Wohlstandsindikator
Ein Wohlstandsindikator ist ein Maß für den Wohlstand eines Landes oder Gebietes.
Welche Maßstäbe geeignet sind, um den Wohlstand eines Landes, Volkes oder Gebietes zu ermessen, ist umstritten.
Inhaltsverzeichnis
1 Wohlstandsindikatoren
1.1 Bruttoinlandsprodukt
1.2 Bruttonationaleinkommen
1.3 Pro-Kopf-Einkommen
1.4 Wohlfahrtsfunktion
1.5 Index der menschlichen Entwicklung
1.6 Index des nachhaltigen wirtschaftlichen Wohlstands
1.7 Weitere Wohlstandsindikatoren
2 Siehe auch
3 Einzelnachweise
Wohlstandsindikatoren |
Bruttoinlandsprodukt |
Sehr häufig wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bzw. dessen Wachstum als Maßstab verwendet, um den Wohlstand verschiedener Länder und Gebiete zu vergleichen. Das BIP erfasst den Gesamtwert aller Güter, Waren und Dienstleistungen, welche innerhalb der Grenzen einer Volkswirtschaft in einem Jahr fertiggestellt wurden.
Die Verwendung des BIP als Wohlstandsindikator zieht aus verschiedenen Gründen Kritik auf sich. Oft wird kritisiert, dass das BIP nicht unterscheidet, ob Geld für Sinnvolles oder Sinnloses ausgegeben wird. So können Ausbeutung der Umwelt, verschwenderischer Umgang mit Geld und natürlichen Ressourcen, zahlreiche Unfälle etc. das BIP erhöhen und damit in der Statistik als vermeintliche Steigerung des Wohlstands erscheinen.
Darüber hinaus werden Schattenwirtschaft / Schwarzarbeit, Subsistenzwirtschaft, Tauschhandel etc. vom BIP meist nicht erfasst. Gerade in Entwicklungsländern können diese aber einen substanziellen Teil der Wirtschaft ausmachen und für eine große Zahl der Armen die Lebensgrundlage darstellen.
Bruttonationaleinkommen |
Das Bruttonationaleinkommen (auch Bruttosozialprodukt, BSP) bezeichnet das gesamte Einkommen, das von der Bevölkerung eines Landes oder Gebietes in einem bestimmten Zeitraum erzielt wurde.[1] Das BSP sagt jedoch nichts über die bisweilen in der Realität sehr ungleiche Vermögensverteilung oder Einkommensverteilung in einer Gesellschaft aus.
Die Verwendung des Bruttonationaleinkommens als Wohlstandsindikator ist aus mehreren Gründen problematisch und unrealistisch. Im Sozialprodukt werden nur die Produktionen erfasst, die über die Märkte laufen, also marktgerichtet sind. Nichtmarktgerichtete Produktionen werden bis auf einige Ausnahmen, die betragsmäßig unbedeutend sind, nicht im Sozialprodukt erfasst, obwohl sie die Wohlfahrt berühren. Es handelt sich hierbei insbesondere um die privaten Haushalte mit z. B. Hausarbeit, Kindererziehung und Heimwerkerarbeiten. Das Sozialprodukt wird zu hoch ausgewiesen, denn bei der Produktion sind mehr Güter beteiligt, als bei der Sozialproduktbemessung berücksichtigt werden (z. B. Inanspruchnahme der Umwelt). Die vom Staat produzierten Dienstleistungen werden nicht als Vorleistung erfasst, sondern als Staatsverbrauch behandelt. Dies führt ebenfalls zu einem zu hoch ausgewiesen Bruttonationaleinkommen. Streng genommen, müssten diese Leistungen als Vorleistung berücksichtigt werden, da durch sie erst die Produktion der Unternehmer ermöglicht wird.
Pro-Kopf-Einkommen |
Ein weiterer als Wohlstandsindikator verwendeter Wert ist das Pro-Kopf-Einkommen. Dieses ergibt sich aus dem Volkseinkommen dividiert durch die Bevölkerungszahl und gibt das Einkommen wieder, das eine einzelne Person durchschnittlich in einem bestimmten Zeitraum erzielt.
Auch das Pro-Kopf-Einkommen ist nur beschränkt geeignet, um den Wohlstand zu erfassen. So müssen für internationale Vergleiche die Pro-Kopf-Einkommen in eine einheitliche Währung umgerechnet werden, wofür oft der US-Dollar verwendet wird. Hierbei wird jedoch die unterschiedliche Kaufkraft verschiedener Währungen ungenügend berücksichtigt. Diesem Mangel versucht man durch die Umrechnung in Kaufkraftparitäten abzuhelfen.
Weitere Schwächen des Pro-Kopf-Einkommens entsprechen denjenigen des BSP.
Wohlfahrtsfunktion |
Existieren zum Bruttoinlandsprodukt, zum Bruttonationaleinkommen oder zum Volkseinkommen Ungleichverteilungsmaße, so kann man daraus Gleichverteilungsmaße ableiten. Ein Gleichverteilungsmaß ist 1 (oder 100 %) abzüglich des Ungleichverteilungsmaßes. Multipliziert man das Bruttoinlandsprodukt, das Bruttonationaleinkommen oder das Volkseinkommen mit einem solchen Gleichverteilungsmaß, dann ergibt sich eine Wohlfahrtsfunktion, wie sie Amartya Sen und James E. Foster in On Economic Inequality beschrieben. Daraus lässt sich wiederum eine Pro-Kopf-Wohlfahrtsfunktion ermitteln, die als Alternative zum Median verwendet werden kann.
Index der menschlichen Entwicklung |
Der Index der menschlichen Entwicklung (Abkürzung HDI von englisch Human Development Index) stellt den Versuch dar, den Wohlstand eines Landes oder Gebietes anhand umfassenderer Kriterien zu bemessen. So werden neben dem BIP pro Kopf, ausgedrückt in Kaufkraftparität, auch die Lebenserwartung und der Bildungsgrad berücksichtigt.
Index des nachhaltigen wirtschaftlichen Wohlstands |
Der Index des nachhaltigen wirtschaftlichen Wohlstands (Abkürzung ISEW von englisch Index of Sustainable Economic Welfare) berücksichtigt über das BIP hinaus Faktoren wie Einkommensverteilung, unbezahlte Hausarbeit, öffentliche Ausgaben für das Gesundheitswesen, Bildung, Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch und Kosten des Klimawandels. Der ISEW wurde zum Genuine Progress Indicator (GPI) weiterentwickelt.
Weitere Wohlstandsindikatoren |
- Der Theil-Index (ein Entropiemaß), der Gini-Koeffizient (eine Auswertung der Lorenz-Kurve) und die Hoover-Ungleichverteilung sind Maße für die Ungleichheit der Einkommensverteilung und Vermögensverteilung.
- Ausgehend vom Engelschen Gesetz – welches besagt, dass mit steigendem Einkommen der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel sinkt – gibt der Engel-Koeffizient den Anteil des Einkommens an, der für die Ernährung ausgegeben wird. Ein niedriger Engel-Koeffizient (geringer Anteil der Lebensmittelausgaben) weist demnach auf hohen Wohlstand hin. Dieser Wohlstandsindikator hat den Vorteil, dass er das lokale Preisniveau berücksichtigt.
- Der Economic Diversification Index misst die wirtschaftliche Stärke eines Landes anhand des Anteils der Industrie am BIP, der Zahl der Erwerbstätigen in der Industrie, des Stromverbrauchs pro Kopf und der Exportorientierung der Wirtschaft.
- Der Big-Mac-Index gibt an, wie lange man in einem Land oder in einer Stadt durchschnittlich arbeiten muss, um einen Big Mac kaufen zu können.
- Insbesondere für Entwicklungsländer wird auch die zur Verfügung stehende Nahrungsenergie pro Kopf als Wohlstandsindikator angewendet.
- Der Genuine Progress Indicator verbindet das BIP-Wachstum mit Umweltfaktoren und sozialen Ungleichheiten. Er ist für zahlreiche Industrieländer in den vergangenen Jahrzehnten negativ.
Happy Planet Index (HPI), ein Maß für die ökologische Effizienz der Erzeugung von Zufriedenheit unter Einbeziehung von Lebenszufriedenheit, Lebenserwartung und ökologischem Fußabdruck
- Der französische Präsident Nicolas Sarkozy setzte im Januar 2008 die Kommission Stiglitz ein, um bis 2009 innovative Messkriterien für Wachstum und Wohlergehen zu benennen. Dabei wirken neben den beiden Nobelpreisträgern Joseph Stiglitz und Amartya Sen weitere internationale Experten mit, darunter der Deutsche Heiner Flassbeck.[2][3]
- Die Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft des 17. Deutschen Bundestages hat sich am 17. Januar 2011 konstituiert. Die Kommission schlägt einen aus zehn Variablen bestehenden Indikatorensatz namens W3-Indikatoren vor, der neben „Materiellem Wohlstand“ auch die Dimensionen „Soziales/Teilhabe“ und „Ökologie“ berücksichtigt. Am 6. Juni 2013 hat der Bundestag den Bericht debattiert.[4]
Siehe auch |
- Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt
- Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
- Liste der Länder nach Einkommensverteilung
Einzelnachweise |
↑ BNE-Verordnung der EG (Memento des Originals vom 13. November 2010 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.destatis.de veröffentlicht vom Statistischen Bundesamt, Stand 16. November 2005
↑ Sarkozy sucht das Glück NZZ-online, 12. Januar 2008
↑ Véronique Le Billon: La commission Stiglitz sera très internationale Les echoes.fr, 20. Februar 2008
↑ Schlussbericht der Enquete-Kommission, Bundestags-Drucksache 17/13300 (PDF, 21,1 MB)