Postmichelbrunnen






Postmichelbrunnen


Der Postmichelbrunnen in der Fischbrunnenstraße in Esslingen am Neckar ist ein Brunnen, der die Sage vom Postmichel illustriert.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Sage vom Postmichel


  • 2 Heutiger Brunnen


  • 3 Entwurf und Aufstellung


  • 4 Vorgänger des Postmichelbrunnens


  • 5 Literatur


  • 6 Weblinks


  • 7 Einzelnachweise





Sage vom Postmichel |


Die fiktive Erzählung „Das Steinkreuz auf der Eßlinger Steige bei Stuttgart“ steht am Anfang der bekannten, vielfach nacherzählten und auf dem Theater aufgeführten Sage vom Postmichel. Sie erschien in mehreren Folgen im März 1845 in der Stuttgarter Stadt-Glocke, einem unterhaltenden „Tag- und Nachtblatt“. Herausgegeben und redigiert wurde das Blatt von dem Buchdrucker und Verleger Johann Gottlieb Munder (1802 – 1870). Ungeklärt ist, ob der Verleger selbst oder sein Bruder, der Pfarrer Wilhelm Friedrich Munder, die frei erfundene Geschichte verfasste.[1]


An einem Herbstmorgen 1491 fand man an der Esslinger Steige bei Stuttgart den Esslinger Bürger Amandus Marchthaler ermordet und ausgeraubt auf. Der Täter konnte nicht ermittelt werden, das Vermögen des unverheirateten Opfers erbte dessen Neffe. Jahre später entdeckte der Botenreiter Michel Banhard aus Deggingen in der Nähe des Tatorts einen Ring, der Marchthaler gehört hatte, und steckte sich diesen an den Finger, um ihn später als Fundsache beim zuständigen Amt abzugeben. Bevor er dies jedoch in die Tat umsetzen konnte, wurde der Ring in der Esslinger Botenherberge als Marchthalers Eigentum erkannt und Michel Banhard wurde als Mörder verdächtigt, festgenommen und gefoltert. Schließlich legte er ein Geständnis ab, um den Folterqualen durch den Tod zu entgehen, und sollte vom Stuttgarter Scharfrichter auf dem in Richtung Oberesslingen gelegenen Richtplatz enthauptet werden. Als letzte Gnade bat er sich aus, auf seinem Schimmel zum Richtplatz reiten und dabei sein Horn blasen zu dürfen. Dies wurde ihm gestattet. Vor dem Haus des Neffen des Mordopfers blies er ein letztes Stück auf seinem Horn und beschuldigte den Bewohner, sich während des Prozesses nicht für ihn eingesetzt zu haben. Auch gegenüber dem Scharfrichter erklärte er, der wahre Mörder sei noch nicht gefunden.


In dem Moment, in dem Michel Banhard enthauptet wurde, war auf der Straße nach Stuttgart Hufgetrappel und Hornblasen zu hören. Ebenso erscholl in der darauffolgenden St.-Michaels-Nacht sowohl im Hof des Neffen Marchthalers als auch vor dem Haus des Scharfrichters in Stuttgart Horntönen und ein Reiter auf einem Schimmel, der seinen Kopf unter dem Arm trug und ins Horn stieß, wurde an beiden Orten gesehen. Diese Erscheinung des kopflosen Reiters wiederholte sich alljährlich in der Michaelsnacht, auch nachdem der Neffe des Ermordeten Esslingen verlassen hatte, um ihr zu entgehen. Er kehrte später in die Stadt zurück und gestand erst kurz vor seinem Tod in der Beichte, dass er selbst seinen Onkel überfallen und ermordet hatte.[2]


Laut der Erzählung in der Stuttgarter Stadt-Glocke erinnerte ein Kreuz mit nicht mehr deutbarer Inschrift in der heutigen Stuttgarter Wagenburgstraße an die Ermordung Amandus Marchthalers. Das Sühnekreuz, inzwischen transloziert, gab es wirklich. Seine Errichtung hatte jedoch ganz andere, wenn auch unbekannte Gründe.[3]


2009 wurde die Sage vom Postmichel in Esslingen verfilmt.[4]



Heutiger Brunnen |




Bronzefigur und Stifterinschrift


Der heute in der Fischbrunnenstraße befindliche Brunnen wurde von Anna von Hecker, geborene Cuhorst[5], der Ehefrau des Oberstaatsanwaltes Robert von Hecker, gestiftet. Es handelt sich um einen Laufbrunnen mit einem runden Brunnentrog, der aus vier Segmenten aus Naturstein zusammengesetzt ist. Die Reliefs auf diesen Segmenten zeigen Szenen aus der Sage vom Postmichel. Die Brunnensäule aus Stein besitzt vier Auslassröhren und trägt die bronzene Figur des Postmichels, die Emil Kiemlen 1916 schuf. Sie ist mit der Jahreszahl 1915 bezeichnet. Der Brunnen wurde zunächst über die Landolin-Brunnenstube und später zusätzlich noch mit Wasser aus der Mayenwalter Quelle in Krummenacker gespeist.[6]




Entwurf und Aufstellung |


Die Stadt hatte nach der Stiftung Anna Heckers im Jahr 1912 einen begrenzten Wettbewerb unter vier Bildhauern ausgeschrieben, die insgesamt 13 Modelle einreichten. Das Thema für die Brunnenfigur war offenbar nicht vorgegeben. Im März 1914 entschied man sich für Kiemlens Vorschlag für den Postmichelbrunnen, der eigentlich am 31. März 1915 fertiggestellt sein sollte, aber infolge des Krieges erst im März 1916 aufgestellt werden konnte. Von Kiemlens Vorarbeiten für den Brunnen ist wahrscheinlich nur eine einzige Bleistiftzeichnung erhalten geblieben, offenbar der Ausführungsentwurf. Er befindet sich im Esslinger Stadtmuseum. In diesem Entwurf stand das Pferd anders ausgerichtet als auf dem heutigen Brunnen. Dies führte zu einem kuriosen Vorgang nach der Aufstellung des Brunnens: Die Arbeiter hielten sich offenbar an Kiemlens Entwurf und richteten die Brunnenfigur so aus, wie es darauf vorgesehen war. In den Augen der Bürger stand sie damit aber falsch herum; der Postmichel kehrte der Ritterstraße den Rücken zu. Aufgrund der allgemeinen Empörung wurde die Brunnenfigur gedreht, bevor die offizielle Einweihungsfeier stattfand. In seiner Rede wies Max von Mülberger darauf hin, wie dankbar man dafür sein könne, mitten im Krieg einen solchen Brunnen einweihen zu können, wohingegen der Esslinger Stadtarchivar Paul Eberhardt schon nach dem Entscheid von 1914 den trockenen Kommentar abgab, dass der selige Sagenfabrikant Munder sich sicher ins Fäustchen gelacht hätte, wenn er die Erschaffung und Aufstellung des neuen Esslinger Monumentalbrunnens noch erleben könnte.[7]



Vorgänger des Postmichelbrunnens |


Schon 1381 und 1409 wurde ein Brunnen mit dem Namen Kouffbrunnen (= Kaufbrunnen) am heutigen Standort des Postmichelbrunnens erwähnt. 1510 tauchte erstmals der Name Fischbrunnen auf – der Brunnentrog wurde offenbar als Fischkasten genutzt. Dieser Fischbrunnen wurde 1658 und 1744 erneuert und 1876 als Achtröhrenbrunnen nach Wäldenbronn versetzt. Am alten Brunnenstandort wurde 1878 ein neuer Fischbrunnen errichtet. Er besaß eine gusseiserne runde Brunnenschale mit einer zentral angebrachten Brunnensäule mit einem vasenartigen Aufsatz. An zwei Seiten dieses Aufsatzes waren Fischdarstellungen zu sehen, außerdem war der Aufsatz mit dem Wappenadler der Reichsstadt Esslingen sowie der Jahreszahl 1878 verziert. Dieser eiserne Fischbrunnen wurde 1916 in die Klara-Anlage versetzt und 1999 restauriert.[8]




Literatur |


  • Albert Baur, Brunnen. Quellen des Lebens und der Freude. Technik, Geschichte, Geschichten, Oldenbourg 1989, ISBN 978-3486264098, S. 33


Weblinks |



 Commons: Postmichelbrunnen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


Einzelnachweise |




  1. Laut Klaus Graf ist die Zuweisung zu Pfarrer Munder, die sich in der Literatur häufig findet, nicht sicher zu belegen.


  2. Die Postmichelsage, weitgehend korrekter Nachdruck des Originals von 1845


  3. Stuttgarter Sühnekreuze


  4. Verfilmung


  5. Staatsarchiv Ludwigsburg, FL 312/135 I Bü 745


  6. Andrea Steudle u. a., Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmale in Baden-Württemberg. Band 1.2.1. Stadt Esslingen am Neckar, Ostfildern 2009, ISBN 978-3-7995-0834-6, S. 113 f.


  7. Die 52 Objekte des Monats. März 2016: Der Postmichelbrunnen: Entwurfszeichnung von Emil Kiemlen, auf www.52x.esslingen.de


  8. Andrea Steudle u. a., Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmale in Baden-Württemberg. Band 1.2.1. Stadt Esslingen am Neckar, Ostfildern 2009, ISBN 978-3-7995-0834-6, S. 101


48.7417149.307656Koordinaten: 48° 44′ 30,2″ N, 9° 18′ 27,6″ O







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