Wilhelm-Ernst-Gymnasium Weimar
Das Wilhelm-Ernst-Gymnasium am Herderplatz 14 in Weimar wurde 1712 von Herzog Wilhelm Ernst gegründet und ist das älteste Schulgebäude der Stadt. Hier gaben u. a. die Schriftsteller Johann Gottfried Herder, Johann Heinrich Voß, Friedrich Wilhelm Riemer und Johann Karl August Musäus Schulunterricht. Das alte Gymnasium ist als Einzeldenkmal ausgewiesen und eines der wenigen erhaltenen profanen Bauwerke vorklassischer Zeit in Weimar. Es liegt an städtebaulich exponierter Lage in der Altstadt und ist als eine von drei Weimarer Herderstätten Teil des Ensembles „Klassisches Weimar“, das 1998 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde.
Inhaltsverzeichnis
1 Geschichte
2 Bauwerk
3 Herderbrunnen
4 Heutige Nutzung
5 Direktoren
6 Professoren
7 Schüler und Absolventen
8 Siehe auch
9 Literatur
10 Weblinks
Geschichte |
Das Wilhelm-Ernst-Gymnasium wurde im Jahr 1712 auf Geheiß von Herzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar anstelle der alten Stadt- und Landschule von 1561 als neue herzogliche Schulanstalt für Begabte unter dem Namen „Wilhelminum Ernestinum“ gegründet. Als Lehrer wirkten hier unter anderem Johann Heinrich Voß, Friedrich Wilhelm Riemer und Johann Karl August Musäus. Nach mehreren Jahren der Schulnutzung übernahm 1776 der nach Weimar berufene Generalsuperintendent Johann Gottfried Herder die Direktorenschaft des Gymnasiums und erhielt als Ephorus zugleich die Oberaufsicht über alle Schulen des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach. Ab 1784 überließ der Großherzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach den Festsaal der reformierten Gemeinde zum Gottesdienst. Um 1800 erhielt die Schule eine bis dahin lang entbehrte Schulbibliothek (Teilbestände davon gelangten um 1950 in das Stadtarchiv Weimar). Im 19. Jahrhundert diente der Bau weiterhin als humanistisches Gymnasium. Steigende Schülerzahlen führten am 10. Oktober 1887 zum Umzug in einen größeren Schulneubau in der Weimarer Amalienstraße 4 (seit September 1991 Goethegymnasium Weimar). Das alte Gebäude am Herderplatz diente ab 1910 als Großherzoglich-Sächsische Baugewerkenschule. Das Wilhelm-Ernst-Gymnasium wurde nur bis 1945 als solches bezeichnet. In der DDR wurde in dem ehemaligen Gymnasium 1953 ein Museum für Naturkunde eingerichtet. Außerdem nahm der Bau das „Polytechnische Zentrum“ der Weimarer Schulen mit Lehrklassen und Produktionsräumen auf.
Bauwerk |
Das Schulgebäude im Barockstil, das bis heute die Inschrift „Soli deo gloria“ trägt (lateinisch für „Einzig Gott zur Ehre“), wurde in den Jahren 1712 bis 1716 direkt neben der Stadtkirche St. Peter und Paul errichtet und nach seiner Fertigstellung von Landbaumeister Christian II Richter eingeweiht. Es handelt sich um einen dreigeschossigen Bau mit hohem, ausgebautem Mansarddach und Dachhäuschen. Die Fassade wird durch einen dreiachsigen Mittelrisalit betont, der von einem zweigeschossigen Zwerchhaus bekrönt wird. Vor der Fassade erstreckt sich eine ausladende, zweiläufige Freitreppe, die den gesamten Vorplatz beherrscht.
An der Nordseite ist risalitartig ein Treppenhaus angebaut, durch das die Geschosse erschlossen werden. Die ursprünglich vermutlich steinerne Treppenanlage wurden 1860 durch eine Holztreppe ersetzt. 1976 wurde das einst großzügige Foyer, das das Erdgeschoss mit dem Obergeschoss verband, zugunsten eines weiteren Klassenraumes geschlossen und ein massiver Treppenhauskern als Stahlkonstruktion mit Betonblockstufen eingebaut. Das Gebäude verfügt im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss über sechs große Klassenräume und einen Saal, dessen Stuckdecke noch weitgehend erhalten ist. Im zweiten Ober- und im Dachgeschoss waren einst die Lehrerwohnungen untergebracht. Von den originalen Türen und Fenstern sind noch einige wenige zweiflügelige Türen und Fenster erhalten, der Rest wurde in späterer Zeit ausgetauscht. Zu DDR-Zeiten brachte man im Eingangsbereich ein politisch geprägtes Wandbild aus bemalten Fliesen an.
Herderbrunnen |
Vor der steinernen Freitreppe des Wilhelm-Ernst-Gymnasiums, Richtung Herderplatz, steht seit 1832 ein achteckiger, gusseiserner Brunnen nach dem Entwurf des Architekten und Oberbaudirektors Clemens Wenzeslaus Coudray, der dem Standort angemessen den Namen „Herderbrunnen“ erhielt. Gegossen wurde er vermutlich in Lauchhammer. Sein Erscheinungsbild ähnelt dem ersten gusseisernen Brunnen in Weimar, dem „Goethebrunnen“, der 1822 auf dem Frauenplan aufgestellt wurde (siehe: Brunnen in Weimar). Auch hier ist der Einlauf in den Brunnen über einem Obelisken mit einem bekrönenden Krater zu sehen. Der Wasserspeier hat die Form einer Teufelsfratze. Eine stilisierte Schlange ziert eine der Platten des Brunnens in deren Mitte. Die Plattenränder dagegen säumt jeweils ein fortlaufendes Mäanderband. Der Sockel, die Absatzsteine sowie die Hundetränke sind im Kontrast zum gusseisernen Becken aus Travertin gefertigt.
Heutige Nutzung |
Die Räumlichkeiten des heute auch unter dem Namen „Altes Gymnasium Weimar“ geführten Gebäudes wurde nach 1990 durch das nicht kommerzielle Lokalradio „Lotte“ (bis ins Jahr 2008) sowie durch die benachbarte Volkshochschule Weimar genutzt, letztere gebraucht diese bis heute. Das UNESCO-Ensemble „Klassisches Weimar“ aus dem ehemaligen Gymnasium, dem Herderhaus und der Stadtkirche St. Peter und Paul, bekannt als „Herderkirche“, wird derzeit mit 5,4 Millionen Euro aus dem „Investitionsprogramm Nationale UNESCO Welterbestätten“ der Bundesregierung restauriert. Für die anschließende Nutzung wurde noch keine Einigung erzielt. Im Januar 2010 wurde vom Freundeskreis des Goethe-Nationalmuseums die Idee angeregt, in dem ehemaligen Schulgebäude ein „Herder-Museum“ einzurichten, um an das Wirken des Dichters, Übersetzers, Philosophen und Theologen am Ort seiner früheren Wirkungsstätte zu erinnern.
Direktoren |
Leitende Direktoren und Konrektoren des Gymnasiums (geordnet nach Amtszeit):
Johann Matthias Gesner (1691–1761), klassischer Philologe und Bibliothekar – Konrektor von 1715 bis 1729
Jakob Carpov (1699–1768), Philosoph, Theologe und Mathematiker, Rektor ab 1737, Direktor von 1745 bis 1768
Johann Michael Heinze (1717–1790), Philologe, Rektor
Johann Friedrich Hirt (1719–1783), evangelischer Theologe, Orientalist, Philosoph – Konrektor von 1748 bis 1758
Johann Gottfried Herder (1744–1803), Dichter, Übersetzer, Theologe, Philosoph, etc. – Direktor von 1776 bis 1791
Karl August Böttiger (1760–1835), Philologe, archäologischer Schriftsteller – Direktor von 1791 bis 1806
August Gotthilf Gernhard (1771–1845), Philologe – Direktor von 1819 bis 1845
Johann Friedrich Röhr (1777–1848), Theologe, Schriftsteller, Goethes Grabredner – Ephorus ab 1820
Hermann Sauppe (1809–1893), klassischer Philologe, Pädagoge und Epigraphiker – Direktor von 1845 bis 1856
Gustav Weiland, Direktor von 1856 bis 1860
Hermann Rassow (1819–1907), Gräzist und Aristotelesforscher – Direktor von 1860 bis 1881
Hugo Ilberg (1828–1883), angesehener Gymnasialpädagoge – Konrektor von 1861 bis 1862
Ludwig Weniger (1841–1926), Direktor von 1881 bis 1908
Paul Koetschau (1857–1939), Direktor von 1908 bis 1923
Carl Theil (1886–1945), Direktor von 1923 bis 1924
Emil Herfurth (1877–1951), Direktor von 1932 bis 1945, Politiker (DNVP, NSDAP)
Professoren |
Bekannte Lehrer und Professoren des Gymnasiums (geordnet nach Lehrzeit):
Johann Karl August Musäus (1735–1787), Schriftsteller, Philologe, Märchensammler – ab 1769 Professor für alte Sprachen und Geschichte
Johann Traugott Leberecht Danz (1769–1851), Kirchenhistoriker und Theologe – bis 1798 Lehrer
Heinrich Voß (1779–1822), Klassischer Philologe – von 1804 bis 1806 Professor für Latein und Griechisch
Franz Passow (1786–1833), Klassischer Philologe – von 1807 bis 1810 Professor für Griechisch
Ferdinand Gotthelf Hand (1786–1851), Klassischer Philologe – ab 1810 Professor für Philosophie und griechische Literatur
Johannes Schulze (1786–1869), preußischer Theologe, Philologe, Pädagoge und Kulturbeamter – von 1808 bis 1812 Professor
Friedrich Wilhelm Riemer (1774–1845), Philologe, Schriftsteller, Bibliothekar, Goethes Sekretär – von 1812 bis 1821 Professor
Heinrich Graefe (1802–1868), Pädagoge – geistlicher Lehrer des Gymnasiums
Christian Gottlob Tröbst (1811–1888), Theologe, Philosoph und Mathematiker – ab 1847 Professor
Otto Apelt (1845–1932), Klassischer Philologe und Übersetzer – von 1869 bis 1898 Oberlehrer bzw. Professor
Rudolf Menge (1845–1912), Klassischer Philologe und Lehrer – von 1867 bis 1876 Lehrer des Gymnasiums
Schüler und Absolventen |
Bekannte Schüler und Absolventen des Gymnasiums (geordnet nach Geburtsjahr):
August Wilhelm Hupel (1737–1819), deutschbaltischer Pastor, Literat
Friedrich Justin Bertuch (1747–1822), Verleger und Mäzen
Johann Gottlob Bernstein (1747–1835), Arzt, Medizinprofessor
Johann Gottfried Hasse (1759–1806), Theologe und Orientalist
August von Kotzebue (1761–1819), Dramatiker und Schriftsteller, russischer Generalkonsul – Abitur 1777
Christian August Vulpius (1762–1827), Schriftsteller, Bibliothekar, Goethes Schwager
Johann Christoph Gottlob Weise, deutscher Botaniker und Autor
Carl Leberecht Schwabe (1778–1851), Bürgermeister der Stadt Weimar, Sachsen-Weimarischer Hofrat
Gottlob König (1779–1849), Forstwissenschaftler – Schüler von 1790 bis 1794
Karl Benedikt Hase (Karl Benedikt Hase) (1780–1864), Gräzist, Paläograph, Professor und Bibliothekar
Wilhelm Martin Leberecht de Wette (1780–1849), Theologe
Hieronymus Müller (1785–1861), Philologe und Übersetzer
Johann Gottlob Töpfer (1791–1870), Organist und Komponist – Schüler von 1804 bis 1808
Karl Wilhelm Göttling (1793–1869), klassischer Philologe
Emil Huschke (1797–1858), Anatom, Zoologe und Embryologe – Schüler ab 1811
Johann Christian Lobe (1797–1881), Komponist und Musiktheoretiker – Schüler von 1804 bis 1811
Friedrich Bernhard Vermehren (1802–1871), Oberappellationsgerichtsrat in Jena
Ernst Eduard Ludwig Wedel (1804–1877), großherzoglich-sächsischer Leibarzt und praktischer Arzt in Jena – Schüler ab 1817
Heinrich Aemilius August Danz (1806–1881), Rechtsgelehrter – Schüler ab 1820
Carl Zeiß (1816–1888), Mechaniker und Unternehmer (Optik) – Schüler bis 1832
Karl Eckermann (1834–1891), Landschaftsmaler
Alfred Götze (1865–1948), Prähistoriker, Museumsleiter – Schüler von 1875 bis 1886
Hermann Jöck (1873–1925), Mitglied des Landtages des Freistaates Sachsen-Weimar-Eisenach
Hans Wahl (1885–1949), Goetheforscher, Museums- und Archivdirektor – Schüler ab 1894
Georg Haar (1887–1945), Stifter und Notar – Schüler von 1897 bis 1906
Felix Raabe (1900–1996), Dirigent und Musikwissenschaftler – Abitur 1919
Othmar Jauernig (1927–2014), Rechtswissenschaftler
Siehe auch |
- Liste der ältesten Schulen im deutschen Sprachraum
- Liste altsprachlicher Gymnasien
- Liste der Gymnasien in Thüringen
Literatur |
- Walter, Karl: Herders Typus lectionum für das Wilhelm-Ernst Gymnasium in Weimar. Hof-Buchdruckerei, 1905.
- Walter, Karl: Herder und Heinze: aus der Geschichte des weimarischen Gymnasiums. B.G. Teubner, Leipzig 1908.
- Francke, Otto: Geschichte des Wilhelm-Ernst-Gymnasiums in Weimar. H. Böhlau, Weimar 1916.
- Dempe, Hellmuth: Das Wilhelm-Ernst-Gymnasium in Weimar um 1820 und sein Ephorus Johann Friedrich Röhr. Dietrich Pfaehler, Bad Neustadt 1982.
Weblinks |
Commons: Wilhelm-Ernst-Gymnasium Weimar – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Infos zur Geschichte der Schule auf der Website des Goethe-Gymnasiums Weimar
- Website „Investitionsprogramm Nationale UNESCO Welterbestätten“ zur Sanierung des Gymnasiums
- Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz über das Wilhelm-Ernst-Gymnasium
- Pressemeldung „Wo Herder lehrte“ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz vom 16. Okt. 2006
- Website des sanierenden Architekturbüros des Alten Gymnasiums
- Foto der Südansicht des Gymnasiums im Wissenschaftlichen Bildarchiv
- Artikel „Weimar soll bis 2017 ein Herder-Museum erhalten“ im FOCUS vom 31. Jan. 2010
- Artikel „Erste Schritte zur Entstehung eines Herder-Zentrums in Weimar“ im Magazin AugenBlick vom 15. April 2010 (PDF)
- Artikel „Kein Museum im Wilhelm-Ernst-Gymnasium“ in der Thüringer Landeszeitung vom 19. Mai 2010
50.98139111.329769Koordinaten: 50° 58′ 53″ N, 11° 19′ 47,2″ O