Spezialeinsatzkommando






SEK-Beamter auf einem Dach


Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) ist eine Spezialeinheit der Polizei in Deutschland. Die Polizei jedes Bundeslandes verfügt über mindestens ein SEK. Entsprechungen auf Ebene des Bundes sind die 1972 gegründete GSG 9 der Bundespolizei sowie die 1997 ins Leben gerufene Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ) der Zollverwaltung. Hervorgegangen sind die SEKs aus den Präzisionsschützenkommandos. Das SEK Baden-Württemberg gehört als einziges SEK dem Atlas-Verbund europäischer Polizei-Spezialeinheiten an. Während früher auch im amtlichen Sprachgebrauch Sondereinsatzkommando verwendet wurde, wird es heute nur noch umgangssprachlich verwendet, da der Begriff wegen des Sondereinsatzkommandos Eichmann der SS belastet ist.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Aufgaben


  • 2 Organisation


  • 3 Rekrutierung und Ausbildung


  • 4 Kontroversen bei einzelnen Einheiten


  • 5 Ausrüstung


  • 6 Einsatzzahlen


  • 7 Geschichte und Einsätze


  • 8 Literatur


  • 9 Weblinks


  • 10 Einzelnachweise





Aufgaben |




SEK-Beamte beim Abseilen an einer Häuserwand (Bild zeigt eine Übung)


SEK-Beamte sind für Terrorismusbekämpfung, Geiselbefreiung und Zugriffe ausgebildet. Sie kommen bei besonderen Gefährdungslagen sowohl präventiv (zum Beispiel zum Schutz bei Staatsbesuchen), als auch operativ (auf Anforderung regulärer Polizei) zum Einsatz und sind ungefähr mit den SWAT-Teams der US-amerikanischen Polizei vergleichbar.


Öffentlichkeitswirksame SEK-Einsätze finden häufig im Rahmen von Geiselnahmen oder bei brisanten Entführungsfällen statt. Derartige Einsätze machen jedoch nur einen geringen Teil des SEK-Alltags aus. Die meisten Einsätze finden in den Medien und der Tagespresse kaum Erwähnung. Dies sind zum Beispiel die Vollstreckung von Haftbefehlen, die Verhinderung von Suizidversuchen oder die Begleitung von Gefangenentransporten. Es werden auch Razzien im Bereich der organisierten Kriminalität durchgeführt. Zum Aufgabengebiet gehören weiterhin Personen- und Zeugenschutz-Maßnahmen.



Organisation |


Das SEK kann organisatorisch der Bereitschaftspolizei, dem Innenministerium oder auch einer großen überörtlichen Polizeidienststelle (Präsidien usw.) angegliedert sein. In den meisten Ländern jedoch verstärkt sich die Tendenz, die SEKs den Landeskriminalämtern (LKA) anzugliedern, möglichst gemeinsam mit den Mobilen Einsatzkommandos (MEK). Die innere Organisation der SEKs ist von Land zu Land unterschiedlich, sie umfassen dabei zwischen 40 und 70 Beamte, die sich auf verschiedene Einsatzgruppen verteilen.[1][2]


Manche Länder orientieren sich dabei an regionalen Kriminalitätsschwerpunkten. So haben beispielsweise Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz SEKs in mehreren größeren Städten eingerichtet, während in Bayern und Hessen zwei Einheiten existieren, die jeweils für die Nord- und die Südhälfte des Landes zuständig sind. Flächenländer mit vergleichsweise geringer Gewaltkriminalität wie Brandenburg haben hingegen ein zentrales SEK eingerichtet, häufig in der Landeshauptstadt.


In allen Bundesländern zählen auch die Mobilen Einsatzkommandos (MEK) und die Verhandlungsgruppen zu den Spezialeinheiten. Eine Verhandlungsgruppe besteht aus speziell geschulten Polizeibeamten, die in besonderen Lagen als Sprachführer der Polizei gegenüber der Zielperson auftreten. Die MEKs arbeiten sehr eng mit dem SEK zusammen und sind spezialisiert auf Observationen sowie Einsätze zwischen wechselnden Orten (z. B. Omnibusentführungen), sog. mobile Lagen.



Rekrutierung und Ausbildung |




Übungsfahrzeug von Sondereinheiten zum Rammen/Anhalten von KFZ


Die Mitglieder eines SEK sind speziell ausgebildete und intensiv trainierte Polizeibeamte. Beim SEK finden nur Polizeibeamte Verwendung, die bereits im regulären Polizeidienst tätig waren (in der Regel mindestens zwei Jahre) und die sich einem schwierigen Auswahlverfahren stellen mussten, um in die Spezialeinheit aufgenommen zu werden. Gängig ist eine Altersbegrenzung zwischen 23 und 34 Jahren für die Bewerber. Rein formal ist Frauen der Zugang zu den SEKs nicht verwehrt, wenngleich Frauen in diesem Bereich deutlich unterrepräsentiert sind. Durch die organisatorische Zusammengehörigkeit von SEK und MEK im Land Hamburg gibt es hier einen höheren Frauenanteil.


Das Anforderungsprofil setzt nicht nur auf eine überdurchschnittliche körperliche Kondition, sondern auch auf Charakterstärke, hohe Sozialkompetenz, Urteilsvermögen und Stressresistenz.


Der Aufnahmetest gliedert sich in physische und psychische Tests. Verbreitet ist auch ein Stressbelastungsgespräch, bei dem der Bewerber einem Gremium, bestehend aus einem Psychologen, einem erfahrenen Mitglied der Einheit, sowie vielerorts dem Kommandeur und seinem Stellvertreter, gegenübersitzt.
Nach dem bestandenen Test erfolgt eine mehrmonatige Spezialausbildung, in der vor allem körperliche und psychische Belastbarkeit, aber auch das Eindringen in Gebäude, Fahr- und Klettertraining, Kampfsport (Ju-Jutsu) sowie umfassende Schießfertigkeiten trainiert werden. Hierbei werden die SEK-Anwärter gezielt an die Grenzen ihrer körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit gebracht.


Mitglieder eines SEK bekommen einen Gefahrenzuschlag von etwa 150 € pro Monat zu ihren Bezügen, wenngleich für sie andere Zulagen wegfallen können.


Je nach Land müssen die Beamten die Zugriffskräfte eines SEK beim Erreichen einer Altersgrenze, die bei etwa 45 Jahren liegt, wieder verlassen.



Kontroversen bei einzelnen Einheiten |


Bei der Kölner SEK-Einheit soll es immer wieder große Disziplinlosigkeiten gegeben haben. Pressemeldungen zufolge wurden Hubschrauber für Privatausflüge verwendet und Rekruten gequält. Ein Beamter sagte gegenüber der Presse, er sei tagelang gefesselt gewesen und ihm sei gewaltsam Bier eingeflößt worden. Der Professor für Polizeiwissenschaften Rafael Behr bestätigte, dass Polizei-Spezialeinheiten teils archaische und teils brutale Aufnahmerituale durchführen. Die Einheiten führten auch ein gewisses Eigenleben. Wer die Praktiken nicht mittrage und sich an die Öffentlichkeit wende, riskiere, so Behr, von der Spezialeinheit ausgeschlossen zu werden.[3][4]


Im Sommer 2015 hat der damalige Polizeipräsident Wolfgang Albers in Abstimmung mit NRW-Innenminister Ralf Jäger angeordnet, das „Spezialeinsatzkommando 3“ der Kölner Spezialeinheiten nach Mobbingvorwürfen vollständig aufzulösen, nachdem öffentlich bekannt wurde, dass dessen Mitglieder junge Kollegen gequält haben sollen.[5][6] Die Vorwürfe hatten aber keine strafrechtlich relevante Bedeutung, die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen die SEK-Beamten ein. Auch disziplinarrechtlich erwiesen sich die Vorwürfe als haltlos. Der Schaden für Albers war enorm, weil er sich so bei weiten Teilen der Kölner Beamten als Dienstherr diskreditiert hatte.[7]



Ausrüstung |




SEK-Angehörige in einem RIB-Schlauchboot (Bild zeigt eine Übung)


SEKs haben gegenüber der Streifenpolizei eine erweiterte Ausrüstung, die zum Beispiel aus einer 15 kg schweren beschusshemmenden Weste mit Stichschutz, einer Sturmhaube und einem ballistischen Helm besteht. Zur Taschenausrüstung gehören teilweise eine Atemschutzmaske, ein Funkgerät, eine Uhr und ein Mehrzweckmesser. Verbreitet sind Pistolen der Hersteller Glock, Sig-Sauer und Walther (zum Beispiel Walther P99). Daneben werden häufig Maschinenpistolen, wie die HK MP5 und die HK MP7 genutzt. Auch Sturm- und Scharfschützengewehre, wie das Steyr AUG beim SEK Südbayern,[8] werden vorgehalten. Repetierflinten dienen mit Sondermunition zum Öffnen von Türen, aber auch mit Flintenlaufgeschossen gegen einen bewaffneten Straftäter mit Schutzweste. Außerdem auch Schutzschilde.



Einsatzzahlen |


In puncto Einsatzhäufigkeit gibt es zwischen den Bundesländern durchaus Unterschiede; so sind die SEKs in Berlin, Frankfurt sowie im Ruhrgebiet am meisten mit Einsätzen belastet. Die SEKs Berlin und Frankfurt bringen es seit Jahren auf Spitzenwerte von ca. 500 Einsätzen pro Jahr, die SEKs in NRW auf etwa 900 Einsätze.


Insgesamt haben die einzelnen SEKs seit ihrer Aufstellung in den frühen 1970er Jahren mehrere tausend Einsätze bewältigt. Nur bei einem verschwindend geringen Anteil dieser Einsätze wurde von der Schusswaffe Gebrauch gemacht. In keinem Bundesland übersteigt die Zahl des Schusswaffengebrauchs gegen Menschen (den Finalen Rettungsschuss mit eingeschlossen) die Grenze von zehn Fällen.



Geschichte und Einsätze |


SEKs sind, wie auch die GSG 9 der Bundespolizei, nach dem terroristischen Anschlag während der Olympischen Spiele 1972 in München gegründet worden. In der Folge dieser Ereignisse beschloss die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren 1974 das „Konzept für die Aufstellung und den Einsatz von Spezialeinheiten der Länder und des Bundes für die Bekämpfung von Terroristen“. Dieser Beschluss kann als die Geburtsstunde der Spezialeinheiten in Deutschland angesehen werden.


In früheren Jahren wurden SEKs auch bei besonders gewalttätig verlaufenden Demonstrationen eingesetzt, allerdings haben sich seit den Auseinandersetzungen an der Baustelle der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf in den späten 1980er Jahren in diesem Bereich die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten, in Bayern auch Unterstützungskommando (USK) genannt, etabliert.


1990 war das Berliner SEK im Rahmen der Räumung der Mainzer Straße im Einsatz. Die Tatverdächtigen im Polizistenmord von Holzminden 1991 nahm ein SEK fest. Bei den Amokläufen in Erfurt 2002 und Emsdetten 2006 waren ebenfalls SEKs im Einsatz.


Zu den bekanntesten Befreiungseinsätzen des SEKs gehören das Gladbecker Geiseldrama im August 1988 oder die Kaperung eines Touristikbusses in Köln 1995.


Am 23. April 2003 wurde der Berliner SEK-Mann Roland K. bei einer Hausdurchsuchung erschossen. Ein weiterer SEK-Mann wurde angeschossen.[9]


Der als Ausbrecherkönig bekannt gewordene Christian Bogner wurde am 30. Oktober 2004 gegen 9.40 Uhr durch Beamte des MEKs aus Kiel sowie des SEKs aus Eutin auf offener Straße in Lübeck festgenommen.


Im Rahmen von Ermittlungen wegen Auseinandersetzungen im Rotlichtmilieu wurde bei einer Hausdurchsuchung am 17. März 2010 ein rheinland-pfälzischer SEK-Beamter von einem Mitglied der Hells Angels durch eine geschlossene Wohnungstür angeschossen. Der Beamte erlag kurze Zeit später seinen Verletzungen.[10] Da sich das SEK erst nach den Schüssen als Polizei zu erkennen gegeben und der Täter einen Mordanschlag der rivalisierenden Bandidos befürchtet hatte, wurde seine Verurteilung wegen Totschlags vom Bundesgerichtshof aufgrund irrtümlicher Notwehr (sog. Putativnotwehr) aufgehoben.[11][12]


Im Frühjahr 2012 waren SEKs insbesondere bei zahlreichen Einsätzen gegen Motorradclubs wie den Hells Angels und Bandidos im Einsatz.


Am 1. Dezember 2015 verbarrikadierte sich ein Mann (48) in seiner Wohnung in Erfurt, welche zwangsgeräumt werden sollte. Er drohte mit Suizid. Als das SEK in seine Wohnung eingedrungen war, ging er mit einem Handbeil auf die Beamten los und verletzte einen Beamten schwer. Das SEK eröffnete daraufhin das Feuer. Der Mann wurde schwer verletzt und erlag später im Krankenhaus seinen Verletzungen.[13]


Am 19. Oktober 2016 kam es bei einem Polizeieinsatz in Georgensgmünd und dem Versuch eines Spezialeinsatzkommandos der bayerischen Polizei, nach Entzug der Waffenbesitzkarte bei einem „Reichsbürger“ die im Haus gelagerten 31 Waffen zu beschlagnahmen, zu einem Schusswechsel, bei dem drei Polizisten verletzt wurden, einer davon tödlich.[14]



Literatur |



  • Reinhard Scholzen: SEK, Spezialeinsatzkommandos der deutschen Polizei. 5. Auflage. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-613-02016-0.


Weblinks |



 Commons: Spezialeinsatzkommando – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

  • SEK-Einsatz – Die Spezialeinheiten der deutschen Polizei


Einzelnachweise |




  1. Kleine Anfrage des Abgeordneten Andre Schollbach, Fraktion DIE LINKE – Thema: Spezialeinsatzkommando (SEK) des Landeskriminalamtes Sachsen, Januar 2016, abgerufen im Januar 2017. (PDF; 78 KB)


  2. Alexander Fröhlich: Polizeireform in Brandenburg: Bedingt einsatzbereit Potsdamer Neueste Nachrichten von 7. Juli 2015, abgerufen am 9. Januar 2017.


  3. „Immer wieder Ärger“: Nach Foltervorwürfen: Kölner SEK-Kommando ist bekannt für schlechte Disziplin. Ein junger SEK-Beamter wirft seiner Einheit vor, ihn bei einem privaten Ausflug gequält zu haben. Es ist nicht der erste Zwischenfall dieser Art. Offenbar war das Kommando bekannt für derbe Späße und mangelnde Moral. In: FOCUS Online. 26. Juni 2015, abgerufen am 26. Juni 2015. 


  4. Nach Folterskandal in Köln: Polizeiforscher: Darum sind demütigende Aufnahmerituale beim SEK lebensnotwendig. Sie fesselten ihr Opfer tagelang und misshandelten es: SEK-Polizisten in Köln sollen einen Kollegen zu einem grausamen Aufnahmeritual gezwungen haben. Kein Einzelfall, sagt Polizeiforscher Rafael Behr. Er ist überzeugt, dass es solche demütigenden Rituale beim SEK auch weiterhin geben wird. Denn auch wenn sie grausam seien, hätten solche Härtetests durchaus ihren Zweck. In: FOCUS Online. 25. Juni 2015, abgerufen am 26. Juni 2015. 


  5. focus.de


  6. Analyse zum SEK-Skandal in Köln: Die Parallelwelt der Einsatzkommandos


  7. Reiner Burger: Nach den Übergriffen Deshalb muss Kölns Polizeipräsident zurücktreten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 8. Januar 2016, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 10. Januar 2016]). 



  8. Reinhard Scholzen: SEK, Spezialeinsatzkommandos der deutschen Polizei. 5. Auflage. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-613-02016-0, S. 59. 



  9. Wurde der SEK-Mann gezielt erschossen


  10. Hells Angel erschießt SEK-Beamten, Spiegel Online, 17. März 2010.


  11. BGH hebt Schuldspruch gegen Hells Angel auf, Spiegel Online vom 3. November 2011.


  12. BGH 2 Str 375/11, Urteil vom 2. November 2011 auf HRRS.


  13. Mann bei SEK-Einsatz in Erfurt erschossen. In: m.thueringer-allgemeine.de. Abgerufen am 2. Dezember 2015. 


  14. Einsatz in Georgensgmünd. Polizist stirbt nach Schüssen, in: Deutschlandfunk vom 20. Oktober 2016.









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