Dolmen






Dolmen (dän. Dysse) in der Nähe von Vinstrup, Nørhald, Dänemark





Dolmen de la Pierre Levée, bei Saint-Fort-sur-le-Né, Frankreich




Vier Dolmen und ein Ganggrab


Ein Dolmen (aus kornisch tolmen ‚Steintisch‘) ist ein in der Regel aus großen, unbehauenen oder behauenen Steinblöcken errichtetes Megalith-Bauwerk, das zumeist als Grabstätte diente. Es besteht aus drei oder mehr aufrecht stehenden Tragsteinen, auf denen eine oder mehrere Deckplatten ruhen.[1] In Europa waren Dolmen meist ursprünglich von Hügeln aus Steinen oder Erde bedeckt.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Namensgebung, Typisierung


  • 2 Funktion


  • 3 Architektur


  • 4 Verbreitung


    • 4.1 Europa und Orient


    • 4.2 Kaukasus


    • 4.3 Nordafrika


    • 4.4 Indien


    • 4.5 Japan und Korea




  • 5 Pseudo- oder Paradolmen


  • 6 Ornamentik


  • 7 Siehe auch


  • 8 Literatur


  • 9 Weblinks


  • 10 Einzelnachweise





Namensgebung, Typisierung |





Dolmen de la Frébouchère, Vendée




Dolmen bei Reinfeld, Schleswig-Holstein





Table des Marchand – Stirnstein mit Báculo-Dekor, Deckstein mit Axtpflug


Der Ausdruck „Dolmen“ wurde von dem in der Bretagne geborenen Franzosen Théophile Malo Corret de la Tour d’Auvergne (1743–1800) in die Altertumsforschung eingeführt.
In der nordischen Megalitharchitektur bezeichnet Dolmen üblicherweise ein Bauwerk mit mehreren Orthostaten (Tragsteinen) und einer oder mehreren Deckplatten. In manchen Ländern beschränkt man den Begriff auf Bauwerke mit nur einem Deckstein.[2]Oscar Montelius unterschied Dolmen, Ganggräber und Steinkisten[3]. Diese Terminologie ist in Skandinavien weiterhin vorherrschend. Die Dänen unterscheiden Langdolmen (dänisch langdysse), Runddolmen (dän. runddysse), Großdolmen (dän. stordysse) und Ganggrab (dän. jættestue). Langdolmen (langdysse oder -döse) ist die in Skandinavien gebräuchliche Bezeichnung für Dolmen, die in einem Hünenbett liegen; im Gegensatz dazu liegen Runddolmen in einer runden oder vieleckigen Einfassung.
Die Dolmen der Trichterbecherkultur werden in Deutschland nach Sprockhoff und Ewald Schuldt in Urdolmen, Rechteckdolmen (nach Ekkehard Aner), erweiterter Dolmen (nach E. Schuldt) Großdolmen, Polygonaldolmen und Ganggräber eingeteilt. Die von Schuldt geprägte Bezeichnung ist jünger und wurde gewählt, weil Dolmen dieser Bauart auch flaschen- oder trapezförmig sein können.


In Dänemark heißen Dolmen dysse oder stendysse, in Schweden döse und in Portugal anta.



Funktion |





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Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse zum primären Zweck der megalithischen Steinsetzungen. Man nimmt im Allgemeinen an, dass die meisten Dolmen als Bestattungsorte dienten. Es ist jedoch nicht sicher, ob dies in jedem Fall der primäre Zweck ihrer Errichtung war.



Architektur |


Die meisten Dolmen bestehen aus großen aufgerichteten Steinen, sogenannten Orthostaten, auf denen große Decksteine ruhen, die meist größer und schwerer sind als die Orthostaten. Die Decksteine ragen oft seitlich über die Orthostaten hinaus und verleihen dem Bauwerk manchmal das Aussehen eines Tisches. Ihrer tischähnlichen Form wegen wurden Dolmen früher auch als Opfertische, Altarsteine oder Druidenaltäre interpretiert. Die Tragsteine stehen meist dicht nebeneinander und bilden rechteckige, vieleckige, trapezoide oder rundlich-ovale Kammern. Später zu datierende Bauten bestehen nicht selten aus zahlreichen kleineren Steinen anstelle von monolithischen Orthostaten. Bei ihrer Entdeckung waren viele Dolmen durch einen Erdhügel bedeckt, der einen ungehinderten Zugang unmöglich machte (siehe Zugang zu Megalithanlagen für weitere Diskussionen). Bei ihrer Freilegung erwiesen sich nur wenige Dolmen als verschlossen. In einigen Fällen hat ein Dolmen mehrere – auch seitliche – Kammern (z. B. Mané Groh). Kammern mit lateralem Zugang werden in Mitteleuropa als Ganggräber bezeichnet, wobei die Abgrenzung zu anderen Typen nicht einheitlich ist.


Die Größe dieser Bauten wechselt je nach Region und vorhandenem Material; die größten Dolmen befinden sich in der Bretagne (La Roche-aux-Fées, Gavrinis, Table des Marchand, Les Pierres-Plates, Mané Lud), in England (West Kennet Long Barrow), im Emsland (De hoogen Steener), in Irland (Newgrange) und in Spanien (Antequera). Dolmen bestehen heute oft nur aus freistehenden großen Steinen, da die kleineren Steine in früheren Zeiten von den Bewohnern der Umgebung abgetragen und zum Bau von Mauern, Stallungen, Wohnhäusern und dergleichen genutzt wurden. Selten ragen die Megalithen aus einem um sie angeschütteten Hügel hervor, oder sie sind ganz mit einem Stein- oder Erdhügel bedeckt, was ihrem ursprünglichen Zustand entspricht. Vielfach stehen die Tragsteine größerer Monumente so nahe beieinander, dass der tischähnliche Charakter verschwindet und ein kammerähnlicher Raum entsteht. In der Bretagne und in Südfrankreich gleichen viele Anlagen mehr einem Gang; man nennt diese Form allée couverte (bedeckte Steinreihe oder Galerie).




Nachbau eines Langdolmens in einem Freilichtmuseum in Schweden



Verbreitung |



Europa und Orient |


Dolmen sind in ganz West- und in Teilen Nord-, Mittel-, Süd-, Südwest- und Südosteuropas verbreitet, wobei ein gehäuftes Vorkommen in Küstennähe zu beobachten ist (Département Vendée, Bretagne, Irland, Wales als Antas in Portugal u. a.). Charakteristisch für die europäischen Großsteingräber sind – neben den megalithischen Decksteinen – die seitlichen Tragsteine (Orthostaten). Im südöstlichen und östlichen Europa kommen sie in Südrussland und Thrakien (Bulgarien, Nordostgriechenland, europäische Türkei, siehe Dolmen in Thrakien) vor. In Westasien sind sie in der Levante und in Georgien anzutreffen.




Kaukasus |




Dolmen im Kaukasus


Im Bereich des Westkaukasus (Südrussland, Georgien, Abchasien) finden sich zahlreiche Dolmen. Charakteristisch sind die handwerklich perfekte Glättung und die regelmäßige Anordnung der Steine (meist 4 Tragsteine und 1 Deckenstein). Die beiden seitlichen Orthostaten ragen oft geringfügig über den Verschlussstein (meist mit Seelenloch) hinaus, was zu einer auffälligen Eingangssituation führt, die in einigen Fällen noch durch Schwellsteine betont wird. Da kein einziger Erdhügel (Tumulus) gefunden wurde, ist es – auch in Anbetracht der allseitigen Glättung der Steine – in hohem Maße wahrscheinlich, dass die Dolmen, über deren Alter keine gesicherten Angaben verfügbar sind, immer frei standen.



Nordafrika |




Dolmen auf dem Djebel Gorra, Tunesien


Die größte Anzahl der nordafrikanischen Dolmen findet sich im Norden Tunesiens und dort vor allem in einer Nekropole auf dem Djebel Gorra. Viele megalithische Decksteine sind jedoch wegen des vorherrschenden Kalksteinmaterials zerbrochen. Charakteristisch für die Gruppe ist das Fehlen eines in die Grabkammer führenden Ganges; außerdem ruhen die Decksteine nicht auf monolithischen Orthostaten, sondern auf übereinandergelegten kleineren Steinen. Auch im Norden Marokkos und Algeriens finden sich einige meist stark beschädigte Exemplare.



Indien |




„Dolmen“ bei Marayoor, Indien


Vor allem im nördlichen Teil des indischen Bundesstaats Karnataka – in der weiteren Umgebung der bedeutenden Tempelstätten von Badami, Aihole und Pattadakal (z. B. bei Hire Benakal) – existieren etliche „Dolmen“, die oft aus drei oder vier senkrechten Steinplatten und einer oder zwei großen Deckplatten zusammengesetzt waren; die meisten sind jedoch ganz oder teilweise zerstört. Dass es sich bei ihnen um Grabbauten gehandelt hat, ist – angesichts der in Indien seit Jahrtausenden praktizierten Leichenverbrennung – eher unwahrscheinlich. Ein vorderer Verschlussstein mit „Seelenloch“ fehlt des Öfteren, ebenso ein bedeckender Stein- oder Erdhügel; so könnten es auch kleine Einsiedlerunterkünfte bzw. -tempel gewesen sein, denn in einigen wenigen Fällen ist noch eine Yoni-Platte am Boden zu sehen. Eine Datierung in die Zeit von etwa 1000 v. Chr. bis 1000 n. Chr. ist somit wahrscheinlich.


In der Umgebung der Kleinstadt Marayoor im Osten des Bundesstaates Kerala befinden sich ebenfalls mehrere Dolmen bzw. dolmenähnliche Bauten.



Japan und Korea |




Ganghwado-Dolmen (Korea)


Dolmen gibt es aus der Yayoi-Periode Japans (300 v. Chr. bis 250 n. Chr.). Ein Yayoi-Dolmen besteht aus einer ringförmigen Steinsetzung, auf der eine große, etwa runde Steinplatte ruht. Die Bestattung erfolgte in großen Tonkrügen (Krugbestattung). Ein derartiger Dolmen kann mit einer Steinkiste in Verbindung stehen. Diese Kombination ist in Korea öfter anzutreffen. Es wird angenommen, dass durch Einwanderer vom asiatischen Festland neue Ideen auf die japanischen Inseln gelangten.


Die Dolmenstätten von Gochang, Hwasun und Ganghwa in Korea wurden im Jahre 2000 als Weltkulturerbe in die Liste des UNESCO-Welterbes (Asien und Ozeanien) aufgenommen. Insgesamt schätzt man die Anzahl der koreanischen Dolmen auf etwa 30.000 bis 35.000.



Pseudo- oder Paradolmen |




Paradolmen d'en Garcia


Pseudodolmen sind natürliche Felsformationen, die ein dolmenartiges Aussehen aufweisen.[4] Weil sie oft in früherer Zeit fälschlich als Dolmen betrachtet wurden, tragen sie häufig das Wort Dolmen im Namen. Bekannte Pseudodolmen sind:



    • Belgien


  • Dolmen von Solwaster,


  • Peetje en Meetje,


  • Pseudodolmen von Gomery,
    • Luxemburg



  • Schnellert,
    • Frankreich


  • Dolmen du Bon Ru Morvan,

  • Dolmen de l’Abbaye de la Pierre-Qui-Vire – in Saint-Léger-Vauban (Morvan)


  • Dolmen La Table des Diables, (umstritten)


  • Dolmen von Chevresse,


  • La Roche du Feu,


  • Dolmen Peyre d’Ermale,


  • Dolmen La Pierre de Saint-Maximin Doubs,


  • Roche à Trois Pieds,


  • Autel des Druides in Pfaffenheim Haute-Rhin,


  • May-en-Multien [5]


  • Pierre au Rey,
    • Italien



  • Codina di Lerici, Ligurien,


  • Dolmen di Avola, Sizilien,


  • Sparossino, Ligurien
    • Spanien



  • Cova d’en Genís,


  • Dolmen von Busnela,


  • Paradolmen d’en Garcia,


  • Paradolmen de Ses Rates,


  • Paradolmen de la Pallera,

  • Paradolmen von Tafania[6]


Teilweise wurden Pseudo- oder Paradolmen regulär genutzt.


Der in Katalonien verbreitete Paradolmen ist eine Megalithanlage, die zu wesentlichen Teilen aus Findlingen oder Felsformationen besteht, die einen natürlichen Hohlraum (z. B. ein Abri) bilden, der durch artifizielle Ergänzung zu einer Grabkammer umgestaltet und als solche genutzt wurde. Der Raum wurde durch Wand- oder Deckenmaterial geschlossen und gelegentlich durch einen Zugang ergänzt. Die Bauform ist hier typisch für die Zeit zwischen 2500 und 2200 v. Chr. (Paradolmen de Ses Rates, Paradolmen d’en Garcia, Paradolmen de Sinyols, Paradolmen de la Vinya, Paradolmen del Ca del Duc II, Paradolmen dels escalons d'en Poet I und II, Paradolmen de Tafania, Paradolmen de la Pallera, Paradolmen de Pedra sobre altra)


In Frankreich werden Anlagen wie die 1978 gefundene von „La Chaise“ in Malesherbes als Paramegalithik bezeichnet. Hier wurde in einer länglichen Steinpackung ein Doppel- und ein Einzelgrab gefunden, die zur Tradition der nichtmegalithischen Langhügel gehören könnten. Die zeitgleich mit Megalithanlagen errichteten Anlagen verzichten, vermutlich ressourcenbedingt, auf die Verwendung großer Steine. P. R. Giot bezeichnet die Anlagen als Dérive (Derivate). Auch im benachbarten Ligurien und der Lombardei in Italien finden sich einzelne Dolmen oder Paradolmen (Monticello, Roccavignale, Tanarda - Gravellona).



Ornamentik |


Während die meisten Menhire und Cromlechs unverziert waren, findet sich an einigen Dolmen (vor allem im Gebiet des Golfs von Morbihan) eine reichhaltige Ornamentik (Gavrinis, Les Pierres-Plates, Mané Lud). Typische Motive sind Spiralen, konzentrische Halbkreise, die als abstrahierte Sonnensymbole gedeutet wurden, aber auch Steinäxte, Axtpflüge (französisch Hache-charrue) etc. sind vereinzelt zu sehen. Besonders markant und außergewöhnlich ist das Dekor des Hauptsteins der Table des Marchand in Locmariaquer mit einer Vielzahl von hakenartigen Motiven (Báculos), die als Sonnenstrahlen oder Ähren gedeutet wurden.



Siehe auch |


  • Hünengrab


Literatur |




  • Jacques Briard: Die Megalithen der Bretagne. Éditions Gisserot, 2000, ISBN 2-87747-065-2.


  • Wolfgang Korn: Megalithkulturen. Rätselhafte Monumente der Steinzeit. Konrad Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1553-7.


  • Salvatore Piccolo, Ancient Stones: the Prehistoric Dolmens of Sicily, Brazen Head Publishing, Thornham/Norfolk (UK) 2013, ISBN 978-0-9565106-2-4.

  • Jürgen E. Walkowitz: Das Megalithsyndrom. Europäische Kultplätze der Steinzeit (= Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. Bd. 36). Beier & Beran, Langenweißbach 2003, ISBN 3-930036-70-3.


  • Dieter Werkmüller: Dolmen. In: Albrecht Cordes, Heiner Lück, Dieter Werkmüller, Ruth Schmidt-Wiegand (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Band 1: Aachen – Geistliche Bank. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-503-07912-4, Sp. 1097–1099.


  • Udo Worschech: Cromlechs, Dolmen und Menhire. Vergleichende Studien zu vor- und frühgeschichtlichen Grabanlagen in Jordanien. Peter Lang, Frankfurt 2002, ISBN 3-631-38770-9.



Weblinks |



 Commons: Dolmen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


 Wiktionary: Dolmen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen



  • Fotos von Dolmen in England, Irland, Deutschland, Spanien etc. (zuletzt abgerufen am 11. Dezember 2012)


  • Fotos von Dolmen in England, Irland, Frankreich etc. (zuletzt abgerufen am 11. Dezember 2012)


  • Bild eines Dolmen in runder Einfassung; dän. Runddysse (zuletzt abgerufen am 11. Dezember 2012)


  • Fotos von Dolmen in Südrussland (Memento vom 31. Januar 2013 im Webarchiv archive.is) (zuletzt abgerufen am 11. Dezember 2012)

  • Pseudodolmen-Bild



Einzelnachweise |




  1. James Stevens Curl: A Dictionary of Architecture and Landscape Architecture. 2. Auflage. Oxford, Oxford University Press 2006, ISBN 0-19-280630-0.


  2. Vicki Cummings: Dolmen In: Encyclopædia Britannica. abgerufen 3. Januar 2012. (englisch)


  3. Oscar Montelius, Dolmens en France et en Suède. Le Mans 1907


  4. Der Begriff „Pseudo-Dolmen“ steht für die Beschreibung von Formationen in Form von Dolmen, die z. B. auf Sizilien gefunden werden. Die Terminologie wurde von Sebastiano Tusa, Leiter der Archäologie auf Sizilien, eingeführt.


  5. Marcel Baudouin: Le pseudo-dolmen de May-en-Multien (S.-et-M.). Comment on diagnostique un Mégalithe funéraire. In: Bulletin de la Société préhistorique de France. 5/2, 1908, S. 102–107.


  6. http://www.raco.cat/index.php/Cypsela/article/viewFile/119155/236694




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