Nouvelle Vague








Nouvelle Vague (französisch für Neue Welle) ist eine Stilrichtung des französischen Kinos, die in zwei Phasen verlief. Die erste, weniger beachtete fand bereits 1918 ihren Anfang und wurde maßgeblich von Marcel L’Herbier geprägt. Ihre Fortsetzung fand die Nouvelle Vague dann in ihrer bedeutenderen Phase in den späten 1950er Jahren.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Die Anfänge


    • 1.1 Politik der Autoren




  • 2 Ästhetik


  • 3 Wichtige Regisseure


    • 3.1 Kern


    • 3.2 Rive Gauche und erweiterter Kreis




  • 4 Bekannte Schauspieler


  • 5 Kameraleute


  • 6 Bedeutende Filme


  • 7 Siehe auch


  • 8 Literatur


  • 9 Weblinks





Die Anfänge |


Nach dem Ersten Weltkrieg formte sich in der Stummfilmzeit eine eher inhomogene avantgardistische Szene, deren berühmteste Vertreter Abel Gance, René Clair sowie Jean Cocteau waren. Die Entwicklung wurde nachhaltig durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. Ende der 1950er Jahre entstand dann in Frankreich eine Bewegung unter jungen Cinéasten und den Pionieren der ersten Welle, die sich gegen die eingefahrene Bildsprache und den vorhersagbaren Erzählfluss des etablierten kommerziellen Kinos wandte. Sie griffen die Ideen und Vorstellungen der Vertreter dieser ersten Welle auf. Bekannte Regisseure der Nouvelle Vague wurden später Autoren der Cahiers du cinéma. In ihren Artikeln stellten sie sich gegen die Verbiederung und die Vorhersehbarkeit des französischen Qualitätskinos (cinéma de qualité) und propagierten vor allem Filme von Regisseuren wie Alfred Hitchcock, Howard Hawks, Jean Renoir und Roberto Rossellini.


1954 veröffentlichte François Truffaut den Artikel Eine gewisse Tendenz im französischen Film (Une certaine tendance du cinéma français). Dieser Text gilt als erste eigene theoretische Grundlage der Nouvelle Vague und wendet sich vor allem gegen jene Drehbuchschreiber, die uninspiriert Romanvorlagen adaptieren, ohne selbst einen Bezug zum Kino zu haben. Die Forderung: "Männer des Kinos" sollten Kino machen und sich nicht von Schriftstellern vorschreiben lassen, was verfilmbar ist und was nicht.



Politik der Autoren |


Begründet auf den Schriften Alexandre Astrucs und unter Federführung von André Bazin, dem Chefredakteur und einem der Gründer der Cahiers, entwickelten sie die Politik der Autoren (politique des auteurs). Diese Politik forderte vom Regisseur, sich an allen Schritten der Filmproduktion zu beteiligen, um so einen eigenen persönlichen Stil entwickeln zu können. Mit dieser charakteristischen Handschrift des Regisseurs sollten die Filme persönlicher und individueller werden und aus dem Schattendasein der Literatur treten. Dabei werde nicht der einzelne Film eines Regisseurs bewertet, sondern immer sein Gesamtwerk. Was zähle, sei das Verhältnis eines Autors zu seinem Film, was sich in der Art seiner Umsetzung ausdrücke. Er unterscheide sich vom Regisseur (réalisateur), der stets nur die vom Drehbuchschreiber vorgeschriebene Geschichte umsetze. Autor (auteur) sei daher, wer Beobachtetes wiedererschafft (récréer). Er könne insofern einem fremden Stoff durch Bearbeitung und Transzendierung seinen persönlichen Stempel aufdrücken. Die Politik der Autoren soll aber nicht mit dem Autorenfilm in Deutschland verwechselt werden. Auch eine Übersetzung mit Auteur-Theorie sei falsch, da sie die mit ihr verbundenen Forderungen an die Regisseure unterschlägt.


Michel Marie begreift die Nouvelle Vague als eine Kunst-Schule (école artistique). Die Politik der Autoren könne in diesem Sinne als ästhetisches Programm verstanden werden, wonach der Autor seine Weltanschauung (vision du monde) dem Film einschreibt. Der feste Korpus von Debütfilmen, die sich auf ein gemeinsames Programm beziehen und als Nouvelle Vague wahrgenommen werden, spricht ebenfalls dafür, von einer Schule zu sprechen. Ein fester Gruppenzusammenhang wird durch die publizistische Unterstützung der Filmzeitschriften (Cahiers du cinéma) gefördert und vor allem – Michel Marie betont dies ausdrücklich – existieren gemeinsame Feinde: die Autoren der Rive Gauche, versammelt um die wesentlich politisiertere Filmzeitschrift Positif.


Impulsgeber und Vorläufer der Nouvelle Vague sind im italienischen Neorealismus, in Dokumentarfilmen von Regisseuren wie Jean Rouch und in den US-amerikanischen B-Movies zu suchen.



Ästhetik |


Durch die Entwicklung neuer, leichterer Kameras und lichtempfindlicheren Filmmaterials war es den Filmemachern erstmals möglich, ohne künstliches Licht zu drehen und außerhalb der Filmstudios mit der Handkamera zu arbeiten. Die Fotografie des Kameramanns Raoul Coutard war dabei prägend für die visuelle Ästhetik.


Die Regisseure engagierten vor allem junge unbekannte Schauspieler und weniger die etablierten Filmstars. Musik spielte eine wichtige Rolle in den Filmen, ebenso waren neue Filmtechniken und außergewöhnliche Erzählstile charakteristisch. Es entstand der Essayfilm.


Die Blütezeit der Nouvelle Vague dauerte bis Mitte der 1960er Jahre an. Die entwickelten Effekte und Erzähltechniken werden noch heute, auch in kommerziellen Filmen und der Werbung, verwendet.



Wichtige Regisseure |



Kern |



  • Claude Chabrol

  • Jean-Luc Godard

  • Jacques Rivette

  • Éric Rohmer

  • Jacques Rozier

  • François Truffaut



Rive Gauche und erweiterter Kreis |



  • Jacques Demy

  • Jean Eustache

  • Louis Malle

  • Chris Marker

  • Alain Resnais

  • Jean-Marie Straub

  • Agnès Varda



Bekannte Schauspieler |



  • Maurice Ronet

  • Jeanne Moreau

  • Lino Ventura

  • Stéphane Audran

  • Charles Aznavour

  • Jean-Paul Belmondo

  • Jean-Claude Brialy

  • Claude Jade

  • Anna Karina

  • Bernadette Lafont

  • Jean-Pierre Léaud

  • Michel Piccoli

  • Jean Seberg

  • Delphine Seyrig

  • Anne Wiazemsky



Kameraleute |



  • Néstor Almendros

  • Raoul Coutard

  • André Weinfeld

  • Henri Decaë

  • Jean Rabier



Bedeutende Filme |




  • Fahrstuhl zum Schafott (Louis Malle, 1958)


  • Die Enttäuschten ("Le Beau Serge", Claude Chabrol, 1958)


  • Hiroshima, mon amour (Alain Resnais, 1959)


  • Sie küssten und sie schlugen ihn ("Les Quatre cents coups", François Truffaut, 1959)


  • Außer Atem ("À bout de souffle", Jean-Luc Godard, 1960)


  • Schießen Sie auf den Pianisten ("Tirez sur le pianiste", F. Truffaut, 1960)


  • Paris gehört uns ("Paris nous appartient", Jacques Rivette, 1961)


  • Letztes Jahr in Marienbad ("L’année dernière à Marienbad", Alain Resnais, 1961)


  • Cleo – Mittwoch zwischen 5 und 7 ("Cléo de 5 à 7", Agnès Varda, 1961)


  • Lola (Jacques Demy, 1961)


  • Die Geschichte der Nana S. ("Vivre sa vie", J.-L. Godard, 1962)


  • Adieu, Philippine (Jacques Rozier, 1962)


  • Jules und Jim ("Jules et Jim", F. Truffaut, 1962)


  • Die Außenseiterbande ("Bande à part", J.-L. Godard, 1964)


  • Elf Uhr nachts ("Pierrot le fou", J.-L. Godard, 1965)


  • Viva Maria!, (Louis Malle, 1965)


  • Geraubte Küsse ("Baisers volés, F. Truffaut, 1968)


  • Die untreue Frau ("La femme infidèle", Claude Chabrol, 1969)


  • Meine Nacht bei Maud ("Ma nuit chez Maud", Éric Rohmer, 1969)


  • Tisch und Bett ("Domicile conjugal", F. Truffaut, 1970)


  • Die Mama und die Hure ("La Maman et la putain", Jean Eustache, 1973)



Siehe auch |


  • Autorenfilm


Literatur |



  • Simon Frisch: Mythos Nouvelle Vague. Wie das Kino in Frankreich neu erfunden wurde. Schüren, Marburg 2007, ISBN 978-3-89472-534-1 (Dissertation an der Universität Hildesheim, 2005).


  • Frieda Grafe: Nur das Kino - 40 Jahre mit der Nouvelle Vague (= Ausgewählte Schriften in Einzelbänden. 3. Band). Brinkmann & Bose, Berlin 2003, ISBN 3-922660-82-7; darin:

    • S. 106–116: Zwanzig Jahre später - Was die Nouvelle Vague war - nach einer Reihe im Münchner Filmmuseum. Erstveröffentlichung in: Süddeutsche Zeitung vom 17./18. Januar 1981.

    • S. 168–173: Wenn der Hahn kräht - Die Nouvelle Vague im Jahr 2000.




  • Norbert Grob u. a. (Hrsg.): Nouvelle Vague (= Genres & Stile 1). Bender, Mainz 2006, ISBN 3-936497-12-5.


  • Michel Marie: La Nouvelle Vague. Une École Artistique (= Collection 128. 180 cinéma). Armand Colin, Paris 2005, ISBN 2-200-34168-7.


  • James Monaco: The New Wave. Truffaut, Godard, Chabrol, Rohmer, Rivette. 30th anniversary edition. Harbor Electronic Publishing, New York u. a. 2004, ISBN 0-9707039-5-3.

  • Emilie Bickerton: Eine kurze Geschichte der Cahiers du cinéma. diaphanes, Zürich 2010, ISBN 978-3-03734-126-1.

  • Scarlett Winter und Susanne Schlüter (Hrsg.): Körper, Ästhetik, Spiel: Zur filmischen écriture der Nouvelle Vague. Fink, München 2004.



Weblinks |



  • Nouvelle Vague, Sammlung von Rezensionen bei critic.de



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