Brennnesseln
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Brennnesseln | ||||||||||||
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Große Brennnessel (Urtica dioica) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Urtica | ||||||||||||
L. |
Die Brennnesseln (Urtica) bilden eine Pflanzengattung in der Familie der Brennnesselgewächse (Urticaceae). Sie kommen fast weltweit vor. In Deutschland nahezu überall anzutreffen sind die Große Brennnessel und die Kleine Brennnessel, nur selten auch die Röhricht-Brennnessel sowie die Pillen-Brennnessel.
Inhaltsverzeichnis
1 Beschreibung
1.1 Vegetative Merkmale
1.2 Brennhaare
1.3 Generative Merkmale
1.4 Einige ähnliche Arten
2 Schmetterlingsweide
3 Vorkommen
3.1 Zeigerfunktion
4 Systematik
4.1 In Europa (einschließlich Kanaren) vorkommende Arten
4.2 Weitere, nicht in Europa vorkommende Arten
5 Verwendung
5.1 Lebensmittel
5.2 Fasergewinnung
5.3 Färberpflanze
5.4 Gärtnerische Verwendung
6 Kulturelle Bedeutung
7 Quellen
7.1 Literatur
7.2 Einzelnachweise
8 Weblinks
Beschreibung |
Vegetative Merkmale |
Brennnessel-Arten wachsen als einjährige oder ausdauernde krautige Pflanzen, selten auch Halbsträucher. Sie erreichen je nach Art, Standort und Nährstoffsituation Wuchshöhen von 10 bis 300 Zentimetern bei den in Mitteleuropa vertretenen Arten. Die ausdauernden Arten bilden Rhizome als Ausbreitungs- und Überdauerungsorgane. Die grünen Pflanzenteile sind mit Brenn- sowie Borstenhaaren besetzt. Ihre oft vierkantigen Stängel sind verzweigt oder unverzweigt, aufrecht, aufsteigend oder ausgebreitet.
Die meist kreuz-gegenständig an der Sprossachse angeordneten Laubblätter sind gestielt. Die Blattspreiten sind elliptisch, lanzettlich, eiförmig oder kreisförmig. Die Blattspreiten besitzen meist drei bis fünf, (bis sieben) Blattadern. Der Blattrand ist meist gezähnt bis mehr oder weniger grob gezähnt. Die oft haltbaren Nebenblätter sind frei oder untereinander verwachsen. Die Zystolithen sind gerundet bis mehr oder weniger verlängert.
Brennhaare |
Bekannt und unbeliebt sind die Brennnesseln wegen der schmerzhaften Quaddeln (Schwellungen), die auf der Haut nach Berührung der Brennhaare entstehen. Je nach Brennnesselart unterscheiden sich die Folgen, so ist beispielsweise die Brennflüssigkeit der Kleinen Brennnessel (Urtica urens) wesentlich schmerzhafter als die der Großen Brennnessel (Urtica dioica).
Diese Brennhaare wirken als Schutzmechanismus gegen Fressfeinde und sind überwiegend auf der Blattoberseite vorhanden. Es sind lange, einzellige Röhren, deren Wände im oberen Teil durch eingelagerte Kieselsäure hart und spröde wie Glas sind. Das untere, flexiblere Ende ist stark angeschwollen, mit Brennflüssigkeit gefüllt und in einen Zellbecher eingesenkt, die Spitze besteht aus einem seitwärts gerichteten Köpfchen, unter dem durch die hier sehr dünne Wand eine Art Sollbruchstelle vorhanden ist.
Das Köpfchen kann schon bei einer leichten Berührung abbrechen und hinterlässt eine schräge, scharfe Bruchstelle, ähnlich der einer medizinischen Spritzenkanüle. Bei Kontakt sticht das Härchen in die Haut des Opfers, sein ameisensäurehaltiger Inhalt spritzt mit Druck in die Wunde und verursacht sofort einen kurzen, brennenden Schmerz und dann die erwähnten Quaddeln mit Brennen oder Juckreiz.
Weitere Wirkstoffe der Brennflüssigkeit sind Serotonin, Histamin, Acetylcholin und Natriumformiat. Bereits 100 Nanogramm dieser Brennflüssigkeit reichen aus, um die bekannte Wirkung zu erzielen. Histamin erweitert die Blutkapillaren und kann Reaktionen hervorrufen, die allergischen Reaktionen ähneln (diese werden unter anderem durch Freisetzung körpereigenen Histamins verursacht). Acetylcholin ist auch die Überträgersubstanz vieler Nervenendungen und für den brennenden Schmerz verantwortlich. Brennnesseln lassen sich relativ gefahrlos anfassen, wenn man sie von unten nach oben überstreicht, da fast alle Stacheln nach oben gerichtet sind.
Auch ohne Eindringen der Brennhaare kann allein Hautkontakt zur Brennflüssigkeit Folgen haben: Frischer Brennnessel-Schnitt verursacht bei Hautkontakt (z. B. beim Rasenmähen) zuerst keine Schmerzen, weil gebrochene Brennhaare nicht in die Haut stechen können und nur noch wenig Gift enthalten. Die spröden Brennhaare brechen bereits bei Mähmesser-Rotation, und die Brennflüssigkeit fließt frei aus. Bei Benetzung empfindlicher Hautschichten mit Brennflüssigkeit (Knöchel- und Spannbereich) erfolgt eine späte Schmerzreaktion, da die Brennflüssigkeit nach Kontakt auf nervenloser Oberhaut (Epidermis) durch Poren in die darunterliegende Lederhaut (Dermis) eindringt. Dort erreicht sie erst nach Stunden freie Nervenendigungen (Nozizeptoren). Dagegen schmerzen Hauteinstiche spröder, ungebrochener Brennhaare schon in Sekundenbruchteilen. Die relativ lange Gift-Kontaktzeit ist zur späteren Verätzungsintensität direkt proportional. Nur langsam unter stechenden Schmerzen mit Schwellungen wird das in die Lederhaut eingedrungene Gift abgebaut und die großflächig verätzte Oberhaut durch eine neue ersetzt.
Die Brennnessel hat damit einer Reaktion der Haut ihren Namen gegeben, der Nesselsucht oder Urtikaria. Genau wie bei einer Reizung durch Brennnesseln verursacht sie juckende Quaddeln und es wird Histamin aus Mastzellen der Haut freigesetzt. Die Ursachen können aber sehr unterschiedlich sein.
Generative Merkmale |
Sie sind je nach Art einhäusig (monözisch) oder zweihäusig (diözisch) getrenntgeschlechtig. In den Blattachseln stehen in verzweigten, rispigen, ährigen, traubigen oder kopfigen Gesamtblütenständen viele zymöse Teilblütenstände mit jeweils vielen Blüten zusammen. Die relativ kleinen, unauffälligen, immer eingeschlechtigen Blüten sind (zwei- bis) vier- bis fünf- (bis sechs-)zählig.
Die eingeschlechtigen Blüten sind etwas reduziert. Es sind (zwei bis) vier (bis fünf) Blütenhüllblätter vorhanden. Die männlichen Blüten enthalten meist (zwei bis) vier (bis fünf) Staubblätter. Die weiblichen Blüten enthalten einen Fruchtknoten, der zentral in der Blüte liegt und aus nur einem Fruchtblatt gebildet wird.
Brennnessel-Arten sind windbestäubt. Wenn sich bei den männlichen Blüten die Blütenhüllblätter öffnen, schnellen ihre Staubblätter hervor; dabei wird explosionsartig eine Wolke von Pollen in die Luft geschleudert. Der Wind überträgt anschließend den Pollen auf die weiblichen Blüten.
Die sitzenden, in den haltbaren inneren Blütenhüllblättern locker eingehüllten Nüsschen sind gerade, seitlich abgeflacht, eiförmig oder deltoid. Die aufrechten Samen enthalten wenig Endosperm und zwei fleischige, fast kreisförmige Keimblätter (Kotyledonen).
Die Chromosomengrundzahl beträgt x = 12 oder 13.
Einige ähnliche Arten |
Die Arten der – mit den Brennnesseln nicht verwandten – Gattung der Taubnesseln (Lamium), sehen den Brennnesseln in Wuchs und Blattform sehr ähnlich, besitzen aber keine Brennhaare und auch sehr viel größere und auffälligere Blüten. Die ebenfalls ähnlichen Blätter der Nesselblättrigen Glockenblume (Campanula trachelium) sind wechselständig.
Schmetterlingsweide |
Für die Raupen von rund 50 Schmetterlingsarten sind bestimmte Brennnessel-Arten eine Futterpflanze.
Die Schmetterlingsarten Admiral, Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs (auch als Nesselfalter bekannt), Silbergraue Nessel-Höckereule, Dunkelgraue Nessel-Höckereule, Brennnessel-Zünslereule (Hypena obesalis) und das Landkärtchen sind dafür sogar auf die Brennnessel angewiesen, andere Pflanzen kommen für diese Arten nicht in Betracht (Monophagie).
Trotzdem scheinen sich diese Schmetterlingsarten kaum gegenseitig Konkurrenz zu machen, denn sie bevorzugen jeweils andere Wuchsorte der Brennnessel oder sind relativ selten.
- Die Raupen des Kleinen Fuchses sind an trockenen und sonnigen Stellen zu finden
- Das Tagpfauenauge mag es zwar gleichfalls sonnig, aber dennoch luftfeucht und bevorzugt daher Plätze an Gewässern.
Beide Arten benötigen überdies größere Brennnesselbestände.
- Der Admiral dagegen gibt sich schon mit Ansammlungen einiger weniger Pflanzen zufrieden und bevorzugt eher kümmerliche Brennnesseln.
- Das Landkärtchen sucht sich die schattigsten Wuchsorte der Brennnessel aus, die oft großen und dichten Bestände in den fluss- und bachbegleitenden Auwäldern.
Auf fast jeder Brennnessel sind Fraßspuren einzelner Insekten zu sehen. Dabei müssen diese eine Strategie entwickelt haben, mit der sie die Brennhaare umgehen. Sie fressen sich um die Haare herum und bevorzugen dabei die Wege entlang der Blattadern und der Blattränder, da sich dort keine Brennhaare befinden. Vorteilhaft für die Insekten: Das Gift dringt nicht aus der Spitze, wenn das Haar unten an der Wurzel angefressen wird.
Vorkommen |
Die Gattung Urtica ist fast weltweit verbreitet. Nur in der Antarktis kommt keine Art vor. Von den etwa 30 Urtica-Arten kommen 14 in China vor. Hauptsächlich gedeihen sie in den gemäßigten Gebieten, sowohl auf der Nord- als auch auf der Südhalbkugel. Es gibt aber auch Arten in den Gebirgen der Tropen.
Im deutschsprachigen Raum kommen vier Brennnessel-Arten vor: Die bekanntesten sind die zweihäusige Große Brennnessel (Urtica dioica) und die einhäusige Kleine Brennnessel (Urtica urens); außerdem existieren hier noch die Röhricht-Brennnessel (Urtica kioviensis) und die aus dem Mittelmeerraum eingeschleppte Pillen-Brennnessel (Urtica pilulifera)[1][2][3][4], deren gelegentliche mitteleuropäische Vorkommen auf die Kulturflucht aus Kräutergärten zurückzuführen ist, in denen sie wegen ihrer schleimigen Samen kultiviert wurde.
Einige Arten sind sehr anspruchslos und besiedeln deshalb ein breites Spektrum an Habitaten.
Zeigerfunktion |
Ein starker Brennnesselwuchs gilt allgemein als Zeiger für einen stickstoffreichen Boden und bildet sich oft als Ruderalpflanze auf früher besiedelten Stellen aus. Eine große Anzahl Brennnesseln in einem Gebiet erlaubt es somit, auch ohne chemische Untersuchungen Rückschlüsse auf die Bodenbeschaffenheit zu ziehen.
Systematik |
Die Gattung Urtica wurde 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum aufgestellt.[5] Zum Protolog gehört auch die Diagnose in Genera Plantarum.[6] Der Gattungsname Urtica leitet sich vom lateinischen Wort urere für brennen ab.
Die Gattung Brennnesseln (Urtica) enthält etwa 45 Arten:[7]
In Europa (einschließlich Kanaren) vorkommende Arten |
Urtica atrovirens .mw-parser-output .Person{font-variant:small-caps}
Req. ex
Loisel., Heimat: westliches Mittelmeergebiet.
Mallorca-Brennnessel (Urtica bianorii (
Knoche)
Paiva), ist auf Mallorca endemisch.[8]
Sibirische Hanfnessel (Urtica cannabina
L.); Heimat: Südrussland, Zentralasien und Nordasien.
Große Brennnessel (Urtica dioica
L.), kommt in Eurasien, Nordafrika und Nordamerika vor und ist in Polynesien und Südamerika eingebürgert.
Röhricht-Brennnessel (Urtica kioviensis
Rogow.), kommt in Mittel- und Osteuropa vor.
Geschwänzte Brennnessel (Urtica membranacea
Poir. ex
Savigny), kommt in Europa im Mittelmeergebiet, in Westeuropa und auf den Azoren vor.
Maulbeerblättrige Brennnessel (Urtica morifolia
Poir.), kommt auf Madeira, den Kanaren und eingebürgert auf den Azoren vor.[8]
Pillen-Brennnessel (Urtica pilulifera
L.), kommt in Europa, Asien und Nordafrika vor.
Urtica pubescens
Ledeb., kommt in Russland vor.
Urtica rupestris
Guss., kommt nur in Sizilien vor.
Urtica sondenii (
Simmons)
Avrorin ex
Geltman, kommt in Nord- und Osteuropa vor.
Urtica stachyoides
Webb &
Benth.
Kleine Brennnessel (Urtica urens
L.), kommt in Eurasien, Nordafrika, Nordamerika und Grönland vor.
Weitere, nicht in Europa vorkommende Arten |
Urtica angustifolia (
Fisch. ex
Hornem.), kommt in Asien, besonders in China, vor.[9]
Urtica ardens
Link, kommt im Himalaya vor, zwischen 2400 und 2700 m Meereshöhe.[9]
Urtica aspera
Petrie, kommt nur auf der neuseeländischen Südinsel vor.[10]
Urtica atrichocaulis (
Hand.-Mazz.)
C.J.Chen
Urtica aucklandica
Hook.f., kommt nur auf der Auckland-Insel bei Neuseeland vor.[10]
Urtica australis
Hook.f., kommt nur auf kleinen Inseln um Neuseeland vor.[10]
Urtica ballotifolia
Wedd.
Urtica berteroana
Phil.
Urtica buchtienii
Ross
Urtica chamaedryoides
Pursh: Sie kommt in den Vereinigten Staaten, in Mexiko, Kuba und Argentinien vor.[11]
Urtica circularis
Sorarú
Urtica echinata
Benth.
Ongaonga (Urtica ferox
G.Forst.), kommt nur in Neuseeland vor.[10] Die Berührung mit den Blättern dieser Art kann schwere Vergiftungen hervorrufen.
Urtica fissa
E.Pritz.: Sie kommt in Vietnam und in China vor.[9]
Urtica flabellata
Kunth
Urtica glomeruliflora
Steud.
Urtica haussknechtii
Boiss.
Urtica hyperborea
Jacq. ex
Wedd.: Sie kommt in China und in Sikkim vor.[9]
Urtica incisa
Poir., kommt in Australien, Tasmanien und auf Neuseeland vor.[10]
Urtica laetevirens
Maxim.: Sie kommt in zwei Unterarten in China, Japan, Korea und im fernöstlichen Russland vor.[9]
Urtica leptophylla
Kunth
Urtica lilloi (
Hauman)
Geltman
Urtica linearifolia (
Hook.f.)
Cockayne kommt nur in Neuseeland vor.[10]
Urtica longispica
Killip
Urtica macbridei
Killip
Urtica magellanica
Juss. ex
Poir.
Urtica mairei
H.Lév.
Urtica masafuerae
Phil.
Urtica mexicana
Liebm.
Urtica mollis
Steud.
Urtica orizabae
Liebm.
Urtica parviflora
Roxb.: Sie kommt im nördlichen Indien, in Kaschmir, Nepal, Sikkim, Bhutan und in China vor.[9]
Urtica platyphylla
Wedd.
Urtica praetermissa
V.W.Steinm.
Urtica spiralis
Blume
Urtica taiwaniana
S.S.Ying: Sie kommt in Taiwan in Höhenlagen zwischen 3400 und 3600 Metern vor.[9]
Urtica thunbergiana
Sieb. &
Zucc.: Sie kommt im westlichen Yunnan, in Taiwan und im südlichen Japan vor.[9]
Urtica triangularis
Hand.-Mazz.: Sie kommt in drei Unterarten in China in Höhenlagen zwischen 2500 und 4100 Metern vor.[9]
Urtica trichantha (
Wedd.)
Acevedo &
Navas
Verwendung |
Die meisten der folgenden Aspekte beziehen sich auf die Große Brennnessel (Urtica dioica), die unter anderem als Heil- und Nutzpflanze dient.[12]
Lebensmittel |
Von einigen Arten werden die grünen Pflanzenteile, die unterirdischen Pflanzenteile und die Samen verwendet. Als Frühjahrsgemüse werden die jungen Brennnesseltriebe wegen ihres hohen Gehalts an Flavonoiden, Mineralstoffen wie Magnesium, Kalzium und Silizium, Vitamin A und C (ca. doppelt so viel Vitamin C wie Orangen), Eisen, aber auch wegen ihres hohen Eiweißgehalts geschätzt. Die Brennnessel enthält in der Trockenmasse etwa 30 Prozent Eiweißanteil. Der Geschmack wird als „dem Spinat ähnlich, aber aromatischer“[13] und als feinsäuerlich beschrieben.
Besondere Verbreitung fanden Brennnesselgerichte in Notzeiten, in denen Blattgemüse wie Spinat oder Gartensalat zugunsten nahrhafterer Pflanzenarten kaum angebaut wurden, und bei der armen Bevölkerung, da Brennnesseln auf Brachflächen und in lichten Wäldern reichlich gesammelt werden können. Weitere bekannte Verwendungsarten sind die Nesselsuppe sowie der Smoothie.[14] Den besten Geschmack haben die ersten, etwa 20 Zentimeter langen oberirdischen Pflanzenteile im Frühjahr oder bei größeren Pflanzen der oberste jüngste vegetative Bereich, die oberen zwei bis vier Blattpaare.[13] Aber auch die Samen der Brennnessel eignen sich geröstet[13] zum Verzehr oder lassen sich zu Brennnesselsamenöl weiterverarbeiten.
Der unangenehmen Wirkung der Nesselhaare kann man bei der rohen Verwendung für beispielsweise Salate entgegenwirken, indem man die jungen oberirdischen Pflanzenteile in ein Tuch wickelt und stark wringt, sie sehr fein schneidet[13] (beispielsweise mit dem Wiegemesser), mit einem Nudelholz gut durchwalkt[13] oder ihnen eine kräftige Dusche verabreicht. Kochen sowie kurz blanchieren für Brennnesselspinat sowie -suppe macht die Nesselhaare ebenfalls unschädlich. Auch durch das Trocknen der oberirdischen Pflanzenteile für die Teezubereitung verlieren sie ihre reizende Wirkung.
Früher wurden gelegentlich Butter, Fisch und Fleisch in Brennnesselblätter gewickelt, um sie länger frisch zu halten. Tatsächlich verhindern die Wirkstoffe der Brennnessel die Vermehrung bestimmter Bakterien. Diese Praxis ist sogar gerichtsnotorisch: 1902 wurde eine Berliner Milchhändlerin auf Grund der Brennnesselblätter in ihrer Milch wegen Lebensmittelverfälschung angeklagt. Mit der Begründung, dass dies ein „allgemein geübtes Verfahren“ sei, wurde die Händlerin jedoch freigesprochen. In Mitteleuropa, unter anderem den Niederlanden, Luxemburg, Österreich und Deutschland, werden Brennnesseln auch als Zutat für Brennnesselkäse verwendet.
Noch heute gibt man ganze oder gehackte Brennnesseln als Vitaminträger in das Futter von Küken, Ferkeln und Kälbern, damit sie schneller wachsen; auch als ganze Pflanzen gibt man sie Hausschweinen in der biologischen Landwirtschaft gern als Beifutter.
Fasergewinnung |
Hauptartikel: Fasernessel und Nesseltuch
Stoffe aus Brennnesseln gab es bereits vor Jahrtausenden. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts lebte das Interesse an der heimischen Faserpflanze aufgrund einer Baumwollknappheit wieder auf. Um 1900 galt Nessel als das „Leinen der armen Leute“. Im Zweiten Weltkrieg wurde Nesseltuch verstärkt in Deutschland für Armee-Bekleidung verwendet. Die Fasern können durch mikrobiologische Prozesse freigelegt werden.[15] Derzeit werden in Meßstetten Brennnesseln als Faserpflanzen angebaut und zu Textilien verarbeitet.[16]
Färberpflanze |
Lange Zeit gehörte die Brennnessel zu den Färbekräutern. Wolle kann man mit ihrer Wurzel, nach Vorbeizen mit Alaun, wachsgelb färben. Mit einer Zinnvorbeize, Kupfernachbeize und einem Ammoniak-Entwicklungsbad erzielen die oberirdischen Teile ein kräftiges Graugrün. Man benötigt etwa 600 Gramm Brennnessel pro 100 Gramm Wolle; besonders bei der Brennnessel kann der Farbton vom Zeitpunkt des Pflückens und Färbens abhängen, deshalb ist die Technik bei Massenproduktion von Kollektionen in Vergessenheit geraten.
Gärtnerische Verwendung |
Die Brennnesseln finden insbesondere im biologischen Gartenbau vielfältige Verwendung. Ein scharfer Kaltwasserauszug (nur 24 Stunden angesetzt) als Pflanzenstärkungsmittel festigt durch die enthaltene Kieselsäure die Zellwände der damit gegossenen Pflanzen und stärkt sie so gegen den Befall beißender wie saugender Insekten. Eine selbst hergestellte Jauche löst zusätzlich den Stickstoff der Brennnessel sowie Spurenelemente heraus und hat dadurch auch Düngewirkung. Die anfallenden Reste können im Kompost verwertet werden.
Eine kommerzielle Kultivierung der Brennnessel zur Herstellung von Brennnesseltee erfolgt auf speziellen Brennnesselfeldern. Das größte Vorkommen an Brennnesselfeldern befindet sich in der Ukraine. Die Aussaat erfolgt im April. Saatmenge: etwa 4 bis 6 kg/ha. Die Erträge liegen bei 35 bis 50 dt/ha.
Kulturelle Bedeutung |
Die lange Geschichte der Brennnessel als Heilpflanze und Nahrungsmittel führt dazu, dass es eine Vielzahl ethnobotanischer Traditionen und Ansichten über diese Pflanzenarten gibt, die teils dem Bereich der Mythen und des Aber- und Wunderglaubens entstammen.[17]
Einige der Bräuche:
- Am Gründonnerstag Brennnesselgemüse zu essen, was für das folgende Jahr vor Geldnot schützen soll.
- Fünf Nesselblätter in der Hand zu halten, um frei von Furcht und bei kühlem Verstand zu bleiben.
- Am Johannistag Brennnesselpfannkuchen zu essen, um gegen Nixen- und Elfenzauber gefeit zu sein.
- Am 1. Januar Brennnesselkuchen zu essen, um sich ein gutes Jahr zu sichern.
Quellen |
Literatur |
- Chen Jiarui (陈家瑞), Ib Friis, C. Melanie Wilmot-Dear: Urtica. In: Wu Zhengyi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 5: Ulmaceae through Basellaceae. Science Press/Missouri Botanical Garden Press, Beijing/St. Louis 2003, ISBN 1-930723-27-X, S. 76 (englisch, online). (Abschnitte Beschreibung und Verbreitung).
- David E. Boufford: Urtica. In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico. Volume 3: Magnoliophyta: Magnoliidae and Hamamelidae. Oxford University Press, New York/Oxford u. a. 1997, ISBN 0-19-511246-6, S. 401 (englisch, online). (Abschnitte Beschreibung und Systematik).
- P. W. Ball, D. V. Geltman: Urtica. In: T. G. Tutin, N. A. Burges, A. O. Chater, J. R. Edmondson, V. H. Heywood, D. M. Moore, D. H. Valentine, S. M. Walters, D. A. Webb (Hrsg.): Flora Europaea. 2., überarbeitete Auflage. Volume 1: Psilotaceae to Platanaceae. Cambridge University Press, Cambridge/New York/Melbourne 1993, ISBN 0-521-41007-X, S. 80 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). .
- Walter Erhardt, Erich Götz, Nils Bödeker, Siegmund Seybold: Der große Zander. Enzyklopädie der Pflanzennamen. Band 2. Arten und Sorten. Eugen Ulmer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8001-5406-7.
- Eva Hanke, Ernst Wegner: Die Heilkraft der Brennessel. Droemer Knaur, München 2000, ISBN 3-426-87041-X.
- Heidelore Kluge: Brennessel: Heilpflanze und mehr. Haug, Heidelberg 1999, ISBN 3-7760-1751-1.
- Renate Spannagel: Heilkraut Brennnessel: Gesundheitspflege, Teezubereitung, kosmetische Anwendung. Weltbild, Augsburg 1998, ISBN 3-89604-731-0.
Wolf-Dieter Storl: Heilkräuter und Zauberpflanzen zwischen Haustür und Gartentor. AT Verlag, Aarau/Baden 2000, ISBN 3-85502-693-9.
Einzelnachweise |
↑ Manfred A. Fischer, Wolfgang Adler, Karl Oswald: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2005, ISBN 3-85474-140-5.
↑ Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora. Unter Mitarbeit von Theo Müller. 7., überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 1994, ISBN 3-8252-1828-7.
↑ Rudolf Schubert, Klaus Werner, Hermann Meusel (Hrsg.): Exkursionsflora für die Gebiete der DDR und der BRD. Begründet von Werner Rothmaler. 13./14. Auflage. Band 2: Gefäßpflanzen. Volk und Wissen, Berlin 1987, ISBN 3-06-012539-2.
↑ Hans Ernst Hess, Elias Landolt, Rosemarie Hirzel: Bestimmungsschlüssel zur Flora der Schweiz. 3. Auflage. Birkhäuser, Basel 1991. ISBN 3-7643-2606-9.
↑ Carl von Linné: Species Plantarum. Band 2, Lars Salvius, Stockholm 1753, S. 983, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fwww.biodiversitylibrary.org%2Fopenurl%3Fpid%3Dtitle%3A669%26volume%3D2%26issue%3D%26spage%3D983%26date%3D1753~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D.
↑ Carl von Linné: Genera Plantarum. 5. Auflage. Lars Salvius, Stockholm 1754, S. 423, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fwww.biodiversitylibrary.org%2Fopenurl%3Fpid%3Dtitle%3A746%26volume%3D%26issue%3D%26spage%3D423%26date%3D1754~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D.
↑ Anerkannte Arten nach dem Entwurf einer Bewertung von The Plant List.
↑ ab Pertti Uotila: Urticaceae. Urtica In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity. Berlin 2011.
↑ abcdefghi Chen Jiarui, Ib Friis, C. Melanie Wilmot-Dear: Urtica. In: Wu Zhengyi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 5: Ulmaceae through Basellaceae. Science Press/Missouri Botanical Garden Press, Beijing/St. Louis 2003, ISBN 1-930723-27-X, S. 76 (englisch, online).
↑ abcdef H. H. Allan: Flora of New Zealand. Volume I: Indigenous Tracheophyta – Psilopsida, Lycopsida, Filicopsida, Gymnospermae, Dicotyledons. 1961, Nachdruck 1982. ISBN 0-477-01056-3. online.
↑ Urtica im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 5. Mai 2017.
↑ Pflanzenporträt: Anwendung und Inhaltsstoffe Große Brennessel
↑ abcde Meret Bissegger: Meine wilde Pflanzenküche. Bestimmen, Sammeln und Kochen von Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau/München 2011, ISBN 978-3-03800-552-0, S. 47.
↑ Brennnessel im Wildkräuter-Lexikon für Smoothies. In: smoothie-mixer.de. 22. Dezember 2018, abgerufen am 22. Dezember 2018.
↑ Jens Soentgen: Fasern aus der Brennnessel. Abgerufen am 11. Mai 2016.
↑ Walter Koch: [1] In: Schwarzwälder Bote vom 1. September 2013.
↑ Heinrich Marzell: Die Brennessel im Volksglauben. Ein Beitrag zur Volkskunde. In: Naturwissenschaftliche Wochenschrift 26, 1911, S. 401–406. ISSN 0369-3430, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fwww.biodiversitylibrary.org%2Fpage%2F1771617~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D.
Weblinks |
Commons: Brennnesseln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Brennnessel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
- National Geographic: Wissenswert: Warum brennen Brennnesseln?
- Brennnessel als Heilpflanze
- Große Brennnessel
- Pillen-Brennnessel
- Brennnesselwiki