Lehrstuhl




Als Lehrstuhl oder Lehrkanzel wird die planmäßige Stelle eines Hochschullehrers mit der Bezeichnung ordentlicher Professor an einer Universität (nach Duden auch: an einer sonstigen Hochschule) bezeichnet. Solche Professorenstellen sind mit personellen und finanziellen Mitteln zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben in Forschung und Lehre ausgestattet. Der Begriff Lehrstuhl wird oft auch als Synonym für die Gesamtheit aller Mitarbeiter des entsprechenden Professors benutzt. In einigen Fächern spricht man stattdessen von Arbeitsgruppe oder kurz AG, in Österreich auch von Forschungsgruppe.


Lehrstuhlinhaber und -inhaberinnen werden auch als ordentlicher Professor, Ordinarius bzw. Ordinaria bezeichnet.
In der Bundesrepublik Deutschland werden sie heute in der Regel nach der Besoldungsgruppe W3 (früher C4) besoldet.


Die Aufforderung an eine Lehrkraft, einen Lehrstuhl oder eine Professur zu übernehmen, wird als Berufung (umgangssprachlich Ruf) bezeichnet. Hochschulprofessur und Lehrstuhl sind nicht unbedingt miteinander verbunden – jeder Lehrstuhlinhaber ist Professor, aber umgekehrt gilt dies nicht.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Überblick


  • 2 Deutschland


  • 3 Österreich


  • 4 Berühmte Lehrstühle


  • 5 Lehrstuhl als Kunstwerk


  • 6 Literatur


  • 7 Weblinks


  • 8 Einzelnachweise





Überblick |




Professor im Lehrstuhl, bei der Vorlesung (aus dem Jahr 1500)


Der Begriff Lehrstuhl ist eine Lehnübersetzung von griechisch-lateinisch cathedra, was mit „Lesestuhl“ umschrieben werden kann und den erhöhten Stuhl des Lehrers an einer Universität, den Katheder, bezeichnete.


Der Professor an einer Universität mit einem Lehrstuhl (Lehrstuhlinhaber) wird auch als Ordinarius (professor ordinarius) oder ordentlicher Professor bezeichnet.[1] Nach einer Hochschulreform in den 1970er Jahren wurde der Titel Ordinarius in der Bundesrepublik Deutschland weitgehend abgeschafft, die Bezeichnung ist aber in Art. 12 Abs. 3 des bayerischen Hochschulpersonalgesetzes noch als Titel genannt und wird auch in anderen Bundesländern informell weiterhin gebraucht. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bezeichnete der Begriff Ordinarius auch einen Klassenlehrer an einer höheren Schule. An einigen Gymnasien in Österreich wird auch heute noch ein Klassenlehrer so bezeichnet.


Der Lehrstuhl bezieht sich auf ein bestimmtes Fachgebiet, also z. B. Lehrstuhl Festkörperphysik, das der Lehrstuhlinhaber bearbeitet. Der Lehrstuhl ist in der Regel einem Institut oder Seminar (im Sinne einer Bildungseinrichtung) angegliedert. Es gibt – gerade in kleineren Fächern – auch Institute, die nur aus einem einzigen Lehrstuhl bestehen, während es umgekehrt an manchen Hochschulen (z. B. der Universität Konstanz) zwar Lehrstühle, aber keine Institute gibt.


Die Fakultät oder der Fachbereich, der einen vakanten Lehrstuhl oder eine Professur zu besetzen hat, bedient sich in Deutschland üblicherweise eines aufwendigen Berufungsverfahrens, um einen Professor auszusuchen. Dabei erstellt eine Berufungskommission eine Liste von Berufungsvorschlägen, die von der zuständigen Behörde meist berücksichtigt werden.


Extraordinarien oder außerordentliche Professoren sind dagegen Professoren ohne Lehrstuhl. In Deutschland sind sie meistens den Besoldungsgruppen W 2 beziehungsweise C 3 zugeordnet und verfügen über weniger oder gar keine Mitarbeiterstellen und über geringere Haushaltsmittel. Sie müssen sich aber ebenfalls in einem Berufungsverfahren durchsetzen. Dies unterscheidet sie und die Lehrstuhlinhaber von außerplanmäßigen Professoren.



Deutschland |


Ende 2007 lehrten und forschten nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes 37.700 weibliche und männliche Professoren an bundesdeutschen Hochschulen. Während ihre Gesamtzahl seit Mitte der 1990er Jahre nahezu unverändert blieb, ist der Frauenanteil innerhalb der Professorenschaft seit 1995 stetig gestiegen. Der Anteil der Lehrstuhlinhaberinnen verdoppelte sich in diesem Zeitraum von 8 Prozent auf über 16 Prozent. Die Zahl der Professorinnen erreichte 2007 mit rund 6.100 einen neuen Höchststand.[2]



Österreich |


In Österreich wurde früher der Begriff Lehrkanzel angewandt, heute weder Lehrkanzel noch Lehrstuhl.


Der Ordinarius war bislang der ordentliche Universitätsprofessor. Seit dem Universitäts-Organisationsgesetz 1993 wird nicht mehr zwischen den ordentlichen Universitätsprofessoren und den außerordentlichen Universitätsprofessoren alten Typs unterschieden (ein Unterschied besteht jedoch zu den außerordentlichen Universitätsprofessoren neuen Typs, welche trotz dieser Bezeichnung nicht zu den Universitätsprofessoren zählen). Die bisherigen ordentlichen Universitätsprofessoren dürfen sich jedoch weiterhin so bezeichnen.



Berühmte Lehrstühle |


Eine akademische Tradition erlaubt die Benennung von Lehrstühlen nach ihren legendären Vorgängern, Vorbildern oder Stiftern, insbesondere im angelsächsischen Bereich. In Deutschland, wo inzwischen einige Lehrstühle nach dieser Regel benannt werden, besteht keine derartige Tradition. Stiftungsprofessuren genießen häufig besonderes Ansehen. Drei Beispiele:



  • Der Lucasische Lehrstuhl für Mathematik an der Universität Cambridge wurde nach seinem Stifter Henry Lucas benannt. Die Liste seiner Inhaber ist hochkarätig und reicht von Isaac Newton bis Stephen Hawking.

  • Der Savilian Chair of Geometry an der Oxford University ist nach seinem Stifter Henry Savile benannt.

  • Der Freud Memorial Chair am University College in London wurde nach Sigmund Freud, dem Gründer der Psychoanalyse, benannt. Auch er wurde und wird mit hochkarätigen Wissenschaftlern – wie Joseph Sandler, Janine Chasseguet-Smirgel, Hanna Segal oder Peter Fonagy – besetzt.

  • Die Guardini-Lehrstühle in München und Berlin.



Lehrstuhl als Kunstwerk |


Der Künstler Hermann Bigelmayr hat vor der Universitätsbibliothek Weimar die Großplastik Lehrstuhl – leerer Stuhl errichtet. Das 20 Tonnen schwere Kunstwerk nimmt Bezug auf die Universität als Lehrinstitution einerseits und auf die Sitzgelegenheit Stuhl andererseits, die sowohl im Hörsaal als auch im Lesesaal der Bibliothek elementar ist.[3]



Literatur |




  • Die Lehrstühle an den wissenschaftlichen Hochschulen in der Bundesrepublik [und in Westberlin]. Schwartz & Co, Göttingen 1955–1970 (jährliche Übersicht über Anzahl, Bezeichnung und Besetzung und die Nachwuchslage in den Fachgebieten).

  • Elisabeth Boedeker, Maria Meyer-Plath: 50 Jahre Habilitation von Frauen in Deutschland. Göttingen 1974.

  • Christiane Mück, Karen Mühlenbein: Lehrstuhl-Management. Wie Hochschulen ihre Lehrstühle erfolgreich weiterentwickeln und vermarkten können. VDM Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-86550-023-4.



Weblinks |



 Wiktionary: Lehrstuhl – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


Einzelnachweise |




  1. Friedhelm Golücke: Studentenwörterbuch. 4. Auflage, 1984


  2. Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. 240, 7. Juli 2008.


  3. Lehrstuhl – leerer Stuhl. Abgerufen am 29. Dezember 2012.









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