Justizpalast (Nürnberg)






Der Justizpalast 2012




Luftaufnahme von 2009


Der Justizpalast ist ein Gebäude in Nürnberg in der Fürther Straße 110 im Stadtteil Bärenschanze. Er ist Sitz des Oberlandesgerichts Nürnberg, des Landgerichts Nürnberg-Fürth, des Amtsgerichts Nürnberg und der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Der Nürnberger Justizpalast ist das größte Justizgebäude Bayerns.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Geschichte


    • 1.1 Bau


    • 1.2 Erster Weltkrieg


    • 1.3 Zweiter Weltkrieg


    • 1.4 Nachkriegszeit




  • 2 Schwurgerichtssaal 600


  • 3 Einzelnachweise


  • 4 Literatur


  • 5 Weblinks





Geschichte |



Bau |


Das Gebäude wurde zwischen 1909 und 1916 nach Plänen des Architekten und ranghohen bayerischen Baubeamten Hugo von Höfl im Stil der Neo-Renaissance fränkischer Prägung errichtet. Die Baukosten beliefen sich auf 7.137.923 Mark. Der Bau setzt sich aus drei Gebäudeteilen mit einem Hauptbau mit drei Innen- bzw. Lichthöfen sowie einem West- und Ostbau zusammen, die über Verbindungsbrücken in der ersten Etage erreichbar sind. Die sich entlang der Fürther Straße erstreckende Hauptfassade ist durch Wappenkartuschen und figurale Bauplastik verziert. Auf einem Fries zwischen den Fenstern im dritten Stockwerk stehen in rundbogigen Nischen 13 Steinskulpturen, die „hervorragende Männer auf dem Gebiete der Rechtswissenschaft und der Rechtspflege“ darstellen. Sie wurden von verschiedenen Münchener und Nürnberger Bildhauern aus französischem Kalkstein gefertigt und sind etwa 2,40 Meter groß. Sie zeigen von links nach rechts Rudolf Sigmund von Holzschuher, Johann Adam von Seuffert, Carl Gottlieb Svarez, Hugo Donellus, Valentin Kötzler, Eike von Repgow, Justinian I., Gratian, Johann Freiherr zu Schwarzenberg, Christoph Scheurl, Wiguläus von Kreittmayr, Nikolaus Thaddäus von Gönner, Paul Johann Anselm von Feuerbach und Süleyman I.[1] Über einen Arkadengang, dessen Rundsäulen mit verzierten Kapitellen versehen sind, erfolgt der zentrale Zugang. Am Hauptbau befand sich ein 57 Meter hoher Uhrenturm mit einer goldenen Justitia an der Spitze, der im Februar 1945 zerstört wurde.


Der Justizpalast, der im Vergleich zu früher erbauten Justizeinrichtungen weniger prunkvoll ausgestaltet wurde, bestach jedoch mit seiner monumentalen Größe (Nutzungsfläche von rund 65.000 m²) und modernen Ausstattung. Neben Zwischendecken aus Eisenbeton befanden sich zahlreiche Personenaufzüge sowie sechs ausschließlich für Gefangenentransporte vorgesehene Spezialaufzüge. Das Gebäude sollte die bereits nach wenigen Jahrzehnten an ihre Kapazitätsgrenzen gekommenen Justizbauten in der Augustinerstraße und Weintraubengasse ersetzen und bot genug Platz für alle Nürnberger Gerichte und Staatsanwaltschaften. Fürth war bis 1932 noch eigenständiger Landgerichtssitz.



Erster Weltkrieg |


Kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs wurde ab September 1914 ein Militärlazarett im bereits vollendeten Westbau eingerichtet. König Ludwig III. von Bayern weihte das Gebäude am 11. September 1916 im repräsentativen Königssaal im dritten Obergeschoss ein. Neben Wandvertäfelungen und einer großen Glaskuppel schmückten Porträts von Wittelsbacher Herrschern den Raum: Maximilian I., Ludwig I., Maximilian II., Ludwig II., Otto I., Prinzregent Luitpold, Ludwig III. Bis auf die Glaskuppel, die durch Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, ist dieser Zustand heute wiederhergestellt.
Neben den eigentlichen Justizbehörden beherbergte das Gebäude auch über Kriegsende hinaus unter anderem eine Zweigstelle des Bayerischen Kriegswucheramtes, der Armeebauleitung und der Demobilmachung. Das Lazarett wurde am 1. Oktober 1919 in ein Privatlazarett umgewandelt, dessen Auflösung sich bis 1922 zog. Danach war der Komplex erstmal ausschließlich von Justizbehörden belegt.



Zweiter Weltkrieg |


Während des Zweiten Weltkriegs beziehen Wehrmachtsabteilungen und kommunale und staatliche Einrichtungen das Gebäude. Insgesamt 16 außergerichtliche Dienststellen, darunter die Kommandantur einer Luftwaffeneinheit, der Kreiswehrbeauftragte des Reichsministers für Bewaffnung und Munition, der Kommandeur des Rüstungskommandos Nürnberg, der Kommandeur des Wehrbezirkskommandos Nürnberg, das Gewerbeaufsichtsamt Nürnberg-Fürth, die Reichsbankhauptstelle Nürnberg-Fürth, Abteilungen des Polizeipräsidiums Nürnberg-Fürth, der Kriminalpolizei, der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und der Reichspostdirektion sowie der Landrat, die Victoria-Werke waren im Laufe der Zeit untergebracht. Obwohl das Gebäude den Luftkrieg relativ unbeschadet überstand, verursachte ein Luftangriff am 27. November 1944 massive Glasschäden. Bei einem weiteren Luftangriff am 21. Februar 1945 gab es drei Tote und sieben Verletzte, nachdem fünf Bombenvolltreffer den Hauptbau getroffen hatten.



Nachkriegszeit |


Nach Ende des Zweiten Weltkriegs bezog im Juli 1945 die US-Armee den Justizpalast. Die verbliebenen Einrichtungen mussten das Gebäude binnen weniger Tage räumen. Im Schwurgerichtssaal (Sitzungssaal 600) im Ostbau fanden vom 20. November 1945 bis 1. Oktober 1946 die ersten Nürnberger Prozesse gegen 24 Angeklagte statt. Der Justizpalast schließt unmittelbar an die Justizvollzugsanstalt Nürnberg an. Auf ihrem Gelände befinden sich die noch erhaltenen Teile des historischen Nürnberger Zellengefängnisses, in dem während der Nürnberger Prozesse die Angeklagten und zahlreiche hochrangige Zeugen inhaftiert waren. Das Gerichtsgebäude und das Untersuchungsgefängnis östlich des Zellengefängnisses sind durch einen unterirdischen Gang miteinander verbunden. Zwischen dem Zellengefängnis und dem Justizpalast errichtete die US-Armee im Sommer 1945 einen oberirdischen Verbindungsgang aus Holz, der jedoch nicht mehr erhalten ist. Die insgesamt 12 Folgeprozesse gegen hochrangige Vertreter des NS-Regimes dauerten bis 1949.


Von 1960 bis 1969 erfolgte die stufenweise Räumung des Gebäudes durch die US-amerikanischen Streitkräfte. Parallel wurde das Gebäude von 1961 bis 1977 für 19 Mio. DM für die erneute Nutzung durch die Justiz umfassend instandgesetzt. Im Laufe der Zeit wurden einige Abteilungen ausgelagert. So befindet sich die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg in unmittelbarer Nähe in der Bärenschanzstraße und ein Ausbildungszentrum in der Muggenhofer Straße. Der Justizpalast beherbergt heute das Oberlandesgericht Nürnberg, das Landgericht Nürnberg-Fürth, das Amtsgericht Nürnberg und die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Einige Abteilungen des Amtsgerichts befinden sich in einem eigenständigen Bau in der Flaschenhofstraße.
An der Westseite des Gebäudes entsteht seit 2015 ein neues Strafjustizzentrum nach Plänen des Leipziger Büros ZILA, das spätestens zum Herbst 2019 (Stand: Herbst 2018) durch die Strafjustiz bezogen werden soll. Ursprünglich war die Fertigstellung für Ende 2017 geplant. Sieben neue Sitzungssäle und ein neuer großer Schwurgerichtssaal sollen im Neubau entstehen. Dies ermöglicht die dauerhafte Nutzung des Ostbaus als Museum einschließlich Besichtigung des Sitzungssaals 600, die bisher an Verhandlungstagen nicht möglich ist.



Schwurgerichtssaal 600 |




Blick in den Verhandlungssaal am 30. September 1946, links die Angeklagten. 1. Reihe v. l. Hermann Göring, Rudolf Heß, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm Keitel, Ernst Kaltenbrunner, Alfred Rosenberg, Hans Frank, Wilhelm Frick, Julius Streicher, Walther Funk, Hjalmar Schacht. 2. Reihe: Erich Raeder, Baldur von Schirach, Fritz Sauckel




Der Schwurgerichtssaal 600 im Jahr 2012


Der Saal 600 ist heute der größte Gerichtssaal Nordbayerns. Es finden im Saal Schwurgerichtsprozesse und große Wirtschaftsprozesse statt.
Bekannt wurde insbesondere der Schwurgerichtssaal 600 des Justizpalastes, in dem nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 bis 1949 der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher und die Nachfolgeprozesse stattfanden. Zu diesem Zweck hatte man die Rückwand des Saales entfernt, eine Zuschauertribüne eingerichtet, zusätzliche Türen eingebaut und den Saal mit zahlreichen Neonröhren ausgestattet, um Filmaufnahmen anfertigen zu können.


Im Jahr 1961 Jahren wurde der ursprüngliche Zustand des Neorenaissance-Saales aus dem Jahr 1916 weitgehend wiederhergestellt. Dabei wurde die Zuschauertribüne sowie die Neonbeleuchtung entfernt und die ursprüngliche Saalrückwand wieder eingezogen. Der weitgehend holzgetäfelte Saal mit profilierter Kassettendecke ist im Stil der späten Neorenaissance gehalten, die die Formen der Renaissance in zunehmend abstrahierend Art verwendete. Anstelle der im Jahr 1945 installierten Röhrenbeleuchtung sind aktuell unauffällig eingebaute Deckenfluter sowie Kristallüster montiert. Die Bestuhlung des Saales ist modern. Die beiden marmornen Richtertüren zeigen in den bronzenen Supraporten Symbole der Gerechtigkeit (Waage, Gesetzestafeln der Zehn Gebote) und der Zeit (Stundenglas mit Flügeln und Stern). Das ebenfalls marmorne Hauptportal des Saales thematisiert in der bronzenen Supraporten-Kartusche den Sündenfall Adams und Evas am Baum der Erkenntnis von Gut und Böse als mythologisch ersten Gebotsverstoß des Menschen und dessen Ahndung durch Gott im biblischen Buch Genesis. Die von Früchten bekrönte Kartusche wird von nackten Jünglingen mit Tüchern flankiert, die das Germanische Recht (links, Schwert) und das Römische Recht (rechts, Fascis) personifizieren. Unterhalb der Kartusche ist das abgeschlagene und geflügelte Gorgoneion der Medusa mit schlangendurchzüngelten Haaren und schmerzverzerrtem Antlitz angebracht. Das Medusenhaupt ist hier als Symbol der Bestrafung in der antiken griechischen Mythologie zu deuten.[2] Über dem Richterstuhl hängt unterhalb der Saaldecke ein modernes bronzenes Kruzifix. Statt der üblichen Dornenkrone ist Jesus am Kreuz mit Königskrone dargestellt.


Nachdem im Jahr 2017 der historische Justizpalast um ein modernes Sitzungsaalgebäude ergänzt wurde, wurde das alte Justizgebäude dem Bayerischen Finanzministerium unter der Leitung von Markus Söder unterstellt. Dieser plante den Schwurgerichtssaal 600 in das Memorium Nürnberger Prozesse fest zu integrieren und den Saal so herzurichten, wie er zur Zeit der Nürnberger Prozesse ab 1945 aussah.[3]


Der Schwurgerichtssaal, Ort der Hauptverhandlung, kann seit dem 22. November 2010 an verhandlungsfreien Tagen im Rahmen eines Besuches der Dauerausstellung Memorium Nürnberger Prozesse besichtigt werden. Während laufender Gerichtsverhandlung kann der Gerichtssaal nur durch vier Fenster vom Museum aus eingesehen werden. Das Fotografieren des Saales ist dabei nicht erlaubt.



Einzelnachweise |




  1. Andreas Quentin: Zur Einführung. In: Oberlandesgericht Nürnberg (Hrsg.): In Stein gehauene Rechtsgeschichte aus zwei Jahrtausenden. Nürnberg 2008.


  2. https://museenblog-nuernberg.de/2016/03/03/sah-der-saal-600-damals-eigentlich-genauso-aus-wie-heute/, abgerufen am 23. Juli 2018.


  3. Von Olaf Przybilla: Saal der Nürnberger Prozesse - Söders neue Baustelle „Wie viel Disney brauchen wir?“ Süddeutsche Zeitung, 20. Dezember 2014, abgerufen am 29. Dezember 2014. 



Literatur |



  • Klemens Klemmer, Rudolf Wassermann, Thomas Michael Wessel: Deutsche Gerichtsgebäude. C. H. Beck, München 1993, ISBN 3-406-37674-6, S. 57–59.

  • Franz Sonnenberger: Justizpalast. In: Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2., verbesserte Auflage. W. Tümmels Verlag, Nürnberg 2000, ISBN 3-921590-69-8, S. 507 (Gesamtausgabe online). 

  • Eckart Dietzfelbinger: Nürnberg. Reichsparteitagsgelände und Justizpalast . Ch. Links Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86153-772-4.



Weblinks |



 Commons: Justizpalast (Nürnberg) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


  • Geschichte des Justizpalastes


  • Memorium Nürnberger Prozesse, Museen der Stadt Nürnberg

  • Luftbild des Nürnberger Justizpalasts


49.45472222222211.046388888889Koordinaten: 49° 27′ 17″ N, 11° 2′ 47″ O


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