machtpolitischen Bedeutungslosigkeit des Gipses fußt das Sprichwort „Erzähl mir nichts vom Gipskrieg“, um jemandem ironisch gefärbt klarzumachen, dass er keine Geschichten zu nichtexistenten Begebenheiten erzählen soll.[17]


Siehe auch



  • Liste der Minerale

  • Hochbrandgips

  • Baugips


Literatur



  • Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7., vollständige überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer, Berlin [u. a.] 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 71–72. 

  • Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Nebel Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 147. 

  • Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. 6. vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2014, ISBN 978-3-921656-80-8. 


  • Grundlagen. In: Fritz Scheidegger (Hrsg.): Aus der Geschichte der Bautechnik. Band 1. Birkhäuser, Basel 1990, ISBN 3-7643-2385-X. 

  • Franz Wirsching: Gips – Naturrohstoff und Reststoff technischer Prozesse. In: Chemie in unserer Zeit. Band 19, Nr. 4, 1985, ISSN 0009-2851, S. 137–143. 

  • Markus Arendt: Kreislaufwirtschaft im Baubereich: Steuerung zukünftiger Stoffströme am Beispiel von Gips. 2001 (Dissertation an der Universität Heidelberg). 


Weblinks



 Wiktionary: Gips – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


 Commons: Gips (Gypsum) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien



  • Mineralienatlas: Gips (Wiki)

  • Das Projekt Riesenkristalle

  • Informationen vom Bundesverband der Gipsindustrie

  • Walkenrieder Gipsausstellung


Einzelnachweise




  1. abcde
    Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 393. 




  2. Webmineral – Gypsum (englisch)




  3. Gypsum. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org [PDF; 67 kB; abgerufen am 28. September 2017]). 



  4. abcde
    Mindat – Gypsum (englisch)




  5. Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau im Regierungspräsidium Freiburg:
    Sulfate (Memento vom 9. April 2014 im Internet Archive)




  6. Eintrag zu Gips. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 28. September 2017.




  7. Eintrag zu Natriumchlorid. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 28. September 2017.




  8. EPI – Institut für Edelsteinprüfung. Namensuche, Handelsnamen und was sie bedeuten (Eingabe von Atlasspat nötig)




  9. Mindat – Anzahl der Fundorte für Gips (englisch)



  10. abc
    Fundortliste für Gips beim Mineralienatlas und bei Mindat




  11. Die Entstehung des Naturraumes. Zechstein-Zeit, Harz-Hebung und Eiszeitalter, Nacheiszeit bei Gesellschaft zur Förderung des Biosphärenreservates Südharz (GFB) e.V. (Memento vom 28. Februar 2009 im Internet Archive)




  12. Jet Propulsion Laboratory-News: NASA Mars Rover Finds Mineral Vein Deposited by Water vom 7. Dezember 2011




  13. Franz Wirsching: Gips – Naturrohstoff und Reststoff technischer Prozesse. In: Chemie in unserer Zeit. Band 19, Nr. 4, August 1985, S. 137–143, doi:10.1002/ciuz.19850190405. 




  14. BGR: Rohstoffe in Deutschland. BGR, 2014, abgerufen am 15. November 2017. 




  15. Siegfried Ernst, Hans H. Caesar: Die Nichtmetalle. Verlag Neuer Merkur GmbH, 2007, ISBN 978-3-937346-31-1, S. 58 (google.com). 




  16. Christian Reinboth: Digitale Gipsausstellung in der Ortsgeschichtlichen Sammlung Walkenried - Himmelsmehl. 16. Juli 2011, abgerufen am 28. September 2017. 




  17. Thomas Hofmeier: Achtung Gipser. 100 Jahre Grassi & Co. AG in Basel. 2. Auflage. Books on Demand, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-5095-0, S. 16 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). 





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