Karl Deichgräber
Karl Marienus Deichgräber (* 10. Februar 1903 in Aurich; † 16. Dezember 1984 in Bovenden bei Göttingen) war ein deutscher Altphilologe und Medizinhistoriker.
Inhaltsverzeichnis
1 Leben
2 Schriften (Auswahl)
3 Literatur
4 Weblinks
5 Einzelnachweise
Leben |
Karl Deichgräber besuchte bis 1922 das Gymnasium Ulricianum in Aurich. Ab 1922 studierte er Klassische Philologie, aber auch andere Fächer in Göttingen, später in Berlin und Münster, wo Hermann Schöne ihn darauf verpflichtete, sich auf die Medizingeschichte zu konzentrieren. 1928 wurde er in Münster mit einer Arbeit über die griechische Ärzteschule der sogenannten Empiriker promoviert. Nach Berlin zurückgekehrt, habilitierte sich Deichgräber 1931 mit einer Untersuchung zum ersten und dritten Epidemienbuch des Hippokrates. 1935 erhielt er einen Ruf als Außerordentlicher Professor für Gräzistik nach Marburg; drei Jahre später wurde er eindeutig wegen seiner fachlichen Qualifikation Nachfolger von Max Pohlenz in Göttingen, aber auch weil, so der Rektor der Universität, "in weltanschaulicher Hinsicht nur Vorzügliches zu berichten" war.[1]
Von 1939 bis 1945 diente er dort auch als Dekan der Philosophischen Fakultät. Auswärtige Rufe nach Graz, Würzburg und Frankfurt lehnte er ab. 1938 trat er in die NSDAP ein.[2] Von 1938 bis 1945 war er ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.[3]
Am 25. Januar 1946 wurde Deichgräber aus seinem Amt entlassen, was er selbst zeitlebens als zutiefst ungerecht empfand[4]. Seine Rolle im Nationalsozialismus hat er nie hinterfragt. 1951 wurde er wie die meisten seiner Kollegen über das §131er Gesetz Professor zur Wiederverwendung. Gegen den Antrag des Senats der Universität Göttingen, ihn zu emeritieren, was ein geringeres Ruhegehalt mit sich gebracht hätte, legte er Widerspruch ein. Klage drohte er schließlich an, um seine Wiederverwendung auf dem Latte-Lehrstuhl zu erreichen. Er wurde 1957, nach der Emeritierung des von den Nationalsozialisten vertriebenen, aber nach Göttingen zurückgekehrten Kurt Latte, wieder in sein altes Amt als ordentlicher Professor der Klassischen Philologie eingesetzt.[5]
Er lehrte danach in Göttingen bis zu seiner Emeritierung im April 1968. Sein Nachfolger wurde Klaus Nickau.
Karl Deichgräber war der Bruder des Architekten Ludwig Deichgräber. Er war seit 1934 verheiratet mit Ilse Deichgräber (geb. Lammers). Die Eheleute hatten einen Sohn Reinhard und die Töchter Almut und Gisela.
Schriften (Auswahl) |
Die griechische Empirikerschule: Sammlung der Fragmente und Darstellung der Lehre. Berlin 1930 (Diss. Münster 1928; erw. Nachdr. Berlin 1965).
Die Epidemien und das Corpus Hippocraticum: Voruntersuchungen zu einer Geschichte der koischen Ärzteschule. Berlin 1933 (erw. Nachdr. Berlin 1971).
Hippokrates über Entstehung und Aufbau des menschlichen Körpers (Peri sarkon). In Gemeinschaft mit den Mitgliedern des philologischen Proseminars Berlin. Mit einem sprachwissenschaftlichen Beitrag von Eduard Schwyzer. Leipzig 1935.
Die Lykurgie des Aischylos: Versuch einer Wiederherstellung der Dionysischen Tetralogie. Göttingen 1939 (Nachr. d. Gesellsch. d. Wiss. zu Göttingen. Philol.-histor. Kl. Fachgruppe 1, Altertumswissenschaft. Neue Folge, Bd. 3, Nr. 6).
Die Perser des Aischylos. Göttingen 1941 (Nachr. d. Akad. d. Wiss. in Göttingen. Philol.-histor. Kl., Jahrg. 1941, Nr. 8).
Eleusinische Frömmigkeit und homerische Vorstellungswelt im homerischen Demeterhymnus. Mainz 1950 (Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1950, Nr. 6).
Professio medici: zum Vorwort des Scribonius Largus. Mainz 1950 (Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1950, Nr. 9).
Aus Victor Hehn Nachlaß. (Abh. d. Akad. d. Wiss. u. Lit. in Mainz, Jg. 1951, Nr. 9)
Der listensinnende Trug des Gottes: vier Themen des griechischen Denkens. Göttingen 1952.
Natura varie ludens: ein Nachtrag zum griechischen Naturbegriff. Mainz 1954 (Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1954, Nr. 3).
Der hippokratische Eid. Stuttgart 1955 (4., erw. Aufl. 1983).
Parabasenverse aus Thesmophoriazusen II des Aristophanes bei Galen. Berlin 1956 (Sitzungsber. d. Dt. Akad. d. Wiss. zu Berlin. Kl. für Sprachen, Literatur u. Kunst, Jahrg. 1956, Nr. 2).
Galen als Erforscher des menschlichen Pulses: ein Beitrag zur Selbstdarstellung des Wissenschaftlers (De dignotione pulsuum I 1). Berlin 1957 (Sitzungsber. d. Dt. Akad. d. Wiss. zu Berlin. Kl. für Sprachen, Literatur u. Kunst, Jahrg. 1956, Nr. 3).
Parmenides' Auffahrt zur Göttin des Rechts: Untersuchungen zum Prooimion seines Lehrgedichts. Mainz 1958 (Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1958, Nr. 11).- (mit Fridolf Kudlien und Franz Pfaff) Galens Kommentare zu den Epidemien des Hippokrates. Berlin 1960.
Rhythmische Elemente im Logos des Heraklit. Mainz 1963 (Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1962, Nr. 9).- Die Musen, Nereiden und Okeaninen in Hesiods Theogonie. Mit einem Nachtrag zu Natura varie ludens. Mainz 1965 (Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1965, Nr. 4).
Medicus gratiosus. Untersuchungen zu einem griechischen Arztbild, mit dem Anhang Testamentum Hippocratis und Rhazes' De indulgentia medici. Mainz 1970 (= Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1970, Nr. 3, S. 65–70).
Charis und Chariten, Grazie und Grazien. München 1971.
Aretaeus von Kappadozien als medizinischer Schriftsteller. Berlin 1971.
Der letzte Gesang der Ilias. Mainz 1972 (Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1972, Nr. 5).
Hippokrates' De humoribus in der Geschichte der griechischen Medizin. Mainz 1972 (Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1972, Nr. 14).
Pseudhippokrates' Über die Nahrung: Text, Kommentar und Würdigung einer stoisch-heraklitisierenden Schrift aus der Zeit um Christi Geburt. Mainz 1973 (Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1973, Nr. 3).
Die Persertetralogie des Aischylos: mit einem Anhang, Aischylos' Glaukos Pontios u. Leon, Mainz 1974 (Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1974, Nr. 4).
Die Patienten des Hippokrates: historisch-prosopographische Beiträge zu den Epidemien des Corpus Hippocraticum. Mainz 1982 (Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1982, Nr. 9).
Das Ganze-Eine des Parmenides: fünf Interpretationen zu seinem Lehrgedicht. Mainz 1983 (Abh. der Akad. d. Wiss. & Lit. Geistes- und Sozialwiss. Kl., Jahrg. 1983, Nr. 7).
Literatur |
- Inge Auerbach: Catalogus professorum academiae Marburgensis. Zweiter Band: 1910 bis 1971. Marburg 1979, S. 484
Hans Gärtner: Nachruf auf Karl Deichgräber. In: Gnomon. Band 58 (1986), S. 475–480.
Wilt Aden Schröder: Deichgräber, Karl Marienus. In: Biographisches Lexikon für Ostfriesland
- Anikó Szabó: Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung. Göttinger Hochschullehrer im Schatten des Nationalsozialismus, mit einer biographischen Dokumentation der entlassenen und verfolgten Hochschullehrer: Universität Göttingen – TH Braunschweig – TH Hannover – Tierärztliche Hochschule Hannover. Wallstein, Göttingen 2000, ISBN 978-3-89244-381-0 (= Veröffentlichungen des Arbeitskreises Geschichte des Landes Niedersachsen (nach 1945), Band 15, zugleich Dissertation an der Uni Hannover 1998)
- Cornelia Wegeler: „… wir sagen ab der internationalen Gelehrtenrepublik“. Altertumswissenschaft und Nationalsozialismus. Das Göttinger Institut für Altertumskunde 1921–1962. Böhlau, Wien 1996, ISBN 3-205-05212-9, S. 254, 270f.
Weblinks |
Literatur von und über Karl Deichgräber im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Wilt Aden Schröder: Biogramm zu Karl Deichgräber in der Gelehrtengeschichtlichen Prosopographie des Teuchos-Zentrums
- Wilt Aden Schröder: Ausführliche Vita Deichgräbers im Biographischen Lexikon für Ostfriesland
Einzelnachweise |
↑ Wegeler, "...wir sagen ab der internationalen Gelehrtenrepublik", S. 254
↑ Vgl. Anikó Szabó, Göttingen 2000, S. 116.
↑ Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 66.
↑ Schröder, Art. Deichgräber
↑ Wegeler, "...wir sagen ab der internationalen Gelehrtenrepublik, S. 270 f.
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Personendaten | |
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NAME | Deichgräber, Karl |
ALTERNATIVNAMEN | Deichgräber, Karl Marienus |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher klassischer Philologe |
GEBURTSDATUM | 10. Februar 1903 |
GEBURTSORT | Aurich |
STERBEDATUM | 16. Dezember 1984 |
STERBEORT | Bovenden bei Göttingen |