Friedrich Goll








Friedrich Goll (* 28. Oktober 1839 in Bissingen an der Teck; † 2. März 1911 in Luzern) war einer der bedeutendsten Orgelbauer der zweiten Hälfte des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts in der Schweiz.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Leben


    • 1.1 Lehr- und Wanderjahre


    • 1.2 Eigene Firma




  • 2 Weitere Entwicklung des Unternehmens


  • 3 Werk


    • 3.1 Bauweise


    • 3.2 Erhaltener Bestand




  • 4 Werke (Auswahl)


    • 4.1 Werke Friedrich Golls und seiner Söhne


    • 4.2 Werke des Unternehmens Orgelbau Goll




  • 5 Literatur


  • 6 Weblinks


  • 7 Einzelnachweise





Leben |



Lehr- und Wanderjahre |


Friedrich Goll lernte das Orgelbauerhandwerk 1854 bis 1858 bei seinem Bruder Christoph Ludwig Goll (1824–1897) in Kirchheim unter Teck. Danach arbeitete er kurze Zeit bei Jakob Forell (1821 bis 1893) in Freiburg i. Br. und wechselte 1863 zu Friedrich Haas, dessen Geschäft 1838 gegründet worden war und der sich ab 1859 in Luzern niedergelassen hatte. Durch Haas und Forell war Goll Enkelschüler von Eberhard Friedrich Walcker. 1865 ging er zu Joseph Merklin nach Paris und 1868 für kurze Zeit nach London.



Eigene Firma |


1867 übergab Haas sein Geschäft dem erst 28-jährigen Friedrich Goll. Den Durchbruch schaffte dieser 1877 mit seinem Opus 12, der ersten grossen Orgel der Stiftskirche Engelberg (III/50, mechanische Kegelladen, Barkermaschine, 1926 durch seine Söhne auf IV/135 erweitert). In den folgenden Jahrzehnten dominierte Friedrich Goll zusammen mit seinen Konkurrenten Johann Nepomuk Kuhn (1827 bis 1888) und Carl Theodor Kuhn (1865 bis 1925) den Schweizer Orgelbau.


1905 wurde Friedrichs Sohn Karl (1876 bis 1967) als Teilhaber in das Unternehmen aufgenommen, das von da an als „Goll & Cie.“ firmierte. Industrielle Fertigungsmethoden und ein beschleunigter Produktionsrhythmus ermöglichten ein stetiges Wachstum, so dass der Betrieb bei Friedrich Golls Tod 1911 rund 70 Angestellte beschäftigte. Allein zwischen 1902 und 1911 wurden etwa 130 Neubauten erstellt, also mehr als ein Instrument pro Monat.



Weitere Entwicklung des Unternehmens |


Die Söhne Karl und Paul (1880 bis 1955) führten die Firma erfolgreich weiter. 1921 wurden die Werkstätten nach Horw bei Luzern verlegt. 1927 kam es zum Konkurs, zum Ausscheiden von Karl Goll und 1928 zur Gründung einer Aktiengesellschaft durch Paul Goll (Verwaltungsratspräsident, Direktor) und den Deutschen Wilhelm Lackner (Direktor). Beim Tod von Paul Goll 1955 übernahm dessen Sohn Friedrich die Leitung. Mit Friedrichs Unfalltod 1971 endete die Familientradition. 1972 wurde das Unternehmen in Luzern durch Beat Grenacher und Jakob Schmidt († 1998) als Orgelbau Goll neu gegründet und zu raschem Erfolg geführt; es existiert bis heute. Zu den grössten neueren Instrumenten gehören die Orgeln der Französischen Kirche in Bern (1991, IV/61), von St. Martin in Memmingen (1998, IV/62), im Kultur- und Kongresszentrum KKL in Luzern (2000, IV/66) und in der Marktkirche Hannover (2009, IV/64).



Werk |



Bauweise |


Die Orgeln Friedrich Golls standen ganz in der Nachfolge seines Geschäftsvorgängers Haas und damit in der süddeutsch-romantischen Tradition. Goll baute zunächst ausschliesslich Kegelladen mit mechanischer Spiel- und Registertraktur, z. T. mit Barkermaschinen. Die Spieltische waren stets freistehend „zum Vorwärtsspielen“ eingerichtet und aufwendig gearbeitet. Die Dispositionen basierten auf klanglich reich differenzierten Grundstimmen.


Friedrich Goll war bekannt als hervorragender Intonateur. Schon bei der Geschäftsübergabe stellte ihm Friedrich Haas ein entsprechendes Zeugnis aus: Er habe sich „als ein Meister in der Intonation bewährt [...] und zwar nicht in gewöhnlicher Weise; er versteht das edle Kirchliche zu würdigen und hat sich in Frankreich die Intonation der feinen französischen Zungenstimmen angeeignet“[1]. Ab 1894 ging die Firma zu röhrenpneumatisch gesteuerten Kegelladen und ab 1902 zu pneumatischen Taschenladen über.


Friedrich Goll war von Anfang an schweizweit tätig und belieferte sämtliche Landesteile. Exporte ins Ausland ergaben sich hingegen mehr zufällig. Dazu gehörten einige wenige Aufträge aus dem angrenzenden Frankreich sowie für verschiedene anglikanische Kirchen. Eine markante Ausnahme stellt die Orgel zu St. Aposteln in Köln dar (1892), mit III/62, sein grösstes Werk (nicht erhalten).


Bis in seine letzten Lebensjahre hielt Friedrich Goll an einer eher konservativen, an Walcker und Haas geschulten stilistischen Konzeption fest. Erst seine Söhne nahmen vermehrt französisch-symphonische Stilelemente sowie die Forderungen der Elsässischen Orgelreform auf und begannen auch mit technischen Neuerungen (freie Kombinationen, Transmissionen, Oktavkoppeln usw.) zu experimentieren.


Generell hervorzuheben ist die durchweg sehr hohe Qualität sowohl der verwendeten Materialien wie der Ausführung der Orgeln Friedrich Golls, die Pfeifenwerk, Spielanlagen und Trakturen in gleichem Mass auszeichnet. Selbst kleine und kleinste Werke wurden mit höchstem Grad an Perfektion gefertigt. Nicht umsonst rühmte Emile Rupp die Firma Goll als „für den schweizerischen Orgelbau so bedeutungsvoll wie Walcker und Steinmeyer für Süddeutschland“[2].



Erhaltener Bestand |


10 bis 15 Prozent der ursprünglich fast 600 zwischen 1868 und 1928 entstandenen Goll-Orgeln sind noch erhalten. Von diesen rund 75 Instrumenten wiederum ist mehr als die Hälfte unter Verlust des originalen Charakters umgebaut worden. Unter den unversehrt erhaltenen befinden sich kleinere und mittlere Werke, während fast alle grossen (darunter mehrere mit vier Manualen) verändert oder zerstört wurden.


Hier eine Auswahl von einigen noch existierenden Instrumenten Friedrich Golls und seiner Söhne, die sich (wieder) in originalem oder weitgehend originalem Zustand befinden bzw. für das Gollsche Schaffen besonders repräsentativ sind.



Werke (Auswahl) |



Werke Friedrich Golls und seiner Söhne |







































































































































































































































































































































































































































Jahr Opus Ort Kirche Bild Manuale Register Bemerkungen
1885
45

Bern

St. Peter und Paul

II
28
mechanische Kegellade
1887
54

Heiligkreuz/LU


II
11
mechanische Kegellade
1887
56

Courroux/JU


II
22
mechanische Kegellade
1888
66

Pleigne/JU


I
8
mechanische Kegellade
1889
73
Saint-Saphorin/VD


II
10
mechanische Kegellade
1889
77

Meggen/LU
St. Magdalena

II
20
mechanische Kegellade
1890
84

St. Pelagiberg/TG


II
11
mechanische Kegellade
1890
85

Menziken/AG
ref. Kirche

II
27
mechanische Kegellade
1891
96

Hundsbach (Elsass, Frankreich)


II
22
mechanische Kegellade
1893
111

Attinghausen/UR


II
10
mechanische Kegellade
1893
117

Aesch/LU


II
13
Mechanische Kegellade
1894
127

Winikon/LU


II
12
mechanische Kegellade
1894
131

Trogen/AR


II
24
mechanische Kegellade
1896
152

Vaulruz/FR


II
16
pneumatische Kegellade
1897
161

St. Gallen
Linsebühlkirche

III
35
pneumatische Kegellade
1897
172

Travers/NE


II
14
pneumatische Kegellade
1898
179
Flühli/LU


II
14
pneumatische Kegellade
1898
181
Vevey/VD
Sainte-Claire

II
18
pneumatische Kegellade
1902
220
Verscio/TI


II
12
pneumatische Kegellade
1902
219
St. Katharinental/TG
Betsaal

I
8
pneumatische Taschenlade
1903
244
Luzern
Englische Kirche

III
22
veränderte Aufstellung; unspielbar; pneumatische Taschenlade
1904
252
Le Crêt/FR


II
15
pneumatische Taschenlade
1905
274
Rathausen/LU


II
13
fast unspielbar, pneumatische Taschenlade
1906
282
Göschenen/UR


II
17
pneumatische Taschenlade
1906
287
Brüssel-Ixelles (Belgien)
Saint-Sacrement

IV
32+4
unspielbar, pneumatische Taschenlade
1907
307
Saint-Martin/FR


II
18
pneumatische Taschenlade
1908
324
Corsier/VD


II
17
Jetzt in Echallens/VD, pneumatische Taschenlade
1908
328
Cannes (Frankreich)
St. Georges

II
12
pneumatische Taschenlade
1910
352
Zürich
St.-Anna-Kapelle

II
25+5
pneumatische Taschenlade
1911
361
Flawil/SG
ref. Kirche

III
36
pneumatische Taschenlade
1912
400
Schwyz

Kollegiumskirche Schwyz

III
34
pneumatische Taschenlade
1913
404
Beckenried/NW


II
29
pneumatische Taschenlade
1916
462
Château d'Oex/VD
anglikanische Kirche

II
10
pneumatische Taschenlade
1918
478
Niederrickenbach/NW
Wallfahrtskapelle

II
15
pneumatische Taschenlade
1922
532
Kriegstetten/SO


II
29
pneumatische Taschenlade
1922
535
Metzerlen/SO


II
18
pneumatische Taschenlade
1923
547
Barberêche/FR


II
13
Enthält op. 230, pneumatische Kegellade und Taschenlade
1924
557
Meggen/LU
St. Charles Hall

II
14
pneumatische Taschenlade
1925
567
Courtemaîche/JU


II
12
pneumatische Taschenlade
1926
579
Walchwil/ZG


II
33
pneumatische Taschenlade
1926
580
Engelberg/OW

Orgel des Klosters Engelberg

Engelberg-Klosterkirche-031936.JPG
IV
135
Heute 137 Register; enthält op. 12; pneumatische Taschenlade


Werke des Unternehmens Orgelbau Goll |




















































































Jahr Ort Kirche Bild Manuale Register Bemerkungen
1975

Dielsdorf ZH

St. Paulus

Pauluskirche Dielsdorf Orgel.JPG
II/P
20

1991

Bern

Französische Kirche

FranzKirche Bern 6101.jpg
IV/P
66
hinter Prospekt von Franz Joseph Remigius Bossart (1928)
1998

Memmingen

St. Martin (Memmingen)

StMartinOrgelAussen03gs.jpg

IV/P
62
→ Orgel von St. Martin (Memmingen)
1999

Durlach

Stadtkirche Durlach

Durlach Stadtkirche Orgel.jpg
III/P
39
hinter historischem Prospekt von Johann Philipp und Johann Heinrich Stumm (1759)
2000

Luzern

Kultur- und Kongresszentrum

IV/P
66

2005

Erlangen

Neustädter Kirche

III/P
48
Neubau im historischen Gehäuse von Johann Glis, Nürnberg (1741)
2007 bis 2009

Hannover

Marktkirche

Der mehrfach ausgezeichnete Organist und Kirchenmusiker Ulfert Smidt an einem seiner Arbeitsplätze, der Großen Orgel in der Marktkirche von Hannover.jpg

IV/P
64
hinter Prospekt von 1953
2015

München-Moosach

St. Martin

Muenchen-Moosach St Martin Goll-Orgel.jpg

III/P
40



Literatur |



  • François Comment: Friedrich Goll (1839 bis 1911): un parcours initiatique en terre fribourgeoise. In: L'Orgue, revue indépendante, Nr. 1/2000, S. 4–16.

  • François Comment: Die Orgel in der kath. Pfarrkirche Göschenen UR. In: Bulletin der St. Galler Orgelfreunde, Nr. 3/2002, S. 48 bis 54. PDF

  • François Comment: «... das edle Kirchliche zu würdigen ...»: Friedrich, Karl und Paul Goll – eine Schweizer Orgelbauerdynastie 1868–1928. In: Orgel International (heute Organ), Nr. 4/2002, S. 220–231.

  • François Comment: Eine Entdeckung mitten in Zürich: die Goll-Orgel von 1910 in der St.-Anna-Kapelle. In: Ars Organi, Nr. 2/2004, S. 113–116.

  • François Comment: Un orgue romantique «symphonisé»: l'orgue Goll (1897/1914/1926) du temple de Travers NE. In: L'Orgue, revue indépendante, Nr. 2/2005, S. 20–29.

  • François Comment: La restauration de l'orgue Friedrich Goll de Saint-Saphorin. In: La Tribune de l'Orgue, Revue Suisse Romande, Nr. 4/2005, S. 19–23.

  • François Comment: Die Goll-Orgel von 1912 in der Kollegiumskirche Schwyz. In: Musik und Liturgie, Nr. 4/2006, S. 16–23.

  • François Comment: L’orgue Goll de Barberêche (1901/1923): du recyclage avant la lettre. In: La Tribune de l'Orgue, Revue Suisse Romande, Nr. 4/2008, S. 31–39.


  • Hermann Fischer, Theodor Wohnhaas: Artikel Goll. In: Lexikon süddeutscher Orgelbauer, Wilhelmshaven 1994, S. 118f.

  • Hermann Fischer, Urs Fischer: Artikel Goll. In: MGG2, Personenteil, Bd. 7, Kassel/Stuttgart 2002, Sp. 1273.

  • P. Norbert Hegner: Die grosse Orgel in der Klosterkirche Engelberg. Engelberg 1976.

  • Bernhard Hörler: Die Friedrich-Goll-Orgel von 1894 in der evang. Kirche Trogen AR. In: Bulletin der St. Galler Orgelfreunde, Nr. 1/2002, S. 3–13. PDF

  • Bernhard Hörler: Die restaurierte Goll-Orgel in der katholischen Wallfahrtskirche St. Peter und Paul und St. Burkhard in Beinwil (Freiamt, Aargau). In: Ars Organi, Nr. 2/2002, S. 95–99.

  • Bernhard Hörler: Die Goll-Orgel von 1907 der ehemaligen evangelischen Kapelle in Horgen/ZH. In: Musik und Gottesdienst, Nr. 82/2008, S. 110–118.

  • Bernhard Hörler: "Der Luzerner Orgelbaumeister Friedrich Goll. Zu seinem 100. Todesjahr", in: Ars Organi, Nr. 3/2011, S. 163–173

  • Franz Lüthi: Die Goll-Orgel von 1911 in der evang. Kirche Feld, Flawil. In: Bulletin der St. Galler Orgelfreunde, Nr. 1/2001, S. 12–19. (PDF)



Weblinks |



 Commons: Goll-Orgeln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien



  • Orgelbau Goll AG, Luzern (Homepage), gesehen 21. Juni 2013

  • Geschichte der Firma Orgelbau Goll



Einzelnachweise |




  1. Werbebroschüre „Orgelbau-Geschäft von Fried. Goll“, Luzern o. J. [1884], S. 1


  2. Rupp, Emile: „Die Entwicklungsgeschichte der Orgelbaukunst“, Einsiedeln 1929, S. 398
































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