Koralle
Als Korallen (altgr. κοράλλιον korállion) werden sessile, koloniebildende Nesseltiere (Cnidaria) bezeichnet. Die verschiedenen Gruppen von Korallen sind nicht näher miteinander verwandt, sondern gehören verschiedenen Taxa der Nesseltiere an. Am bekanntesten sind die Steinkorallen (Scleractinia), die den Hauptanteil an der Entstehung der Korallenriffe haben. Eine weitere bedeutende, artenreiche Gruppe sind die Oktokorallen (Octocorallia), zu denen die Weich-, Leder- und Röhrenkorallen sowie die Gorgonien gehören. Die Schwarzen Korallen (Antipatharia) sind mit etwa 235 Arten sehr viel artenärmer. Während die bisher genannten Gruppen Blumentiere (Anthozoa) sind, gehören die Feuer- (Millepora) und die Filigrankorallen (Stylasteridae) zur Klasse der Hydrozoa.
Neben den rezenten (heute lebenden) sind Rugosa und Tabulata ausgestorbene Korallengruppen. (Siehe dazu: Korallen der Schwäbischen Alb.)
Inhaltsverzeichnis
1 Biologie/Naturwissenschaften
1.1 Allgemeines
1.2 Kaltwasserkorallen
2 Fortpflanzung
3 Gefährdung
4 Schutz
5 Nutzen
6 Brauch, Symbolik und Ikonografie
7 Literatur
8 Weblinks
9 Einzelnachweise
Biologie/Naturwissenschaften |
Allgemeines |
Korallen kommen ausschließlich im Meer vor, insbesondere im Tropengürtel. Im Hinblick auf die Wuchsform wird zwischen Weichkorallen und Steinkorallen unterschieden, wobei letztere durch Einlagerungen von Kalk Skelette bilden, durch die Korallenbänke oder ein Korallenriff entstehen, da totes Skelettmaterial fortwährend von lebendigem Gewebe überwuchert wird. Korallenskelette bestehen zum größten Teil aus Aragonit, den die Korallentiere aus ihrer Fußscheibe oder ihrem Ektoderm absondern, um der Kolonie Stütze zu verleihen. Die Einzelskelette sind in der Regel pflanzenartig verzweigt und an den Zweigenden, den Wachstumsspitzen, befinden sich oft farbenprächtige Polypen, die darüber hinaus den Eindruck vermitteln, Korallen seien unterseeische Blütenpflanzen.
Wie bei den meisten sessilen (= festsitzenden) Meerestieren handelt es sich auch bei Korallen um Filtrierer, d. h., sie ernähren sich auch durch das Herausfiltern von Mikroplankton, Nährstoffen und Spurenelementen aus dem strömungsreichen Meerwasser. Viele der Korallen, die in Nähe der Wasseroberfläche leben, ernähren sich jedoch nicht alleine durch Filtrieren von Plankton, sondern auch (oder sogar zum größeren Teil) durch Endosymbionten, d. h. in die Polypenzellen eingelagerte Symbiosealgen, sogenannte Zooxanthellen, welche auch die intensiven Farben im lebendigen Gewebe der Koralle verursachen. Diese einzelligen Algen sind mit ihrem Photosynthese-Stoffwechsel nahtlos in den Nährstoffhaushalt der Koralle eingebunden. Je nach vorhandenem Plankton kann die Größe der Korallenpolypen sehr unterschiedlich sein, deshalb unterscheidet man zwischen großpolypigen (LPS – Large Polyp Sclerantinia) und kleinpolypigen (Small Polyp Sclerantinia), wobei die Polypengröße von Millimeter-Bruchteilen bis zu mehreren Zentimetern variiert. Korallen gibt es seit über 400 Millionen Jahren; sie helfen dem Geologen bei Paläoklimarekonstruktionen (s. auch: Schuppen-Altersbestimmung (Biologie)).
Kaltwasserkorallen |
Neben den Steinkorallen der Tropen findet man auch Kaltwasserkorallen (oder Tiefseekorallen), welche keine Zooxanthellen besitzen und sich ausschließlich durch die Filtration von Plankton ernähren.[1] Sie sind erst seit Ende des 20. Jahrhunderts bekannt und wurden in allen Weltmeeren (einschließlich Mittelmeer, aber nicht im Schwarzen Meer und nicht in der Ostsee) in Meerestiefen von 40 (New England Seamount Chain) bis zu 3383 m (Nordatlantik) bei Temperaturen von 4 bis 12 °C nachgewiesen; hauptsächlich kommen sie aber in Tiefen zwischen 100 und 200 m unter dem Welleneinflussbereich vor.[1] Unterhalb des Wellenbereiches, also unterhalb 100–300 m sind auch Kaltwasserkorallen riffbildend und bieten dann ebenso wie ihre oberflächennahen Verwandten einer vielfältigen Tierwelt Lebensraum. Etwa 4000 Tierarten wurden in den Kaltwasserkorallenriffen nachgewiesen.[1] Ungefähr 600 Arten Kaltwasserkorallen sind bekannt, 17 davon sind zur Bildung größerer Riffe befähigt.[1]
Fortpflanzung |
Siehe:
- Fortpflanzung der Steinkorallen
- Fortpflanzung der Oktokorallen
Gefährdung |
Die oben erwähnten Algen sind sehr temperaturempfindlich. Erwärmt sich das Wasser zu stark, beginnen sie, Giftstoffe zu produzieren, und werden daraufhin von den Korallen abgestoßen, woraufhin diese sofort absterben. Der weiße Kalkmantel bleibt bestehen, daher der Begriff Korallenbleiche. Durch die globale Erwärmung kommt es häufiger und länger andauernd zum „Überhitzen“ des Meerwassers. Dadurch verläuft eine ansonsten leicht verlaufende Korallenbleiche, von der sich eine Kolonie erholen kann, schwerer und führt schließlich zum Absterben.
Eine weitere Gefahr droht durch die Versauerung der Meere, die einen Teil der anthropogenen Emissionen von Kohlenstoffdioxid aufnehmen, was die Bildung neuer Kalkschalen hemmt. Außerdem scheint das Einleiten von Fäkalien ebenfalls ein Faktor für die Korallenbleiche darzustellen, da sie an entsprechenden Stellen vermehrt beobachtet werden konnte. Als Auslöser werden coliforme Bakterien in den Fäkalien vermutet. Die Korallenbleiche hat in den letzten Jahren viele beliebte Tauchgebiete zerstört. Auch wenn noch nicht sicher ist, ab welcher Temperatur die Riffe aufgrund der oben genannten menschlichen Aktivitäten absterben, zeigen Korallenriffe in warmen Gebieten bereits erste Symptome einer irreversiblen Änderung des Ökosystems (Stand 2015).[2] 2016 wurden bei der schwersten jemals gemessenen Korallenbleiche im Great Barrier Reef 55 % der Riffe schwer geschädigt, während es bei den beiden vorangegangenen schweren Bleichen 1998 und 2002 nur 18 % gewesen waren. Insgesamt waren 2016 93 % aller dortigen Riffe von der Bleiche betroffen.[3]
Durch Tiefseefischerei (Schlepp- und Grundnetzfischerei) sind Tiefseekorallen bedroht. Ein negativer Einfluss von Bohrplattformen zur Erdöl- oder Erdgasförderung in der Umgebung von Kaltwasserkorallenriffen wird nicht ausgeschlossen.
Transkontinentale Unterwasserkabel zur Telekommunikation stellen ebenfalls eine Bedrohung dar.
Schutz |
Seit mehreren Jahrzehnten versuchen Enthusiasten wie Wolf Hilbertz, Tom Goreau oder die Global Coral Reef Alliance der Zerstörung der Korallenriffe entgegenzusteuern. Sie schaffen Nationalparks in den Meeren und versuchen künstliche Korallenriffe zu schaffen und absterbende Riffe zu erhalten. Dabei wurden die verschiedensten Methoden angewandt, wie der Riffball, die Biorock-Technologie, das Versenken von Schiffen, Flugzeugen und Fahrzeugen. Ein künstlich angelegtes Riff aus versenkten Autoreifen (Osborne-Riff) hat sich in den USA zur ökologischen Katastrophe entwickelt.
Nutzen |
Die kalkigen Achsenskelette einiger Oktokorallen und Schwarzen Korallen werden für die Schmuckherstellung verwendet. Diese Nutzung lässt sich bis in die vorgeschichtliche Zeit nachweisen. Als Schmuckstein ist die rote Edelkoralle am begehrtesten. Wichtiger sind jedoch die lebenden Korallen als Brutstätte und Kinderstube für viele Meeresbewohner. Hier finden sie Schutz vor ihren Feinden und genügend Nahrung. Im Lebensraum der Korallen existieren etwa ein Viertel aller bekannten Meeresfische.
Brauch, Symbolik und Ikonografie |
Korallen und Korallenäste, vornehmlich von roter Farbe, wurden schon in der Antike für Amulette verwendet. Sie galten als Schutz gegen Krankheiten, Blitzschlag und Misswuchs.
Sie waren im alten Ägypten der Isis und in Rom der Venus heilig.
Rosenkränze aus Korallen („Paternosterkrallen“) waren im Nachmittelalter sehr beliebt.
Im italienischen Volksglauben schützen Korallen Kinder gegen Unheil. Daher findet man auch viele Darstellungen des Jesuskinds mit Korallenkette und Halsband mit Korallenast.
In der Profanikonographie ist die Korallenkette ein Attribut der Kindheit geworden. In der Erzählung „Der Leviathan“ von Joseph Roth spielt die Koralle eine zentrale symbolische Rolle.
Für das Mittelalter ist auch die heilkundliche Anwendung der Kalkskelette von Korallen belegt. Verwendet wurden sie zu Pulver gemahlen in Arzneitränken gegen Milz- und Harnsteinleiden.[4]
Literatur |
Wikisource: Der Schmuck des Meeres – (Korallen und Korallenfischerei) von Carl Vogt, mit Illustrationen, in Die Gartenlaube (1866), Heft 3 und 21, S. 40–42 und 326–328
Otto Lagercrantz, Hugo Blümner, Hans Gossen, August Steier: Koralle. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XI,2, Stuttgart 1922, Sp. 1373–1377.- Elfriede Grabner: Die Koralle in Volksmedizin und Volksglaube. In: Zeitschrift für Volkskunde 65, 1969, S. 183–195.
Weblinks |
Wiktionary: Koralle – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Koralle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Anthozoa – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise |
↑ abcd Lich Barbara und Solvin Zankl: Korallen. Im Fjord? Geo, Juni 2013, S. 70–84.
↑ Ottmar Edenhofer, Susanne Kadner, Jan Minx: Ist das Zwei-Grad-Ziel wünschenswert und ist es noch erreichtbar? Der Beitrag der Wissenschaft zu einer politischen Debatte. In: Jochem Marotzke, Martin Stratmann (Hrsg.): Die Zukunft des Klimas. Neue Erkenntnisse, neue Herausforderungen. Ein Report der Max-Planck-Gesellschaft. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-66968-2, S. 69–92, hier S. 75.
↑ Great Barrier Reef: 93% of reefs hit by coral bleaching. In: The Guardian, 19. April 2016. Abgerufen am 5. Mai 2016.
↑ Anton Trutmann: Arzneibuch. (Hs. XI. 61 der Burgerbibliothek Bern). Edition von Rainer Sutterer: Anton Trutmanns 'Arzneibuch', Teil I: Text. Medizinische Dissertation Bonn 1976, Blatt 51 („dem boeßen milczen: do trinck corallen pulver mit wasser“) und 74 („pulver für grienn [...]. Und nim wiß krallen zincken“).