Königsstädtisches Theater






Ansicht des Gebäudes vom Königsstädtischen Theater (1824–1851)


Das Königsstädtische Theater (manchmal auch Königsstädter Theater genannt) am Berliner Alexanderplatz war ein privat geführtes und finanziertes Volkstheater im Gegensatz zu den Hofbühnen der Stadt. Die Bühne war dem Volksstück gewidmet, das seit den Befreiungskriegen einen besonderen Nimbus hatte. Weil die Theaternamen in Berlin mit einer Lizenz verbunden waren statt mit einem Gebäude, wurde der Name nach 1850 auf verschiedene Gebäude auch außerhalb der Königsstadt übertragen. Bekannt als Königsstädtisches Theater war hauptsächlich noch das Wallner-Theater.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Ursprüngliches Gebäude


    • 1.1 Repertoire




  • 2 Wallner-Theater


  • 3 Theaterdirektoren


  • 4 Literatur


  • 5 Weblinks


  • 6 Anmerkungen





Ursprüngliches Gebäude |


Durch den Wiener Kongress wurde die Betriebsweise der privatwirtschaftlichen Wiener Theater allgemein bekannt. So befürwortete König Friedrich Wilhelm III. eine ähnliche Einrichtung in Berlin. Ludwig Tieck setzte sich dafür ein, dass eine stehende Bühne für das heitere Theatergenre die Komödiantenbuden an Niveau übertreffen konnte. Das Königsstädtische Theater wurde zum ersten bürgerlichen Theater Berlins. Zu den Gründungsfinanziers gehörte der Bankier Joseph Mendelssohn.


Seinen Namen erhielt das Theater nach seiner Lage im Berliner Ortsteil Königsstadt. Es wurde nach dem Vorbild der Pariser Boulevardtheater und der Wiener Vorstadttheater nach Plänen von Carl Theodor Ottmer erbaut und am 4. August 1824 von Karl Friedrich Cerf eröffnet, der es bis zu seinem Tod 1845 führte. Die Trägerschaft war eine Aktiengesellschaft, die stark von höfischen Zuschüssen abhängig war.


Mit der Thronbesteigung von Friedrich Wilhelm IV. 1840 verlor das Königsstädtische Theater die höfischen Subventionen und konnte sich nur noch schwer halten. In der Märzrevolution von 1848 fanden aufrührerische Ereignisse im Theater und seiner Umgebung statt. In der zensurfreien Folgezeit gingen politisch unerwünschte Stücke über die Bühne, sodass das Theater bei der Wiedereinführung der Zensur 1851 geschlossen wurde. 1850 war zudem das Friedrich-Wilhelmstädtische Theater (Deutsches Theater (Berlin)) eröffnet worden, in dem ebenfalls Possen und Volksstücke gegeben wurden.
Im Jahr 1932 ließ die Berliner Verwaltung das ursprüngliche Gebäude, das seit 1851 für andere Zwecke genutzt worden war (siehe Alexanderplatz), abreißen.



Repertoire |




Henriette Sontag in ihrer Berliner Zeit


Wie für diese Art Bühnen üblich, pflegte das Königsstädtische Theater ein Mischrepertoire zwischen Posse, Melodram, Singspiel und Pantomime. Typische Produkte waren Louis Angelys Das Fest der Handwerker (1829) oder Franz Gläsers Des Adlers Horst (1832). Es durfte weder Tragödien noch ernste Opern aufführen. Seit 1825 war Karl von Holtei als Theaterschriftsteller bzw. Hausautor für das Theater tätig, dessen Beiträge zum Königsstädter Theater 1832 erschienen.[1]Carl Blum versuchte hier, eine deutsche Variante des Vaudevilles einzuführen. Theaterautoren wie Angely, David Kalisch und Adolf Glaßbrenner prägten die Berliner Lokalposse, deren Witz politischer war als bei ihrem Wiener Gegenstück.


Berühmte Schauspieler und Sänger wie Josef Spitzeder, Heinrich Schmelka und Friedrich Beckmann verhalfen dem Theater zu seinem Ruf. Glaßbrenner und Beckmann schufen auf dieser Bühne den Eckensteher Nante als stehende Rolle der Berliner Lokalposse. Aus wirtschaftlichen Gründen kamen auch italienische (und französische) Opern auf die Bühne. Henriette Sontag war zwei Jahre lang der Gesangsstar und brillierte in Partien von Gioachino Rossini. Im Jahr 1833 wurde Franz Grillparzers und Conradin Kreutzers Oper Melusina uraufgeführt.





„Man tritt ein in das Königstädter Theater. Man wählt sich einen Platz im ersten Rang, denn dahin kommen verhältnismäßig weniger Leute; und soll man eine Posse sehen, muss man bequem sitzen und sich nicht im Entferntesten durch jene Kunst-Wichtigkeit genieren lassen, die bewirkt, dass viele sich in ein Theater pferchen lassen, um ein Stück zu sehen, so als sei dies eine Sache der ewigen Seligkeit. (…) Das Orchester ist fertig, der Vorhang hebt sich schon ein bisschen, da fängt jenes andere Orchester an, das nicht dem Stock des Konzertmeisters gehorcht, sondern einem inneren Trieb folgt, jenes andere Orchester, der Naturlaut der Galerie, die Beckmann bereits in den Kulissen erahnt hat. Im allgemeinen habe ich in der Loge weit zurück gesessen, konnte deshalb den zweiten Rang und die Galerie überhaupt nicht sehen, die wie ein Mützenschirm über meinen Kopf hinausragten. Um so abenteuerlicher wirkt dieses Lärmen. Wohin ich blicken konnte, war überall großenteils Leere; der große Raum des Theaters verwandelte sich mir in den Bauch jenes Meeresungeheuers, in dem Jonas gesessen hat; das Lärmen auf der Galerie war wie eine Bewegung in des Ungeheuers viscera. Von dem Augenblick an, wo die Galerie zu musizieren begonnen hat, bedarf es keines Akkompagnements; denn Beckmann animiert sie und sie Beckmann.(…) So lag ich in meiner Loge, weggeworfen wie die Kleider eines Badenden, hingestreckt an jenen Strom des Lachens, des Mutwillens und des Jubels, der ohne Unterlass an mir vorüberbrauste: ich konnte nichts sehen als des Theaters Raum, nichts hören als den Lärm, in dem ich wohnte. Nur dann und wann erhob ich mich, sah Beckmann zu und lachte mich so müde, dass ich vor Mattigkeit wieder am Rande des brausenden Flusses niedersank.“




Sören Kierkegaard: Die Wiederholung[2]



Wallner-Theater |




Das neue Wallner-Theater seit 1864




Die Theater-Umgebung auf Sineck-Plan (1882)




Die Wallner-Theater[3]


Die Lizenz und damit den berühmten Theaternamen erbte Rudolf Cerf von seinem Vater. 1852–1854 nannte er das ehemalige Gebäude des Circus Renz an der Charlottenstraße 90 wieder Königsstädtisches Theater (siehe Berliner Theater).


Im Jahr 1855 erwarb der Schauspieler und Schriftsteller Franz Wallner (1810–1876) die Lizenz zum Betreiben der Kultureinrichtung. Sein Gebäude an der Blumenstraße, zuvor ein Theater in Concordia, führte bis 1858 den Namen Königsstädtisches Vaudeville-Theater. Kapellmeister war August Conradi. Nachdem Cerf sich zurückgezogen hatte, erhielt die Einrichtung 1858 den Namen Wallner-Theater, den sie bis 1864 behielt. Es widmete sich nach wie vor hauptsächlich der Lokalposse und erlebte mit Schauspielern wie Karl Helmerding oder Anna Schramm eine Glanzzeit. Das Haus lag an der Blumenstraße 9b, der Eingang war beim Grünen Weg. Oft wird daher der Ausruf „Ach, du grüne Neune!“ auf dieses Theater zurückgeführt.


1864 ließ Wallner nach Plänen des Architekten Eduard Titz etwas weiter südlich, in der Wallner-Theater-Straße 35, ein neues Wallner-Theater errichten. Es galt als eines der größten (für 1200 Zuschauer) und schönsten Berlins.[4]Rudolf Bial wurde hier Kapellmeister. Im neuen Wallner-Theater wirkten so unterschiedliche Komponisten wie Paul Lincke, Emil Nikolaus von Reznicek oder Victor Hollaender als Dirigenten. Theodor Herzl debütierte 1888 als Lustspielautor mit dem Stück Seine Hoheit.[5] Schwänke wie Pension Schöller (1890) wurden uraufgeführt. Schauspieler am Wallner-Theater waren unter anderem Ernst Formes oder Ernestine Wegner.


Das Gebäude erhielt 1894 unter Raphael Löwenfeld den neuen Namen Schiller-Theater Ost. Camilla Spira oder Lotte Lenya spielten nach dem Ersten Weltkrieg auf dieser Bühne. Nach einem erfolglosen Zwischenspiel als Nationalsozialistisches Volkstheater, bei dem am 10. März 1929 das Stück Blutsaat von Joseph Goebbels zur Uraufführung kam,[6] avancierte das Haus 1930 zur dritten Piscator-Bühne und war damit eine Stätte des multimedialen Avantgarde-Theaters. Das zeitkritische Stück § 218 – gequälte Menschen von Karl Credé-Hoerder wurde hier aufgeführt. Während des Zweiten Weltkriegs diente das Theater als Schallplatten-Studio, noch vor Ende des Krieges fiel es in Schutt und Asche. Nur noch die Wallnertheaterstraße erinnerte bis um 1970 an die frühere Kultureinrichtung. Am Ort des Theaters befindet sich ein Sportplatz.


Das alte Wallner-Theater wurde dagegen zur Gastwirtschaft mit Vereinstheater. Wallner verpachtete es 1868 an Theodor Lebrun, der es in Bundeshallen-Theater umbenannte. Im Folgejahr, 1869 erhielt ein neu eröffnetes Theater an der Greifswalder Straße wiederum den Namen Königsstädtisches Theater. 1872 bekam das Haus an der Blumenstraße den Namen Königsstädtisches Theater zurück. So mussten noch häufig die Namen gewechselt werden. Westlich unmittelbar daran angrenzend befand sich seit 1871 das Residenz-Theater. Schauspieler, die später zum Film gingen, wie Harry Walden oder Hans Mierendorff, begannen hier ihre Laufbahn. Schon 1910 wurde es in ein Kino umgewandelt. Daneben stand ein Tanzpalast, die Gegend war ein Ausgehviertel der Stadt. – Nur noch ein Haus aus den 1920er-Jahren (Singerstraße 1) am Ort der „grünen Neune“ mit einem Rest der alten Blumenstraße erinnert noch an diesen untergegangenen Teil von Berlin.



Theaterdirektoren |



  • 1824–1845: Karl Friedrich Cerf

  • 1879–1880: Otto von Schimmelpfennig[7]

  • 1884–1887: Anton Anno[8]

  • 1904–1912: Richard Alexander

  • 1912: Ferry Sikla



Literatur |



  • Otto Franz Gensichen: Kulissenluft. Wallnertheater-Erinnerungen. Paetel-Verlag, Berlin 1909.

  • Willi Eylitz: Das Königstädtische Theater in Berlin. Dissertations-Typoskript, Rostock 1940.

  • Erika Wischer: Das Wallner-Theater unter der Direktion von Franz Wallner (1855–1868). Das Berliner Lokalpossen-Theater des Nachmärz. Schoen, München. 1967.

  • Otto Schneidereit: Berlin wie es weint und lacht. Spaziergänge durch Berlins Operettengeschichte, Lied der Zeit, Berlin 1976.

  • Rainer Theobald: Carl Theodor Ottmer als Theaterarchitekt. Untersuchungen zur Entstehung und Wirkung von Theaterbauten in der Epoche des Biedermeier. Phil. Diss. Berlin 1976. (Grundlegend zur Baugeschichte und zur Literatur über das Königsstädtische Theater).

  • Hans-Rüdiger Merten: Vergessene Theater im alten Berlin. Eine Spurensuche. Trafo-Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-89626-599-7.

  • C. T. Ottmer: Architektonische Mitteilungen. Erste Abteilung: Das Königstädt’sche Schauspielhaus zu Berlin, in zehn Zeichnungen, mit erläuterndem Text, in besonderer Beziehung auf das, nach exzentrischen Kreisen amphitheatrisch erbaute Spektatorium. Vieweg, Braunschweig 1830 (20 Seiten Text, 10 Tafeln; einsehbar im Lesesaal der Bibliothek des Deutschen Museums in München, Signatur: 3000 / 1982 B 296).


  • Ein neuer Tempel des Frohsinns. In: Die Gartenlaube, 1864

  • Ruth Freydank: Hier wurde Nante geboren. Geschichte des Königsstädtischen Theaters. In: Berlinische Monatsschrift 10/1998 beim Luisenstädtischen Bildungsverein



Weblinks |



 Commons: Königsstädtisches Theater – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien



  • Kurzgeschichte, Grundriss des Theaters am Alexanderplatz und weitere Bilder (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive)


  • Kolorierte Ansicht des Königsstädtischen Theaters um 1830, In: ansichtensammlung des Landesarchivs Berlin



Anmerkungen |




  1. Michael Sachs: ‘Fürstbischof und Vagabund’. Geschichte einer Freundschaft zwischen dem Fürstbischof von Breslau Heinrich Förster (1799–1881) und dem Schriftsteller und Schauspieler Karl von Holtei (1798–1880). Nach dem Originalmanuskript Holteis textkritisch herausgegeben. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 35, 2016 (2018), S. 223–291, hier: S. 280–282.


  2. Kopenhagen 1843. Deutsch von Günther Jungbluth. dtv, München 2005, S. 372 f.


  3. Das alte (oben, rechts neben dem dunkel eingezeichneten Residenz-Theater) und das neue Wallner-Theater (hier als Schiller-Theater bezeichnet)


  4. Wallner-Theater. In: Berliner Adreßbuch, 1878, Teil 6 (Preise und Sitzplan, Einträge 8 und 9).


  5. Bevor der Wiener Theodor Herzl den „Judenstaat“ gründete, wollte er ein großer Dramatiker werden. Er debütierte in Berlin berliner-zeitung.de vom 3. Juli 2004 (Zugriff am 11. Februar 2018)


  6. Karsten Schilling: Das zerstörte Erbe. Berliner Zeitungen der Weimarer Republik im Portrait, Norderstedt 2011, S. 106, Anm. 162.


  7. Ludwig Eisenberg: Großes biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Verlag von Paul List, Leipzig 1903, S. 635, (Textarchiv – Internet Archive).


  8. Ludwig Eisenberg: Großes biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Verlag von Paul List, Leipzig 1903, S. 28, (Textarchiv – Internet Archive).


52.52041666666713.415361111111Koordinaten: 52° 31′ 13,5″ N, 13° 24′ 55,3″ O







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