Wolkowo-Friedhof
Der Wolkowo-Friedhof (russisch Во́лково кла́дбище oder Во́лковское кла́дбище) ist ein 26 Hektar großer Friedhof in Sankt Petersburg (Russland). Er befindet sich im Rajon Frunse südlich der Innenstadt, unweit der U-Bahn-Station Wolkowskaja. Bekannt ist er vor allem durch den Ehrenabschnitt Literatorskije mostki („Literatenbrücken“, Литераторские мостки), wo sich Grabstätten zahlreicher Schriftsteller, Dichter, Künstler und Wissenschaftler befinden.
Inhaltsverzeichnis
1 Geschichte
2 Gräber prominenter Personen
2.1 Autoren
2.2 Bildende Künstler, Komponisten, Musiker
2.3 Wissenschaftler
2.4 Sonstige bekannte Personen
3 Siehe auch
4 Weblinks
Geschichte |
Namensgebend für den Friedhof ist das ehemalige Dorf Wolkowka bzw. Wolkowo, das im 17. Jahrhundert erstmals erwähnt wurde. 1719 wurde dort ein kleiner Gottesacker an der Johannes-der-Täufer-Kirche angelegt. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde dieser Friedhof jedoch aufgelöst und in seiner Nähe mit dem heutigen Wolkowo-Friedhof einer von drei neuen Großfriedhöfen der Stadt gegründet. Als Entstehungsdatum des Wolkowo-Friedhofs gilt der 11. Mai 1756, als seine Gründung per Erlass der Kaiserin Elisabeth besiegelt wurde. Die neue Nekropole wurde am Ufer eines kleinen Newa-Nebenflusses angelegt, welcher erst im 19. Jahrhundert seinen heutigen Namen Wolkowka erhielt.
Anfangs galt der Wolkowo-Friedhof als Armenbegräbnisstätte. Er war nur rund 2000 m² groß und verfügte lediglich über eine Holzkapelle, jedoch kein eigenes Gotteshaus. Die Anlage wurde über Jahrzehnte kaum gepflegt und es gab keine räumliche Ordnung für Neubegräbnisse, weswegen der Friedhof auch heute noch über eine sehr ungeordnete Struktur und nur wenige Gehwege verfügt. Die erste Kirche auf dem Wolkowo-Friedhof, ursprünglich aus Holz errichtet, wurde Ende 1759 eingeweiht. 1777 wurde sie durch eine neue ergänzt, welche 1782 abbrannte und bis 1785 durch die heutige Auferstehungskirche in Stein ersetzt wurde. Die erste Holzkirche des Friedhofs wurde 1795 wegen Baufälligkeit abgerissen und erst 1842 durch einen Nachfolgebau – die heutige Erlöserkirche – ersetzt. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts entstanden auf dem Friedhof zwei weitere Kirchen: Die Allerheiligenkirche (1852) sowie die Kirche des Hl. Job (1887), zudem wurde das Ensemble 1832–34 um einen Glockenturm erweitert.
Im späteren 18. und insbesondere im 19. Jahrhundert gehörte der Friedhof bereits zu den größten in Sankt Petersburg, da sein Territorium mehrmals erweitert wurde. 1812 wurden dort Gehwege angelegt und zusätzliche Bäume gepflanzt. 1885 gab es bereits rund 600.000 Begräbnisse auf dem Wolkowo-Friedhof, darunter auch zahlreiche Prunk-Grabmäler wohlhabender Bürger.
Nach der Oktoberrevolution 1917 wurde ein Teil des Friedhofs entwidmet, wobei die bekanntesten dort vorhandenen Gräber auf andere Abschnitte umgebettet, die meisten jedoch zerstört wurden. Auch die Allerheiligenkirche aus dem Jahr 1852 sowie die 1913 errichtete Mariä-Entschlafens-Kirche wurden abgerissen; die Erlöserkirche wurde entwidmet und zur Werkshalle einer Steinmetzzeche umgebaut. Im Zweiten Weltkrieg wurden auf dem Friedhof während der deutschen Belagerung der Stadt (1941–1944) Massengräber für zivile Opfer der Belagerung ausgehoben.
Im Laufe seiner Geschichte wurde der Friedhof nicht nur für Begräbnisse russisch-orthodoxer Christen genutzt: So entstand Ende des 18. Jahrhunderts neben dem orthodoxen Abschnitt am anderen Ufer der Wolkowka der lutherische Abschnitt und nördlich davon existierte bis in die 1930er-Jahre hinein ein kleiner Abschnitt für altorthodoxe Gläubige.
Auf einzelnen Abschnitten des Wolkowo-Friedhofs werden bis heute Beisetzungen durchgeführt.
Gräber prominenter Personen |
Da in Russland Gräber im Allgemeinen nicht neu belegt werden, sind auf dem Wolkowo-Friedhof bis heute zahlreiche historische Grabstätten erhalten geblieben, die aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen und teilweise Vertretern prominenter Adelsgeschlechter (darunter Galitzin, Trubezkoi, Jussupow und andere) ihre letzte Ruhestätte bieten.
Der bekannteste Abschnitt des Friedhofs sind die sogenannten Literatenbrücken, wo seit dem 19. Jahrhundert traditionell Schriftsteller und Publizisten, später auch Künstler, Wissenschaftler und Politiker, begraben werden. Der Name Literatenbrücken entstand ebenfalls im 19. Jahrhundert, wobei als „Brücken“ damals spezielle Holzbretter bezeichnet wurden, mit denen Friedhofswege befestigt wurden, um sie trotz Feuchtigkeit und Matsch passierbar zu machen.
Autoren |
Leonid Andrejew (1871–1919), Schriftsteller
Wissarion Belinski (1811–1848), Literaturkritiker
Olga Bergholz (1910–1975), Dichterin
Alexander Blok (1880–1921), Dichter des Symbolismus
Nikolai Dobroljubow (1836–1861), Literaturkritiker
Wsewolod Garschin (1855–1888), Schriftsteller
Iwan Gontscharow (1812–1891), Romancier
Dmitri Grigorowitsch (1822–1900), Romancier, Kunsthistoriker
Alexander Kuprin (1870–1938), Schriftsteller
Michail Kusmin (1872–1936), Schriftsteller
Nikolai Leskow (1831–1895), Schriftsteller
Alexander Radischtschew (1749–1802), Philosoph und Schriftsteller (Grab nicht erhalten)
Michail Saltykow-Schtschedrin (1826–1889), Satiriker
Iwan Turgenew (1818–1883), Schriftsteller
Bildende Künstler, Komponisten, Musiker |
Leonti Benois (1856–1928), Architekt
Nikolai Benois (1813–1898), Architekt
Isaak Brodski (1884–1939), Maler
Jewsei Jewsejewitsch Moissejenko (1916–1988), Künstler
Andrei Petrow (1930–2006), Komponist
Kusma Petrow-Wodkin (1878–1939), Maler und Grafiker
Isaak Schwarz (1923–2009), Komponist
Wassili Solowjow-Sedoi (1907–1979), Komponist
Konstantin Thon (1794–1881), Architekt
Noi Trozki (1895–1940), Architekt
Wissenschaftler |
Wladimir Bechterew (1857–1927), Mediziner
Abram Ioffe (1880–1960), Physiker
Andrei Petrowitsch Kisseljow (1852–1940), Mathematiker
Alexei Krylow (1863–1945), Schiffbauingenieur und Mathematiker
Andrei Markow (1856–1922), Mathematiker
Dmitri Mendelejew (1834–1907), Chemiker
Nikolai Miklucho-Maklai (1846–1888), Anthropologe und Forschungsreisender
Iwan Pawlow (1849–1936), Physiologe, Medizin-Nobelpreisträger
Alexander Popow (1859–1906), Pionier der Funktechnik
Alexei Schachmatow (1864–1920), Sprachwissenschaftler
Juli Schokalski (1856–1940), Ozeanograf und Kartograf
Wladimir Juljewitsch Wiese (1886–1954), Ozeanograf und Polarforscher
Sonstige bekannte Personen |
Julius Heinrich August Uljanowitsch von Denffer (1786–1860), deutsch-baltischer Gouverneur und Senator des Russischen Kaiserreiches
Friedrich Breitfuss (1851–1911), russischer Philatelist, Mitglied der Royal Philatelic Society London
Marija Blank (1835–1916), Mutter Lenins
Oskar von Löwis of Menar (1830–1885), kaiserlich-russischer Generalmajor
Georgi Plechanow (1856–1918), sozialistischer Philosoph
Wera Sassulitsch (1849–1919), Revolutionärin
Konstantin Sergejew (1910–1992), Balletttänzer
Agrippina Waganowa (1879–1951), Balletttänzerin
Ignaz Aurelius Feßler (1756–1839) lutherischer Generalsuperintendent
Amand Jegorowitsch Struwe (1835–1898), Militäringenieur und Unternehmer
Siehe auch |
- Liste von Begräbnisstätten bekannter Persönlichkeiten
Weblinks |
Commons: Wolkowo-Friedhof – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Webseite über den Wolkowo-Friedhof (russisch)
Ausführliche Geschichte (russisch)
Opeterburge.ru: Wolkowo-Friedhof (russisch)
Webseite über die Literatorskije mostki (russisch)
59.90305555555630.364166666667Koordinaten: 59° 54′ 11″ N, 30° 21′ 51″ O