Erwählter Bischof
Als erwählte Bischöfe bzw. erwählte Erzbischöfe wurden nach der Reformation im 16. Jahrhundert in den evangelisch gewordenen reichsunmittelbaren geistlichen Fürstentümern im Heiligen Römischen Reich die an Stelle der bisherigen katholischen Fürstbischöfe von den Domkapiteln bzw. Stiftskapiteln gewählten und eingesetzten Kirchenfürsten bezeichnet, weil sie selbstverständlich keine päpstliche Approbation erlangen konnten.
Wie ihre katholischen Vorgänger übten sie einerseits landesherrlich-weltliche Funktionen aus und zum anderen geistliche Bischofsfunktionen. Letztere gingen jedoch mitunter auf die jeweiligen Kapitel über.
Wenn die Kapitulare eines Stiftskapitels mehrheitlich Protestanten waren, wählte das Kapitel nach dem Tode des bisherigen Bischofs nach denselben Regeln wie bei früheren Bischofswahlen nun einen evangelischen.
Auf die Wahl wurde in evangelischen, wie auch seit jeher in katholischen Bistümern häufig durch weltliche Fürsten Druck ausgeübt, die darin eine Möglichkeit sahen, für ihre (manchmal noch nicht erwachsenen) Söhne Versorgungsposten zu schaffen. Schon vor der Reformation war es üblich gewesen, zweite und dritte Söhne regierender Fürsten auf ein geistliches Amt vorzubereiten, um das eigene Territorium nicht durch Erbteilung zu zersplittern. Mit dieser Platzierung von nahen Verwandten war auch das Streben nach vergrößertem Einfluss der eigenen Dynastie im Stiftsgebiet verbunden. Manchmal fand eine Bischofswahl bereits zu Lebzeiten des Vorgängers statt, sodass der Nachfolger zunächst die Stellung eines Koadjutors einnahm. Die Bischöfe aus dem Hochadel waren nicht grundsätzlich inkompetent, unter den evangelischen waren aber mehr Juristen als Theologen.
Wenn sie noch weitere Bischofssitze innehatten, waren evangelische wie katholische Bischöfe in ihren Zweitbistümern als Administratoren zu titulieren.
Die in diversen Lexika zu lesende Information, protestantische Kirchenfürsten seien grundsätzlich als Administrator (wörtlich Verwalter) bezeichnet worden,[1] widerspricht der historisch dokumentierten Praxis.[2]
Der Übergang der fürstlichen Gewalt von katholischen Bischöfen zu protestantischen wurde erst im Westfälischen Frieden im Jahre 1648 vom Kaiser des Heiligen Römischen Reiches anerkannt, so dass die erwählten Bischöfe der betreffenden Erz- und Hochstifte ihre eigentlich zustehenden Stimmen im Reichsfürstenkollegium des Reichstages nicht wahrnehmen konnten. Jedoch sah der Friedensschluss ebenfalls vor, dass die meisten protestantischen geistlichen Fürstentümer säkularisiert und den Herrschaftsbereichen benachbarter Fürsten angeschlossen wurden. Die übernahmen dann die Reichs- bzw. Kurfürstenrechte der nun erloschenen Bistümer.
Fürstentümer |
Es gab folgende protestantische geistliche Fürstentümer:
Hochstift Brandenburg, 1571 zu Brandenburg
Erzstift Bremen, 1648 weltliches Herzogtum Bremen unter schwedischer Herrschaft, siehe unter Bremen-Verden
Hochstift Cammin, 1556 zu Pommern
Hochstift Halberstadt 1648 weltliches Fürstentum Halberstadt unter brandenburgischer Herrschaft
Hochstift Havelberg, 1571 zu Brandenburg
Hochstift Lübeck, 1803 weltliches Fürstentum Lübeck unter oldenburgischer Herrschaft
Erzstift Magdeburg, 1680 weltliches Herzogtum Magdeburg unter brandenburgischer Herrschaft
Hochstift Merseburg, 1565 zu Sachsen
Hochstift Minden, 1648 weltliches Fürstentum Minden unter brandenburgischer Herrschaft
Hochstift Naumburg, 1562 zu Sachsen, ab 1657 Sekundogenitur Sachsen-Zeitz, 1718 mit dem Aussterben der Linie zurück an die Albertiner
Hochstift Osnabrück, abwechselnd katholische und protestantische Bischöfe, 1803 zu Hannover
Hochstift Ratzeburg, 1648 weltliches Fürstentum Ratzeburg, unter mecklenburgischer Herrschaft
Hochstift Schwerin, 1648 weltliches Fürstentum Schwerin, unter mecklenburgischer Herrschaft
Hochstift Verden, 1648 weltliches Fürstentum Verden unter schwedischer Herrschaft, siehe unter Bremen-Verden
Anmerkungen |
↑ Administrator postulatus. In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 1, Leipzig 1732, Spalte 530.
↑ Eike Wolgast: Hochstift und Reformation. Studien zur Geschichte der Reichskirche zwischen 1517 und 1648, Stuttgart 1995